"Ich rede nicht mit Teenie-Magazinen"
Mit "Pearl Harbor" wurde Nachwuchsstar Josh Hartnett über
Nacht berühmt - heute zählt der charismatische 23-Jährige
zu den hoffnungsvollsten Jungdarstellern Hollywoods. Am 30. Mai läuft
Hartnettes Sex-Komödie "40 Tage und 40 Nächte" in den deutschen
Kinos an - und die Teenies spielen verrückt. Der Kriegsfilm "Black Hawk
Down" von Ridley Scott, in dem Hartnett einen jungen US-Soldaten spielt,
hat dagegen hierzulande derzeit keinen Starttermin. Vom dolce vita in der
Traumfabrik hat Hartnett jedenfalls die Schnauze voll: Er lebt wieder in
seiner alten Heimatstadt in Minnesota.
Frage: Willkommen in Deutschland, Mr. Hartnett. Wo kommen Sie gerade
her, aus Minnesota oder Los Angeles?
Hartnett: Aus Minnesota. Ich habe nur ein Jahr lang in L.A. gewohnt
- und das ist schon eine Zeitlang her. Ich bin weggezogen, weil ich die Stadt
nicht besonders mochte.
Frage: Wie das?
Hartnett: Schwer zu erklären. Eigentlich ist Los Angeles ja in
Ordnung. Ich habe dort auch viele Freunde, die ich gern besuche, aber leben
möchte ich dort nicht mehr. Woran meine negative Einstellung genau liegt,
kann ich Ihnen aber auch nicht sagen.
Frage: Vielleicht hat man Sie dort zu oft erkannt?
Hartnett: Glauben Sie mir - inzwischen werde ich in ganz Amerika erkannt,
das beschränkt sich nicht auf eine Stadt. (seufzt) In erster Linie wollte
ich aber wieder meine alten Freunde sehen und bei meiner Familie sein. Ich
wollte einfach bei den Leuten leben, die mir am nächsten stehen und
die nicht nur wegen meiner Berühmtheit zu mir halten.
Frage: Sie wirken nicht besonders glücklich über Ihren neuen
Starstatus...
Hartnett: Ein wenig ärgert mich der Fankult schon, oft
überschreitet er die Grenze dessen, was man ertragen kann. Da versuchte
zum Beispiel ein Fan, in mein Haus einzubrechen. Solche Leute bezeichne ich
eigentlich nicht mehr als Fans, sondern als Fanatiker. Ich kann auch nicht
verstehen, wie ein Mensch von Beruf Paparazzo werden kann. Die dringen in
die Privatsphäre der Prominenten ein und machen davon Fotos. Und das
soll dann "cool" sein. Sie sehen, mein Job bringt Nachteile mit sich. Aber
zum Glück gibt es ja auch die vielen positiven Seiten.
Frage: Es ist offenbar schwer für Sie, noch echte neue Freunde
zu finden.
Hartnett: Ich habe sehr viele alte Freunde und brauche eigentlich
keine neuen mehr. Aber natürlich lerne ich auch neue Leute kennen, die
mir sympathisch sind. Ich glaube, ich habe eine Art "Bullshit-Detektor" in
meinem Gehirn, der Falschheit bei Menschen schnell erkennt. Bis jetzt habe
ich in Sachen Freundschaft noch nicht viel falsch gemacht. Meine besten Freunde
kenne ich seit einer halben Ewigkeit.
Frage: Gibt es etwas, das Sie in Ihrer bisherigen Karriere
bereuen?
Hartnett: Ich will es mal so sagen: Ich bereue nicht, was ich getan
habe. Hätte ich aber noch mal die Möglichkeit, würde ich in
einigen Situationen anders handeln.
Frage: Welche denn?
Hartnett: Situationen, in denen ich Menschen, die ich liebe und bewundere,
tief verletzt habe. Es gab einige Momente, in denen ich nicht besonders stolz
auf mich war. Aber ich habe daraus für die Zukunft gelernt und es wird
nicht mehr vorkommen.
Frage: Nehmen wir an, Sie hätten die Wahl: Glamouröser Star
oder seriöser Schauspieler...
Hartnett: Keine Frage: Schauspieler! Ich sehe mich selbst nicht als
Star, sondern vielmehr als Darsteller, der versucht, sein Ding zu machen.
Ich will verdammt gute Filme drehen und mein Bestes geben. Das ist es doch,
was den Beruf eigentlich ausmacht. Überhaupt gibt es im Filmgeschäft
ein paar Berufe, die ich sehr interessant finde.
Frage: Zum Beispiel Drehbuchautor. Haben Sie nicht erst selbst ein
Skript geschrieben?
