Die Filme von Claire Denis sperren sich gegen die Analyse.
Sie lassen sich nicht auflösen, in keiner Hinsicht. Ihre Plots zerfallen
ins Banale oder Amorphe, sobald man sich an sie zu erinnern versucht. Von
den Figuren erfährt man im Grunde nichts, ja, selbst eine solche
Formulierung, die bereits voraussetzt, es ließe sich von Figuren ohne
weiteres noch reden, ist problematisch. Die Sperrigkeit dieser Filme liegt
nicht darin, dass dem Betrachter Widerstand entgegengesetzt wird. Im Gegenteil.
Es gibt Momente reinen Genusses, reiner Schönheit. Was sich der Analyse
sperrt, steht dem Genießen, der Lust des Blicks immer schon offen.
Lust am Text als, ganz mit Barthes, Lust an der Textur. Der Textur, so viel
ist offensichtlich, von Oberflächen. Die ersten Bilder von Trouble
Every Day: Lichtreflexe auf der nächtlichen Seine. Oder, denn mit
einer solchen Formulierung konventionalisiert man schon viel zu sehr: Licht,
Wasser, Schatten. Der Ort bleibt unmarkiert, der Sinn bleibt aus, als narrativer
zum Beispiel. Denis' Filme sind Filme, in denen der Sinn an der Oberfläche
der Texturen ausbleibt. Die Texturen, an denen dies Ausbleiben zur sinnlichen
Lust wird, sind Bilder der Kamerafrau Agnes Godard. Die Kehrseite des Ausbleibens
ist die Lust an der Textur, deren Genießen eine Sache der Einstellung
ist. An nichts hat diese Kamera mehr Interesse, nein, mehr Lust, als an
menschlichen Körpern, denen sie so nahe rückt bis nichts mehr zu
bleiben scheint als die nackte Haut. Die Kamera behauptet nicht, dass da
etwas zu lesen wäre, ja, sie behauptet mit der dem sprach- und thesenlosen
Bild überhaupt nur möglichen Insistenz, das Gegenteil. Dass da
nicht sei als die Haut, die Oberfläche, die Textur, der Körper.
Der Körper von Béatrice Dalle, der Körper von
Vincent Gallo. Wie soll man sagen, was man sieht? Körper, denen alles
Glatte, alles glatt Gefällige fehlt. Körper, denen man das blutige
Begehren, das sie umtreibt, abnimmt. Dieses Begehren ist ein vampirisches
und es ist, nicht zuletzt, das Begehren der Kamera nach Blut. Begehren, das
im Sex in blutigen Vampirismus, ja Kannibalismus umschlägt. Das Blut,
das Begehren, den Sex, den Vampirismus, den Kannibalismus genießen
wir in der Textur der Bilder von Agnes Godard. Es wäre zu einfach, hier
von der Ästhetisierung des Ekels zu sprechen, aber nicht gänzlich
verkehrt. Es scheint vor allem so, dass die Ästhetik, die an den
Oberflächen Texturen der Lust sucht, im Aufreißen dieser
Oberflächen, in der brutalen, blutigen Schaffung einer neuen,
überströmenden und überströmten Textur erst ganz zu sich
selbst findet. Die Zärtlichkeit, die vielleicht immer nur Schein war,
von sich wirft, oder: eine andere Zärtlichkeit sucht, die Zärtlichkeit
des Vampirs. Es ginge dann nicht um Deformation, sondern um das Zu-sich-Kommen
einer Form. Eine Schönheit, der die schiere ungefällige Schönheit
(die zugleich atemberaubende Hässlichkeit) der Körper von
Béatrice Dalle und Vincent Gallo vorarbeitet. An diesen Körpern
findet die Lust am Überströmen und Aufreißen der Haut, der
Oberflächen, der Texturen ihre glaubwürdige Manifestation. Trouble
Every Day ist die Lust am Bild als Textur der Oberfläche im Umschlag
in den Rausch, den Blutrausch. Keinem wird dabei, gerade weil man die
Schönheit dieses Rauschs zu genießen aufgerufen wird, wohl bleiben
können in seiner Haut. Vielleicht ist es das, was Claire Denis zu sehen
und zu genießen lehrt: den Ekel, der in der Schönheit siedelt.
Weitere Kritiken zu Filmen von Claire Denis:
Claire Denis: L'Intrus
Claire Denis: Beau Travail
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