E J-yong: Untold Scandal (Südkorea 2003)

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E J-yong: Untold Scandal (Südkorea 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

 

Keine Sorte Film, sollte man meinen, gibt es, die das blühende koreanische Kino in den letzten Jahren nicht hervorgebracht hätte. Vom brisanten Politthriller wie "Joint Security Area" über das durchgeknallte Sci-Fi-Epos wie "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" bis zu den so bildgewaltigen wie gewalttätigen Kunstfilmen Kim Ki-Duks ("The Isle" oder, vor zwei Jahren in Berlin, "Bad Guy"), alles, denkt man, ist jetzt da gewesen. Und dann gelingt die Verblüffung doch wieder: Mit "Untold Scandal" nämlich hat sich der junge Regisseur E J-yong nichts anderes vorgenommen als die Verfilmung des französischen Klassikers "Gefährliche Liebschaften" von Choderlos de Laclos, dem Filmliebhaber vertraut in der Version von Stephen Frears.

Yong verlegt die Geschichte dabei keineswegs in die Gegenwart, sondern transportiert sie, ohne mehr als nur ein paar Knöchelchen ihres Skeletts zu verändern, ins Korea des 18. Jahrhunderts, die Zeit der Chosun-Dynastie. Das ist ein Wagnis, und mehr als das, eine wahre Tollkühnheit, denn wenn ein Roman einen historisch wie kulturell spezifischen Ort hat, dann Laclos' Vorlage, die das französische Rokoko an jenem Gipfelpunkt erwischt, an dem die durchgeklügeltste Semantik und Semiotik des Liebens, die die Geschichte - jedenfalls nach der Antike - kennt, sich in der souveränen Handhabung doppelmoralischer Raffinessen an den Rand des noch Handhabbaren komplizierte. Voraussetzung der neuen Wertgesetze des Liebens ist dabei gerade die Skrupellosigkeit, die mit den Skrupeln derer spielt, die noch Skrupel kennen: die Überschreitung der moralischen Standards gibt den Kitzel und die Entkopplung von Sex und Liebe im ehelichen Alltag treibt den Preis für den Zusammenfall beider - was, versteht sich, nur außerhalb der Ehe denkbar ist - in schwindelnde Höhen.

Der Plot der "Gefährlichen Liebschaften" ist so einfach wie infam: Ein Mann des Hofes liebt eine Frau des Hofes, die ihm zur Aufgabe stellt, die unschuldigste und unzugänglichste Frau, die sich in Reichweite befindet, zu verführen. Der Preis ist sie selbst. Das ist im Grunde auch die Geschichte von "Untold Scandal", statt mit Valmont und der Marquise de Merteuil bekommt man es hier mit Lady Cho und Cho Won zu tun, die Verstrickungen aber bleiben - im Grundriss - dieselben. Man muss nun über die koreanische Chosun-Dynastie nichts wissen, um zu ahnen, dass dergleichen dort wohl kaum sich zutragen konnte - und in jedem Fall ist derartiges aus dieser Zeit nicht überliefert. Auf diesen letzteren Tatbestand bezieht sich der Titel, darauf bezieht sich auch ein kurzer Vorspann, der die Zweifel beiseiteräumt, indem er sie teilt und damit, im eingeräumten Unwahrscheinlichen, die Lücke öffnet für die skandalösen Vorgänge, die er schildert.

Und man sehe und staune, das ganze höfische Intrigenspiel wird entfaltet, nun aber im koreanischen Gewand, mit erstaunlichsten Hüten, asiatischen Kleidern undsoweiter. Man sitzt meist auf dem Boden - und schon das macht einen gewaltigen Unterschied. Das Tempo ist verlangsamt, statt Dynamik setzt E J-yong auf Statik, die Entwicklung ist ins mehr ins Einzelbild verlagert, ins Zucken der Mundwinkel, ins Hochziehen der Braue. "Untold Scandal" ist ein Kostümfilm (der sich mit Absicht über historische Akuratesse hinwegsetzt), ein Ausstattungsfilm, ein Schauspielerfilm, ein Augenfilm. Auch ein Ohrenfilm, denn auf der Tonspur kommentiert er seine gewagte interkulturelle Zwischenlage selbst. Meist umspielt er die koreanischen Intrigen mit europäischer Musik, viel Bach, nur einmal reißt er den Betrachter aus dieser schnell vertrauten Melange und setzt ein koreanisches Musikensemble an einen See, das die vertraute Geschichte im unvertrauten Gewand fürs westliche Ohr geradezu schockartig verfremdet. Das ist der Zwischenton, der bleibt.

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