Hartnett: Komisch, dass Sie mich darauf ansprechen. Ja, ich habe gerade
ein Drehbuch geschrieben. Über den Inhalt möchte ich natürlich
noch nichts sagen. Aber ich werde versuchen, den Stoff mit meiner
Produktionsfirma zu realisieren... Allzu viele Zukunftspläne sollte
man im Filmgeschäft aber nicht schmieden - also, mal sehen, was daraus
wird.
Frage: Möchten Sie vielleicht mal selbst Regie
führen?
Hartnett: Zurzeit besitze ich noch nicht das technische Wissen
dafür. Natürlich könnten mir viele Leute dabei helfen, aber
wenn ich irgendwann mal Regie führen sollte, dann möchte ich es
auch richtig machen. Ich müsste vorher noch einmal zur Schule gehen.
(lacht) Bisher habe ich in dieser Richtung aber keine Pläne.
Frage: Sprechen wir mal über Ihre aktuellen Filme: "Black Hawk
Down" und "40 Tage und vierzig Nächte" sind ganz
unterschiedlich...
Hartnett: "Black Hawk Down" ist ein sehr wichtiger Film, denn er
erzählt unverfälscht von den dramatischen Ereignisse in Somalia
im Oktober 1993, von denen ein Großteil der amerikanischen
Bevölkerung bis heute nichts wusste. Der Film regt an, die damaligen
Umstände kritisch zu hinterfragen und sich darüber Gedanken zu
machen - und das ist unglaublich wertvoll. "40 Tage und 40 Nächte" soll
dagegen einfach unterhalten und positive Gefühle vermitteln. Nichts
weiter, aber das ist schon schwer genug.
Frage: Zumal der Film fast ausschließlich von Ihrer Person getragen
wird. War das für Ihre junge Karriere nicht riskant?
Hartnett: Ein gewisses Risiko war schon dabei. Aber es macht keinen
Sinn, nervös zu sein. Man kann es schließlich doch nicht ändern.
Zumal ich mir den Film anders vorgestellt habe, als er es letztlich geworden
ist. Leider hatte ich keinen Einfluss auf die Nachbearbeitung.
Frage: Sind Sie von dem Film enttäuscht?
Hartnett: Das nicht, aber er ist eben anders geworden. Ich dachte
eigentlich, der Film würde etwas düsterer und tiefgründiger
werden. Aber egal: Regisseur Michael Lehmann hat eine lustige Komödie
gemacht und dabei gute Arbeit geleistet.
Frage: Haben Sie berufliche Ängste?
Hartnett: Die hat jeder Schauspieler. Meine Angst ist es, den falschen
Weg einzuschlagen. Einen Weg, den ich nicht mehr interessant finde, einen
Weg, auf dem ich stecken bleibe. Ich möchte nie in eine Lage geraten,
in der ich ständig ein und dieselbe Figur spielen muss.
Frage: Versuchen Sie deshalb, Ihr Image aktiv zu beeinflussen? Zum
Beispiel haben Sie der deutschen Teenie-Presse für "40 Tage und 40
Nächte" sämtliche Interviews verweigert. Dabei liegt gerade hier
eine der Zielgruppen des Films.
Hartnett: Ich wollte niemals Interviews mit Teen-Zeitschriften
führen. Ich finde diese Magazine lächerlich, warum also soll ich
auch noch freiwillig mit ihnen sprechen? Auch ohne das wird meinePerson in
diesen Magazinen zur Genüge unfreiwillig hochgejubelt. Als Schauspieler
hilft einem dieser zweifelhafte Ruhm nur beim Vermarkten der Filme, für
den Rest der Arbeit ist er störend.
Frage: Dummerweise stammt ein Großteil Ihrer Fans aus diesem
Teen-Segment.
Hartnett: So, glauben Sie? Ich kann das nicht bestätigen, ich
habe bisher keine Umfrage gestartet (lacht) Aber auch wenn es so wäre:
Ich versuche, Filme nach meinem Geschmack zu drehen - wem der Stoff nicht
gefällt, der soll ihn sich erst gar nicht ansehen.
Frage: Beraten Sie sich mit anderen Kollegen über Ihre Arbeit
und Karriere?
Hartnett: Nein, eigentlich bin ich der Meinung, dass jeder seinen
eigenen Weg gehen muss. Manchmal frage ich natürlich Kollegen, wie sie
mit all dem Rummel um ihre Person fertig werden. Oder mit dem Bild, das die
Presse von ihnen malt. Denn die Medienpersönlichkeit unterscheidet sich
meist sehr deutlich vom wirklichen Charakter. Sehen Sie, wir unterhalten
uns hier exakt 30 Minuten lang. Das reicht nicht, um eine Person auch nur
annähernd zu beschreiben. Und trotzdem müssen Sie über mich
schreiben.
