"Ich weiß nicht, was ich will!"
Hugh Grant hat viel erreicht: im Fernsehen, am Theater und vor
allem auf der Leinwand. "Notting Hill", "Vier Hochzeiten und ein Todesfall"
und "Bridget Jones" fanden ein großes internationales Publikum, und
auch Grants neuer Film "About A Boy" stürmte in England schon die
Kinocharts. Trotzdem ist der Star mit seinem Ruf als Schauspieler nicht
glücklich. Wir unterhielten uns mit Grant über sein Image, Coolness
und Vatergefühle.
Frage: Mr. Grant, in "About a Boy" sind Sie ein unwiderstehlicher
Herzensbrecher, der mit einer ganz besonderen Taktik auf Frauenfang geht.
Erkennen Sie sich selbst in dieser Person wieder?
Hugh Grant: Eigentlich schon. Die Buchvorlage für den Film stammt
von Nick Hornby. Ich kannte den Text schon vor seiner Veröffentlichung
und war von Anfang an begeistert. "About A Boy" ist definitiv Nicks bestes
Buch.
Frage: Was ist das Besondere?
Grant: Mich hat fasziniert, dass Wills Charakter nahezu peinliche
Ähnlichkeiten zu meiner eigenen Person aufweist. Ich wollte diese Rolle
unbedingt spielen. Folglich habe ich versucht, die Rechte an dem Buch für
meine Produktionsfirma zu kaufen. Aber zu spät: Robert De Niros Firma
"Tribeca" hatte vor mir zugeschlagen. Also habe ich den Film mit seiner Firma
gedreht.
Frage: Wie war es, mit einem New Yorker Produzenten eine britische
Komödie zu drehen?
Grant: Bevor ich zu dem Projekt stieß, war alles sehr chaotisch:
Das Drehbuch war wahnsinnig schlecht, die Weitz-Brüder noch nicht als
Regisseure verpflichtet, und überhaupt war alles in der Schwebe. Also
haben wir das Drehbuch komplett umgeschrieben. Erst dann bekam die Geschichte
ihren britischen Humor.
Frage: Warum ausgerechnet die Weitz-Brüder? Deren bisherigen
Filme "American Pie" und "Einmal Himmel und zurück" sind doch eher von
derbem Humor geprägt.
Grant: Es war eine wirklich verrückte Idee! Schließlich
hat in unserem Film niemand mit einem Apfelkuchen Sex. Verstehen Sie mich
nicht falsch: Ich liebe "American Pie", aber es ist schon eine völlig
andere Komik.
Frage: Was war also der Grund?
Grant: Wir haben uns mit den beiden getroffen und festgestellt, dass
wir es mit sehr intellektuellen Menschen zu tun haben, die wissen, was sie
wollen und die britischen Humor sehr wohl zu schätzen wissen. Also wurden
sie verpflichtet. Jetzt kann ich sagen: Wir haben uns nicht
getäuscht!
Frage: Sie sind oft in die Konzeption der Story involviert. Auch bei
"Bridget Jones" waren Sie für viele Gags verantwortlich
Grant: Ich arbeite immer eng mit den Drehbuchautoren zusammen.
Natürlich achte ich nicht auf jede Zeile, aber an der Gesamtstruktur
der Filme arbeite ich immer mit. Für "About A Boy" zum Beispiel schrieben
wir ein völlig neues Ende.
Frage: War Nick Hornbys Ende denn so schlecht?
Grant: Nein! Für ein Buch gerade richtig, für einen Film
jedoch zu vage. Wir wollten aber auch kein schmalziges Hollywood-Ende, in
dem Will seine Fiona heiratet und Marcus adoptiert. Wir mussten also die
richtige Balance finden. Und ich finde unser neues Ende sehr gelungen.
Frage: Wie stark war Nick Hornby in die Dreharbeiten
eingebunden?
Grant: Eigentlich überhaupt nicht. Er verkaufte uns die Rechte
und ließ uns in Ruhe. Aber immer wenn wir seine Hilfe benötigten,
half er uns sofort. Vor ein paar Wochen hat er mir eine reizende E-Mail
geschrieben und mir zum Erfolg von "About A Boy" gratuliert. Er hat zu dem
neuen Filmende übrigens seinen Segen gegeben.
