Welches Geräusch macht ein Engel beim Fliegen? In der Ausstellung
"Flügelschlag - Engel im Film", die bis zum 12. April im Filmmuseum
in Berlin zu sehen ist, klingt das Schwingen wie die Brandung des Meeres.
Oder wie das Klirren von Glas. Ein ganz schön lautes "Getöse".
In der Bibel beschrieben Ohrenzeugen den Flügelschlag, den Frieder Butzmann
in der Klang-Installation umsetzt. Es zirpt, kichert, flüstert und lacht
aus Lautsprechern. Vokal und instrumental wird verspielte Engelsmusik erzeugt:
mit Harfen, Geigen, dumpfen Tönen; verfremdete Phantasien von himmlischen
Chören.
"Engel im Film. Engel in der Kunst". Lässt man sich auf das christlich
und mythologisch besetzte Terrain ein, geht man am besten zuerst in die nahe
Gemäldegalerie. Begleitend zur Ausstellung im Filmmuseum wurden hier
einige Werke alter Meister auf Engelsgattungen durchforstet und deren Darstellung
interpretiert.
Auf einem Gemälde des Malers Caravaggio steht dem knuffigen "Amor als
Sieger" die Lust am Dasein ins Gesicht geschrieben. Könnte er ein
Geräusch machen, klänge es wie das Gekicher aus der Installation.
Auf dem Bild daneben, von Giovanni Baglione ein Jahr später für
einen Kardinal angefertigt, ist Schluss mit lustig: "Der himmlische Amor
besiegt den irdischen Amor". Dem Mäzen gefiel wohl die Sinnesfreude
nicht. So erwartet der irdische Amor den Todesstoß zu Füßen
des göttlich legitimierten. Stellvertretend für weltliche Interessen
werden Querelen durch die Engel ausgetragen.
Umzingelt von Putten lässt sich in der Galerie über den Massenauflauf
an geflügelten Wesen, die unter anderem als Schutzengel und Boten auftreten,
leicht spotten. Erzengel befinden sich auch darunter, zum Beispiel "Der Heilige
Michael" auf dem Bild von Luca Giordano: blond gelockt, im hellblauen Wams
und mit flatterndem rosa Mantel, über den sich die Flügel ausbreiten.
Ähnliche Motive finden sich im Filmmuseum in einer Wandcollage aus Fotos
wieder und in Filmsequenzen, die in nach sechs Engelstypen gegliederten
Säulen sowie auf einer Leinwand gezeigt werden - so trifft man den
kriegerischen Engel aus "Brazil" (1984) oder die himmlischen Jungs Ben Affleck
und Matt Damon, die sich in "Dogma" (1999) gar gegen Gott auflehnen.
Die Regisseure ließen sich von der bildenden Kunst inspirieren. Und
beantworteten drängende Fragen zum Mythos: "Haben Engel Sex?" So wird
der blinde, flugunfähige Bote aus "Barbarella" (1967) von Hauptdarstellerin
Jane Fonda verführt und kann danach wieder abheben.
Viele Engel im Film haben Flügel, doch richtig breite Schwingen oder
Flugschauen sind selten. Die Gefährten aus Fritz Langs "Liliom" (1934)
treten flügelfrei in Business-Anzügen auf. Romy Schneider als blonder
"Engel auf Erden" (1959) trägt das Kostüm einer Stewardess. Otto
Sander und Bruno Ganz, die Engel aus "Der Himmel über Berlin" (1987),
schlüpfen in lange Wintermäntel.
Ihre Kluft ist neben anderen Exponaten in der Ausstellung zu sehen: Die grauen
Flügelchen von Nastassja Kinski aus "In weiter Ferne, so nah!" (1993)
möchte man am liebsten einmal anfassen. Neckisch: der superkurze Mantel
aus blauweißen Federn von Heike Makatsch, den sie in "Ein göttlicher
Job" (2000) trug. Mit knappen Shorts und langen Schaftstiefeln wirkt das
Outfit wie eine Neuauflage des 60er-Jahre-Looks in "Barbarella".
Trends wiederholen sich, auch im Engelfilm. In der Ausstellung verdeutlicht
eine Chronologie, dass "die Mittler zwischen den Welten" Konjunktur in
Krisenzeiten haben: In den 40er und 50er Jahren ballen sich die Produktionen.
Der Klassiker "Ist das Leben nicht schön?" mit James Stewart entstand
1947. Auch rund ums Millennium wurden verstärkt Filme zum Thema gedreht.
Auffällig ist eine gewisse Schwermut unter den Engeln. Die himmlischen
Sphären machen nicht alle glücklich. Bestes Beispiel: Bruno Ganz,
der sich in "Der Himmel über Berlin" in eine Artistin verliebt und die
Flügel abgibt. Vielleicht handelt es aber nur um die romantisierte
Interpretation eines zur Erdenschwere verurteilten Regisseurs, um die Menschen
mit der Sterblichkeit zu versöhnen.
Bis 12. April. Katalog im Buchhandel: 16,90 Euro
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