Es geht, auf den ersten Blick, um Tenoch und Julio, zwei Jugendliche
in Mexiko City, die durch das Ende der Pubertät in Richtung
Erwachsenendasein driften, eine Zeit des Übergangs, die der Film, der
auf die Generika von Sex und Gesprächen über Schwanzlängen,
präpotenten Fantasien etc. nicht verzichtet, in einen Moment der Auszeit
zu verdichten scheint. Genretechnisch wählt Alfonso Cuarón,
Drehbuchautor und Regisseur, für den Mittelteil das Roadmovie,
prächtige, immer wieder taugliche Metapher für alle Formen des
Unterwegsseins, Ende offen. Dieser Teil aber ist nur Intermezzo, herausgefallen
aus den raum-zeitlichen Koordinaten des Anfangs und des Endes, die beide
sehr genaue Situierungen sozialer und auch individualbiografischer Art erlauben.
Das Intermezzo ist, für Tenoch und Julio, das Ende von Jugend, von Traum,
von großer Zukunft, also, ohne dass sie es merken, eine
Abschiedsreise.
Der Film wäre etwas penetrant, aber nett, wenngleich belanglos,
wäre das schon die ganze Geschichte. Hinzu kommt aber, erstens, Luisa,
die zehn Jahre ältere Frau von Tenochs Cousin, der ihr gerade einen
Seitensprung gestanden hat: sie beschließt, der nie ernst gemeinten
Einladung der Jungs zur Fahrt ins Blaue, in die Himmelsbucht, die es nicht
gibt, die sie erfunden haben (denken sie), zu folgen. Sie hatten nur, ganz
unverbindlich, von Sex geträumt und als sie ihn bekommen, kriegen sie
es mit der Angst zu tun. Die Dreiecksgeschichte wird für die beiden
zur education sentimentale, ein paar nicht so freundliche Wahrheiten
kommen hinter den großen blutsbrüderschaftlichen Worten
hervorgekrochen. Zu dritt landen sie, am vorläufigen Ende der Reise,
im Idyll, verfahren sich ans Meer, an den versprochenen Strand; das Zelt
wird von ausgebrochenen Schweinen verwüstet, man schließt Freundschaft
mit einer Fischerfamilie.
Der eigentliche Kniff des Films aber ist der Off-Kommentar, hier als
Mischung aus bis ins Groteske allwissendem Erzähler (ein bisschen wie
in den Zukunfts-Clips in "Lola rennt", nur einfallsreicher und mit dem sehr
trockenen Humor auch witziger) und narrativem Überschuss, der nicht
auf Vertiefung, sondern Anreicherung, Abschweifung aus ist, dabei stets das
nur unterschwellig zentrale Thema, Vergänglichkeit und Tod, auf sehr
unaufdringliche Weise mitführt. Beim Einsetzen der Erzählerstimme
wird der Ton runtergefahren, werden die Bilder vom Vorder- in den Hintergrund
geschoben. Diese Stimme kommt aus dem Nichts, das ganze ist als Verfahren
das, was man gerne literarisch nennt, aber es funktioniert hier ganz exzellent.
Nicht zuletzt deshalb, weil das Verhältnis von Mitteilung gar nicht
zur Sache gehöriger Fakten und Informationsverweigerung vertrackt ist:
die eigentliche Pointe der Geschichte bleibt lange nur angedeutet, wird erst
am Ende dann von den Figuren ausgesprochene Gewissheit.
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