Zu den Waffen!
Während in Hollywood immer mehr Stars aus Angst vor Terroristen
brav zu Hause bleiben, proben die Studios und das Pentagon den kreativen
Schulterschluss. Woody Allen und Robert De Niro machen Werbung für New
York, und Sylvester Stallone holt sich selber aus dem Altenteil zurück:
Er schreibt an einem neuen "Rambo"-Streifen.
In 17.000 Metern Höhe platze Rod Eddington der Kragen: "Elende
Feiglinge", schnaubte der Boss der Fluggesellschaft British Airways, "im
Kino markieren sie den große Helden, und dann verstecken sie sich beim
geringsten Anzeichen von Ärger unterm Bett."
Eddingtons Wutausbruch, den er vergangene Woche auf dem ersten
regulären Flug der wieder zugelassenen Concorde von London nach New
York erlitt, zielt auf die Zugpferde der US-Unterhaltungsindustrie. Seit
dem 11. September bleiben Action-Helden wie Bruce Willis oder Arnold
Schwarzenegger nämlich brav zuhause. So stornierte Schwarzenegger Ende
Oktober einen Flug in seine österreichische Heimat, wo er mit einem
Ehrendoktor ausgezeichnet werden sollte. Zur Begründung nannte der Star
die Gefahr neuer Anschläge und die Sorge um seine Sicherheit.
Auch Steven Spielberg will sich lieber nicht ins Flugzeug setzen.
Da half auch keine Einladung zur "World Awards"-Gala in Wien, zu der am 3.
November Berühmtheiten wie Michael Gorbatschow, Paul McCartney und Luciano
Pavarotti kamen. Cher reiste immerhin mit dem Privatjet an.
Im Zickzackkurs nach Indianapolis
In Promi-Kreisen gelten jedoch auch die edlen Charterflieger als nicht
sicher. Zum Formel-1-Rennen in Indianapolis soll Michael Schumachers
Privatflugzeug laut "Bild"-Zeitung deshalb im "Zickzackkurs" geflogen sein.
Und John Travolta, dem eine umgebaute Boeing 707 gehört (die der begeisterte
Pilot auch selbst chauffiert), lässt seinen Flieger neuerdings von
Spürhunden durchsuchen und besteigt den vierstrahligen Jet nur noch
mit einem Bodyguard. Travoltas Post wird außerdem - aus Angst vor Milzbrand
- seit ein paar Wochen umgeleitet.
Vier Führungskräften des US-Fernsehsenders NBC konnte auch
ein teures Charterflugzeug nicht mehr helfen. Als letzte Woche auf dem Flug
von Salt Lake City nach New York gleich nach dem Start das Funkgerät
versagte, wurde der Gulfstream-Jet von zwei F-16 Kampfflugzeugen abgefangen
und zu einem kleinen Flugplatz umgeleitet. Zwei Stunden dauerte die Reparatur,
danach konnte die Reise weitergehen. Die Passagiere kamen pikanterweise von
einem Seminar über die Sicherheit der Winterolympiade, die nächstes
Jahr in Utah ausgetragen werden soll.
Sogar die Oscarfeier steht in Frage
Die Angst der Reichen, Wichtigen und Schönen spüren aber
auch die Medien. New Yorker Talkshows etwa leiden arg darunter, dass viele
Stars nicht mehr einfliegen wollen, um neue Filme oder Songs zu
präsentieren. Auch Premierenfeiern werden reihenweise abgesagt oder
auf kleiner Flamme durchgeführt - das trifft nicht nur die Fans, sondern
auch die Hotels, das Catering, die Blumenläden sowie Sicherheits- und
Limousinen-Dienste.
Mega-Events wie jüngst die Emmy-Verleihung in Los Angeles oder
die MTV-Europe Music Awards in Frankfurt blieben vom Prominentenschwund ebenfalls
nicht verschont. Und ob die Oscarverleihung am 24. März wie geplant
über die Bühne gehen kann, steht in den Sternen - auch wenn von
offizieller Seite Durchhalteparolen tönen.
In Big Apple greift man nun zur Selbsthilfe: Robert De Niro ließ
vorige Woche 500 hungrige New Yorker mit Bussen zu einigen der Restaurants
chauffieren, die von den Anschlägen besonders stark betroffen sind.
Gemeinsam mit Billy Crystal und Woody Allen ist De Niro außerdem
Bestandteil einer neuen Werbekampagne, mit der die Stadt wieder Touristen
ködern will. "Wunderbares New York", lautet die Parole, "seien auch
Sie ein Teil davon".
Die Waffenbrüder von Beverly Hills
Die Regierung ruft die Traumfabrik indessen an die Heimatfront. In
Beverly Hills hielten am Sonntag führende Vertreter von Gewerkschaften
und Studios Kriegsrat mit Karl Rove, einem hochrangigen Berater der
Bush-Administration. Auf der Tagesordnung stand die Frage, wie Hollywood
den Krieg gewinnen könne. Herausgekommen ist dabei ein seltsamer
Sieben-Punkte-Plan mit Botschaften, die dem Publikum fortan vermittelt werden
sollen. Etwa "Dies ist ein Krieg gegen das Böse" oder "Wir müssen
unseren Kindern wieder Sicherheit vermitteln". Auf dem Programm stand auch
die Truppenbetreuung: George Clooney, Julia Roberts und Brad Pitt gehören
zu den ersten Freiwilligen, die dabei helfen sollen, die Stimmung der in
Übersee stationierten US-Soldaten aufzumöbeln.
Der kühne Plan, das Hollywood-Wahrzeichen in den Hügeln
über der Stadt rot-weiß-blau anzustreichen, wurde inzwischen wieder
aufgegeben. Unter anderem auch deshalb, weil dies neue Attentate provozieren
könnte. Zum Ausgleich hängt in Beverly Hills eine US-Flagge an
jeder Straßenlampe.
Über die Art der Filme, die uns Hollywood künftig bescheren
wird, gibt es bereits erste konkrete Vorstellungen: Sylvester Stallone soll
in "Rambo 4" noch einmal nach Afghanistan ausrücken und dort die Taliban
bekämpfen. Laut "New York Post" arbeitet der 55 Jahre alte Schauspieler
bereits in seinem Haus in Miami am Drehbuch.
Rico
Pfirstinger
copyright Rico Pfirstinger 2001
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