Filmkritik Jean-Marie Straub, Danièle Huillet: Une Visite au Louvre (F 2004)

.

Jump Cut Filmkritik
__________________
Magazin für Film & Kritik:
Rezensionen und News.

Impressum

 
 


.

Jean-Marie Straub, Danièle Huillet: Une Visite au Louvre (F 2004)

 

Schwesterseiten

Auteur.de - Lexikon der Regisseure
Comix-Corner - die Comic-Website
Crime-Corner - die Krimi-Website
Literatur-Corner - die Seite für Literaturkritik
.

Archiv

Filmkritik
Filmbuchkritik
Filmklassiker
Alle alten Kritiken in der Übersicht
.

Interaktiv

Forum
Diskutieren Sie über Filme und/oder unsere Kritiken!

Mail
Was immer Ihnen an uns passt oder nicht passt.

.

Jean-Marie Straub, Danièle Huillet: Une Visite au Louvre (F 2004)
Kritik v
on Ekkehard Knörer

 

Siehe: Es lebt!

Was ist über die Stimme Julie Koltais zu sagen. Wie spricht sie zu uns. Spricht sie zu uns. Zu wem spricht sie, wenn nicht zu uns. Wer spricht. Cézanne spricht. Julie Koltai spricht Cézanne. Zu uns? Nur ganz gelegentlich die Erinnerung, als Einwurf, als Frage: Sie spricht, als Cézanne, zu Joachim Gasquet (den Jean-Marie Straub spricht).

Wie spricht sie Cézanne, vielleicht zu uns. Mit Verve. Woher kommt diese Verve, wohin zielt sie. Modulationen, die sich vom Sinn der Worte nie ganz lösen. Die den Worten eine Verve geben, die sie dann immer schon zu haben scheinen. Verve - Nachdruck. Druck. Dringlichkeit. Ausrufezeichen in der Stimme. Höhepunkte der Suada: Verfluchungen. Verflucht, ist das schön! Das lebt! Das ist keine Malerei! Er ist kein Maler!

Zu den Tönen die Bilder. Den Bezug sieht jedes Kind. Die Stimme Cézannes spricht über die Bilder, die wir sehen. Ingres, Courbet, Delacroix. Die Stimme Cézannes, der vielleicht zu uns spricht, mit der Stimme Julie Koltais, macht uns sehen, was wir sehen. Sie behauptet die Bilder, die uns gezeigt werden. Als Reproduktionen und Originale. Die Kamera reproduziert die Originale. Straub und Huillet stellen die Kamera im Louvre vor die Bilder, mit Wand, ohne Wand, auch einmal den Ausschnitt vergrößernd, mit Rahmen, ohne Rahmen und machen mit der Stimme Cézannes uns sehen, geben uns zu sehen. Eine Sehaufgabe.

Die Stimme Cézannes, die Stimme von Julie Koltai, die Stimme von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet. Oder geht das jetzt zu schnell. Wir dürfen die Schwarzbilder nicht vergessen. Wir dürfen die Bilder der Natur, die Bilder von Paris zu Beginn, die Bilder der Natur am Ende, die dürfen wir nicht vergessen. Sie sprechen zu uns ohne Stimme, sie sind uns zu sehen gegeben durch den Schnitt, der sie von den Bildern des Museums trennt. Die Stille der Kamera angesichts der Bilder und der Stimme, die Cézanne spricht. Die Kamera bewegt sich nicht, im Museum. (Andächtig?) Die Kamera bewegt sich, auf den Louvre zu über die Seine, den Louvre entlang und wieder zurück. Die Kamera bewegt sich, im Wald, in der Natur, ein Bach, Wasser, Bäume, Steine. Bewegung. Ruhe. Der Druck, die Verve, das Schweigen. Die Stimme Cézannes, die Stimme von Straub und Huillet. (Andächtig?)

Die Wahrheit in der Malerei für Cézanne: Es lebt. Es kreist. Ca, das. Die Ausrufezeichen in der Stimme Julie Koltai scheinen immer wieder nur sagen zu wollen: Ca, das. Ecce, siehe. Es lebt, es kreist. Nur zum Beispiel, sagt die Stimme und richtet unseren Blick auf die linke Seite des Bildes, die Säule, der Marmor. Da, siehe. Die Stimme trotzt uns die Bewegung ab, der Blick der Kamera bleibt unbewegt. Dies also nur zum Schein. Die Stimme bewegt sich gegen den starren Blick der Kamera, der ihr doch folgt zu den Gemälden, von denen sie spricht. Der Kamerablick, der den Blickraum öffnet für die Anweisungen der Stimme. Straub und Huillet stellen die Kamera vor die Gemälde, vor denen die Stimme Cézannes - zu uns! - sagt: Ca, siehe. Das lebt.

Jetzt aber die entscheidende Frage: Welche Freiheit lässt mir der Film? Welche Freiheit wünscht er sich für mich? Ist Platz für mich zwischen der Verve der Stimme Cézannes/Koltais und den zu sehen aufgegebenen Bildern. Wie habe ich mich, wie darf ich mich, wie kann ich mich zu den Ausrufezeichen verhalten. Was ist, wenn ich sage: Nein, non. Nein! Ideologie! Blödsinn! Darf ich das, darf mir das, was die Stimme Cézannes hier sagt, nicht weiter interessant vorkommen? Ist das nicht eine Predigt der verschiedenen Stimmen (Cézanne, Koltai, Straub/Huillet, die Gemälde, die Kamera), die nur eines sagt: Ca, das lebt, ecce, siehe. Habe ich die Freiheit, den Kopf zu schütteln. Habe ich die Freiheit, nichts zu sehen, anderes zu sehen? Was bleibt dann vom Film?

Meine Antwort (denn ich habe den Kopf geschüttelt): Es bleibt die Klarheit einer Sprache der Bevormundung, die sich als Sprache der Freiheit ausgibt. Es ist kein Raum für eine Gegenstimme. Die Fahrt durch die Natur, am Ende, versteht sich als Probe aufs Exempel des erlernten Blicks. Die Freiheit ist Schein. Man muss sie wollen, um sie haben zu dürfen. Mit dem, der den Kopf schüttelt, will dieser Film nichts zu tun haben, mit dem, der nicht sehen will, was ihm zu sehen aufgegeben wird, will er nichts anfangen. Wer die Bewegung des Films zur Reinheit nicht mitmachen will, wird aus ihm, unwiderruflich, exkommuniziert. Wer die Gegenstimme erhebt, ist der Feind.

zur Jump Cut Startseite

zum Diskussionsforum

.
 .
Suchen
 
Google
Web Jump Cut

 .

Newsletter

Anmelden zum Jump Cut Newsletter mit wöchentlichen News und Updates

Powered by KBX7

.

Jump Cut Partner

DVDs & Videos
Suchbegriffe:


In Partnerschaft mit Amazon.de

.

Internet Movie Database


Filmtitel Person
Powered by www.IMDb.com