Frage: Wir geben uns wie immer größte Mühe. Lesen
Sie denn manchmal die Artikel, die über Sie geschrieben werden?
Hartnett: Um Himmels willen, nein! Das Bild, das sich immer und immer
wieder von mir in den Medien offenbart - das bin einfach nicht ich! Ich kann
es schon nicht ändern, da brauche ich das Zeug nicht auch noch
lesen.
Frage: Was ist die übelste Falschmeldung, die Ihnen bisher über
sich selbst zu Ohren gekommen ist?
Hartnett: In den ersten vier Jahren meiner Karriere hat die Presse
geschrieben, dass ich aus San Francisco komme. Wenn Journalisten nicht mal
wissen, woher ich komme, wie wollen sie dann glaubhaft über meine
Persönlichkeit schreiben? Ich möchte gar nicht wissen, was für
komische Geschichten über mich kursieren...
Frage: Wir helfen Ihnen gerne aus. Neulich sollen Sie einem verletzten
Wanderer in Kalifornien - natürlich ein hübsches junges Mädchen
- das Leben gerettet haben.
Hartnett: (lacht) Definitiv falsch!
Frage: Noch eins: Um sich authentisch auf die Rolle für "40 Tage
und 40 Nächte" vorzubereiten, haben Sie eine Zeitlang auf jegliche Form
von Sex verzichtet, Onanieren selbstverständlich eingeschlossen.
Hartnett: Na gut, das stimmt. Ich habe mir eine sexuelle Auszeit genommen.
Ich weiß auch genau, wie lange ich es ausgehalten habe, aber ich werde
es Ihnen nicht verraten (lacht).
Frage: Sie spielen in Ihren Filmen oft an der Seite von
wunderschönen Frauen: etwa Kate Beckinsale in "Pearl Harbor" oder Shannyn
Sossamon in "40 Tage und 40 Nächte". Verliebt man sich da nicht auch
mal?
Hartnett: Doch schon, ich hatte auch Dates mit einigen meiner Kolleginnen,
aber es hat sich nichts Konkretes oder Festes ergeben. Es ist doch ganz
natürlich, dass man sich bei Dreharbeiten schnell verliebt: Deine
Filmpartnerin ist immer an deiner Seite, wohnt im selben Hotel in einer meist
unbekannten Stadt, und der ganze Dreh wirkt alles andere als real. Aber um
eine wirkliche Beziehung aufzubauen, reicht die Zeit meistens nicht.
Frage: Ihre derzeitige Freundin stammt deshalb aus der "realen
Welt"...
Hartnett: Ja, sie ist keine Schauspielerin. (überlegt)... Gott
sei Dank!
Frage: Was macht Sie glücklich und zufrieden?
Hartnett: Gespräche mit Leuten, die mich inspirieren, mit Menschen,
die sich über sich selbst im Klaren sind, sich für die Welt
interessieren und mir dadurch einen gewissen Kick verschaffen. Solche Leute
sind in einer so verkommenen Welt wie der unseren einfach unbezahlbar.
Frage: Verkommene Welt?
Hartnett: Eigentlich sollte ich aufhören, Zeitungen zu lesen.
Es wüten so viele hässliche Kriege auf der Welt, und so viel Leid
muss ertragen werden. Ein Film, der diese Konflikte wirklich gekonnt umgesetzt
hat, ist "No Man's Land". Er öffnet dem Zuschauer die Augen. Es toben
derzeit viele Bürgerkriege auf der Welt, und einige dauern schon mehr
als zehn Jahre an. Vor diesen Problemen sollten wir uns nicht
verschließen.
Frage: Was haben Sie als nächstes vor?
Hartnett: Ich habe mir nach "Black Hawk Down" ein ganzes Jahr Auszeit
genommen, und werde erst ab August wieder vor der Kamera stehen, für
einen Actionfilm mit Harrison Ford. Er handelt von zwei Detektiven in Los
Angeles, die zu zweit an einem Fall arbeiten, obwohl jeder der beiden eine
ganz eigene Vorgehensweise hat. Ich denke, dieses Projekt wird sehr
interessant.
Frage: Dient Ihnen Harrison Fords Karriere irgendwie als
Vorbild?
Hartnett: Ja und nein. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen und sich
seine eigenen Herausforderungen und Chancen suchen. Man kann nichts erzwingen.
Ich versuche einfach, mich immer wieder selbst mit meinen Rollen zu fordern.
Eine Schauspielkarriere ist ein Mix aus Können und Glück. Wenn
sämtliche Faktoren gut zusammenspielen, klappt alles einwandfrei. Momentan
kann ich mich nicht beklagen. Hoffen wir, dass es so bleibt.
Interview: Rico Pfirstinger (Mai 2002 in Hamburg)
Mitarbeit: Johannes Bonke
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