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The Winslow Boy
USA 1999
Regie: David Mamet
Mit Rebecca Pidgeon, Nigel Hawthorne, Jeremy Northam |
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PLOT
Der junge Winslow ist von seiner Kadettenschule
geflogen, weil er einem Mitschüler Geld gestohlen haben soll. Er bestreitet
das, sein Vater glaubt ihm und bringt den Fall mit großer Beharrlichkeit
und beträchtlichem finanziellen Risiko bis in die höchsten
Gerichtsinstanzen.
KRITIK
Ein historischer englischer Gerichtsfall aus dem Jahr 1912, heute
kaum noch relevant, verfilmt nach einer Theaterversion der Geschehnisse aus
den 40er Jahren: genau das ist Winslow Boy. Mamet, der Theater- und
Drehbuchautor, Filmemacher, Essayist und Romancier hat nun nicht die geringste
Anstrengung unternommen, das Theaterhafte der Vorlage durch gezielte Umarbeitung
ins selbst verfasste Drehbuch oder durch den Einsatz filmischer Mittel vergessen
zu machen. In vielen Szenen tut er genau das Gegenteil: er konzentriert sich
ganz und gar auf die walking und talking heads eines mehr dialoglastigen
als auf dramatische Zuspitzung bedachten Stücks. Die Entscheidung, das
Urteil wird zuletzt gar per geradezu antiklimaktischem (Dienst-)Botenbericht
vermittelt.
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Minimale Verschiebungen sind es, denen Mamets Interesse gilt.
Verschiebungen der Perspektiven, der Einschätzungen, der Haltungen von
Figuren zueinander. Gewöhnlich konzentriert er sich zur Aufzeichnung
dieser Verschiebungen auf die Dialoge. Niemand montiert so virtuos
Gespräche, bei denen die Beteiligten geradezu gezielt - aber auch, das
ist die kommunikationspessimistische Seite, rettungslos aneinander vorbeireden.
So sieht wenigstens die tragische Variante aus, am deutlichsten wohl in Oleanna
(Stück wie Film). Winslow Boy ist nun sozusagen die Komödienvariante.
Die Verschiebungen addieren sich hier nur zur Eleganz eines Salon- und
Gesellschaftsstücks, das, für Mamet beinahe ungewöhnlich,
milde und freundlich auf die meisten seiner Protagonisten blickt.
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Es ist gar nicht leicht zu sagen, woran Mamets Film genau interessiert
ist. Der Fall als solcher ist es nicht, so wenig wie das Risiko, das Vater
Winslow auf sich nimmt, um seinem Sohn zu seinem Recht zu verhelfen. Die
Kohlhaas-Abzweigung in die Eskalation wird hier klar und deutlich vermieden.
Stattdessen stellt Mamet die feministische Tochter des Hauses, Catherine
(Mamets Frau Rebecca Pidgeon, die hier einmal mehr von Kamera und Drehbuch
umschmeichelt wird), in den Mittelpunkt: ihre Bereitschaft, aufs Ganze zu
gehen, und die schleichende Umschichtung in der Ökonomie ihrer
Gefühle. Aber auch bei ihr - noch viel mehr bei den anderen Figuren
- verzichtet Mamet auf die Herstellung psychologischer Durchsichtigkeit.
Das Verhalten aller Beteiligten bleibt stets im Bereich des Plausiblen, aber
Einblicke in ihre Gedanken, Motivationen und Gefühle bleiben weitgehend
aus. Der Film verzeichnet reine Oberflächenbewegungen, reduziert die
Darstellung seiner Charaktere auf Worte und Handlungen im strengen Sinne.
Damit kommt er der dargestellten Welt erstaunlich nahe: er rückt seinen
Figuren nicht näher auf den Leib, als diese es zu wünschen scheinen
und bezieht seine Spannung gerade aus der Verweigerung der spekulativ doch
stets begehrten tieferen Einblicke. Mögliche Höhepunkte und
Sentimentalitäten werden in gezieltem Understatement unterlaufen. Den
Regeln der Kunst (schon gar der Filmkunst) stellt Mamet damit einmal mehr
seine eigenen entgegen.
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