Frage: Sie sprachen vorhin von Ihrer eigenen Produktionsfirma. An
welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?
Grant: Wir arbeiten an einer dramatischen Komödie unter der Regie
von Jerry Zucker. Ich bewundere ihn für seinen Film "Ghost". Unser zweites
Projekt ist ein Remake von "Trouble in Paradise" von Ernst Lubitsch aus dem
Jahre 1932.
Frage: Werden Sie in diesen Filmen wieder selbst mitspielen?
Grant: Unter Umständen. Ich wünschte, es wäre nicht
so. Aber leider gibt es Vereinbarungen mit der Firma. Irgendwie müssen
wir die Projekte ja finanzieren!
Frage: Sie klingen nicht gerade begeistert. Vor ein paar Wochen ging
das Gerücht um, Sie wollten Ihre Schauspielerkarriere beenden!
Grant: Ich weiß wirklich nicht, was ich will. Eigentlich finde
ich das reine Schauspielern schrecklich langweilig. Die Dreharbeiten ziehen
sich oft endlos hin. Da denke ich mir manchmal, ich sollte den Job einfach
an den Nagel hängen. Immerhin bin ich seit über zwanzig Jahren
Schauspieler.
Frage: Was wäre die Alternative?
Grant: Produzent! Ich bin regelrecht davon besessen, einen Film so
gut wie möglich zu machen. Schon jetzt übernehme ich oft die Aufgaben
des Produzenten, obwohl ich eigentlich nur Darsteller bin. Die Mitarbeit
an Skripts, Besetzung und Marketing ist inzwischen fester Bestandteil meiner
Arbeit.
Frage: Was würden Sie tun, wenn Sie nicht berühmt
wären?
Grant: Früher habe ich Werbespots fürs Radio geschrieben.
Vor vielen Jahren hatte ich zusammen mit zwei Freunden eine Comedy-Show,
die sehr erfolgreich war. Bald darauf schrieben wir Sketche fürs Fernsehen,
und irgendwann sind wir dann bei der Radiowerbung gelandet. Ich glaube, mit
dieser Arbeit wäre ich sehr glücklich geworden.
Frage: Sie scheinen Ihre Ambitionen als Schriftsteller nie ganz
aufzugeben: Sie verfassen Drehbücher und wollen sogar einen eigenen
Roman schreiben
Grant: Diese Frage habe ich befürchtet! Ab sofort werde ich nicht
mehr darüber reden. Denn immer wieder sage ich in Interviews, ich
würde demnächst einen Roman schreiben, aber es kommt natürlich
nie dazu. Wenn ich dann Jahre später wieder darauf angesprochen werde,
wird es peinlich. (lacht)
Frage: Für den Film haben Sie eng mit dem jungen Schauspieler
Nicholas Hoult zusammengearbeitet. Kamen da nicht wenigstens ansatzweise
Vatergefühle auf?
Grant: (verzieht sein Gesicht) Nein! Nicholas war sehr nett, aber
Vatergefühle kamen wirklich nicht auf. Die Schuld liegt aber bei mir:
Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, jemals selbst Kinder zu haben.
Das ist mein Problem. Es ist nicht so, dass ich keine Kinder mag. Aber ich
bin nicht gerade der Mensch, der sich prächtig mit Kindern
versteht.
Frage: Erzählen Sie uns von Ihrer Kindheit!
Grant: In meiner Jugend war ich eher schüchtern und
zurückhaltend. Als meine Mitschüler einen Bart bekamen und immer
größer wurden, wurde diese Befangenheit immer schlimmer, denn
ich blieb weiterhin recht schmächtig. Ich wurde zwar nie gehänselt,
aber irgendwie machte es mir doch zu schaffen. Eine Zeit lang habe ich habe
ich überhaupt nicht über Coolness nachgedacht. Aber wenn du nicht
cool bist und irgendwann anfängst, dir darüber Gedanken zu machen,
wird dieses Thema zur Qual.
Frage: Was ist für Sie cool?
