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Velvet Goldmine
Regie: Todd Haynes
Darsteller: Ewan McGregor, Christian Bale, Jonathan
Rhys-Myers
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Der Film beginnt im Dublin
des 19. Jahrhunderts und zeigt, wie ein Ufo den kleinen Oscar Wilde einer
Zeit in die Wiege legt, die auf ihn nicht gefaßt sein konnte. Und doch
hat die Genealogie des Dandys, die der Film von der Epoche des Glam Rock
aus konstruiert, hier ihren Ausgangspunkt. Mit diesem Auftakt hat diese
Konstruktion alle Ironie aber schon hinter sich. Fortan wird freudig, nicht
ernsthaft, aber auch nicht ironisch, nur noch zitiert, vermischt, ineinander
geblendet. Freilich bekommt jene Form des Konstruierens von Genealogien,
wie sie Greil Marcus am Beispiel von Punk und Dada (äußerst
unironisch) unternommen hat, ihre versteckte Hommage. 'Lipstick Traces' ist
der Name von Greil Marcus' Buch. Es ist auch der Titel von Brian Slades,
des Helden dieses Films, erster LP.
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Lipstick Traces. Ganz zu Beginn,
gleich nach der Oscar-Wilde-Episode, sehen wir in Großaufnahme einen
Mund, der rot geschminkt wird, man fragt sich, ob das Blut ist, begreift
aber sogleich, daß es das nicht sein kann. Genau darum geht es dem
Film: kein Blut, nur Schminke. Ebenfalls zu Beginn sieht man Brian Slade
tot auf der Bühne liegen, blutend, niedergestreckt von einem
Attentäter, wie, in einer Zeit, die noch in der Zukunft liegt, John
Lennon (das hieße aber ein lineares Zeitbewußtsein un- terstellen,
das der Film explizit verweigert). Nur ist nichts daran echt. Der Mord ist
inszeniert, das ganze ein PR-Gag, das Blut nur Schminke, der ultimative Hoax
als Gipfel- und Endpunkt einer Epo- che, die vom Film aber nicht, Realismus
erstrebend gar, heraufbeschworen wird, einer Epoche, so zeigt der Film, die
nicht mehr enden kann. So gelingt es dem Film sogar, in der Figur des Curtis
Wild, in der Ewan McGregor zeigt, was er kann (eine Menge), Iggy Pop, Lou
Reed - das paßt ja noch mit der üblichen Geschichtsschreibung
zusammen - und Kurt Cobain zu einer neuen Hieroglyphe des Ahistorischen
übereinanderzuschieben. Die damit verbundene These ist gewiß nicht
der stupide Banalsoziologismus, daß alle Jugendbewegungen in der einen
selben Rebellionsgeste aufgehen. Vielmehr geht es um die Zitathaftigkeit
all dieser Gesten, um die Unmöglichkeit einer Authentizität (sogar
des Selbstmords, sogar des Mords), die nicht schon nur Zitat von
Authentizität wäre. Das ist die Lektion, die der Glamrock die Popkultur
gelehrt hat (oder haben sollte). Seither läßt sich Popkultur gar
nicht mehr anders denken. Was freilich nichts daran ändert, daß
ein paar gitarren- zupfende Pennäler immer wieder an ihre eigenen leeren
Aufrichtigkeitsgesten glauben.
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Das Schöne ist, daß der Film seine Thesen,
etwa auch die zum dekonstruktiven Potential der Gender-Inszenierungen
(anders als Todd Haynes in seinen Interviews, aber das ist ok, muß
einen auch nicht interessieren) nicht vor sich herträgt, sondern filmisch
schlüssig in grandioser Mise-en-Scène und flüssiger Vermischung
von realen, surrealen und ambivalent dazischen stehenden Passagen zu inszenieren
versteht. Das narrative Vorbild, dessen er sich bedient, ist die
Erzählstruktur von Citizen Kane und das ist nun wirklich hoch gegriffen,
und funktioniert doch (meistens). Nicht so recht funktioniert dabei die
Journalisten-Figur, die neben der (durchaus spannenden) Suche nach Geschichte
und, recht verblüffender, aber völlig schlüssiger, Gegenwart
von Brian Slade ihren eigenen Prozeß des Erwachsenwerdens noch einmal
durchläuft. Das ist ein bißchen zu viel der Komplexierungen und
kommt nicht wirklich zu einem überzeugenden Ergebnis, was die Analyse
von Identifikationsmustern innerhalb der so identitätsauflösenden
wie Identifikationen zu bloßen Zitaten verdammenden Struktur des Glamrock
betrifft. Kein perfekter Film also, aber ein sehr lehrreicher, kluger. Der
einen zudem verführt, noch stundenlang Lou Reed, Bowie, Roxy Music zu
hören. Mit etwas anderen Ohren nun.
P.S.: Wer die Gelegenheit hat, Timothy
Greenfield-Sanders' 'Lou Reed: Rock'n'Roll Heart' zu sehen, sollte das tun.
Eine schamlose Hommage an Lou Reed. Er hat sie aber, wovon man sich in dem
Film überzeugen kann, verdient.
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