Grant: Für die meisten Menschen ist es cool, bewundert zu werden.
Fährst du ein dickes Auto und trägst dazu die passende Sonnenbrille,
bist du in den Augen der meisten Menschen cool. Für mich ist jemand
cool, wenn er Charisma hat. Ich finde auch ganz gewöhnliche Dinge cool.
Zum Beispiel, wenn ein junger Mann einer alten Dame die Tür
öffnet.
Frage: Apropos gutes Benehmen: Sie haben das Image eines romantischen
Charmeurs!
Grant: Dagegen wehre ich mich! Ich hatte nie vor, ausschließlich
in romantischen Komödien zu spielen. Früher wollte ich möglichst
viele unterschiedliche Figuren verkörpern. Leider bin ich aber
schließlich doch in diesem Genre gelandet, und jetzt verbinden die
Zuschauer die romantische Komödie bereits mit meinem Namen. Ein Imagewechsel
ist leider nicht so ohne weiteres möglich.
Frage: Haben Sie dieses Image denn nicht ganz zu Recht?
Grant: Nein. Es ärgert mich sehr, dass die Zuschauer denken,
ich wäre privat derselbe charmante Junge wie in "Notting Hill" oder
"Vier Hochzeiten und ein Todesfall". Die sehen nicht, dass ich in Wirklichkeit
ganz andere Charakterzüge habe. Warum ist es so schwer zu kapieren,
dass ich nur eine Rolle gespielt habe?
Frage: Was ist denn so schlimm daran, der charmante "Mr. Nice Guy"
zu sein? Will denn nicht jeder nett wirken?
Grant: Ich finde das nette Image todlangweilig. Ich will mich auch
nicht in eine Ecke zwängen lassen.
Frage: Warum spielen Sie dann weiter diese Rollen?
Grant: Natürlich könnte ich einfach aufhören und endlich
meinen Roman schreiben. Aber irgendwie werde ich doch immer wieder
überredet. Was bleibt, ist die Angst, dabei irgendwie lächerlich
zu wirken. Das einzige Gegenmittel dafür ist Vertrauen in die
Produktion.
Frage: Sehen Sie sich denn gerne selber auf der Leinwand zu?
Grant: In einem voll besetzten Kino finde ich es sehr lustig, mir
auf der Leinwand zuzusehen. Ich finde die Reaktionen der Zuschauer sehr
interessant. Aber ich habe mir noch nie einen meiner Filme alleine
angesehen.
Frage: Was ist Verrückteste, das Sie sich je gekauft haben?
Grant: Ich habe mir gerade ein ziemlich verrücktes Auto gekauft.
Als ich mich vor einem Jahr - während der Dreharbeiten zu "About A Boy"
- dazu entschlossen habe, hat mich der junge Nicholas eifrig beraten. Er
ist ein regelrechter Autofanatiker. Am Ende war die gesamte Crew an meiner
Entscheidung beteiligt (lacht). Letzte Woche ist das Auto angeliefert worden.
Die Marke bleibt mein Geheimnis. (Anm. d. Red.: ein handgebauter Aston Martin
V12 Vanquish für 240.000 Dollar) Ich finde den Wagen ziemlich schön,
aber eigentlich war der Kauf total verrückt: Ich brauche einfach keine
205 Meilen pro Stunde. So schnell will ich gar nicht fahren. Außerdem
war er unglaublich teuer.
Frage: Wie wichtig ist Geld für Sie?
Grant: Ich habe gern viel Geld, kaufe mir gern schöne Dinge und
will keine Geldsorgen haben müssen. Und jeder, der das Gegenteil behauptet,
lügt!
Frage: Sie leben trotz Ihrer Berühmtheit noch immer in England.
Haben Sie nie überlegt, nach Hollywood zu ziehen?
Grant: Ich könnte niemals in Los Angeles leben! Ich finde diese
Stadt unerträglich: Jeder arbeitet dort im Filmbusiness und wartet nur
darauf, dass die Kollegen einen Fehler machen. Das ist kein Leben für
mich. Ich bleibe lieber in England und genieße meine Ruhe.
Johannes Bonke / Rico Pfirstinger
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