Panorama - Ein kurzer Ausblick
von Thomas Reuthebuch
Traditionell ist das Panorama ein Wegweiser für die kommende
Arthouse-Saison in Europa. Aus über 1600 Filmen hat auch in diesem Jahr
das Team um Wieland Speck einen Querschnitt aus 32 Ländern ausgewählt.
Das Panorama umfaßt das Hauptprogramm (21 Filme), die Reihen Panorama
Spezial (22 Titel) und Panorama Dokumente (elf Titel). 21 Kurzfilme werden
als Vorfilme präsentiert.
Als Trend kann man die steigende Anzahl digital produzierter Filme
erkennen, die etwa 15% des Angebots ausmachen.
Dazu zählt die bitterböse Reality-TV Satire "Series 7"
von Daniel Minahan, den Senator in Deutschland vertreiben wird.
"The Contenders" ist das amerikanische Reality-TV-Programm mit den
höchsten Einschaltquoten. Nach dem Zufallsprinzip werden Kandidaten
ausgewählt, die sich gegenseitig umbringen müssen, bis ein einziger
als Champion übrigbleibt. Brooke Smith spielt Dawn, den im achten Monat
schwangeren und ungeschlagenen Champion. Alleinstehend, von ihrer Familie
entfremdet, kehrt sie nach 15 Jahren in ihre Heimatstadt zurück und
"The Contenders" begleitet sie bei ihrer letzten Mission gegen 5 neue
Herausforderer.
Drehbuchautor und Regisseur David Minahan ist ein Fernsehmann.
Er hat u.a. für die BBC, Channel 4, PBS und Fox gearbeitet und Series
7 ist sein Kinodebüt. Minahan hat darauf hingewiesen, ausschließlich
mit Fernsehprofis gearbeitet zu haben, um einen authentischen Look zu erhalten.
Leider ist auch die Oberflächlichkeit, an der der Film nie kratzen
will, fernsehtypisch. Wird zu Anfang noch Interesse an den Figuren suggeriert,
reduziert sich das Geschehen auf der Leinwand mit zunehmender Dauer in eine
substanzlose Abrechnung mit den überall auf der Welt inflationär
hervorspriesenden neuen "Formaten". Zu offensichtlich will "Series 7" Kult
sein und ein johlendes Mitternachtspublikum bedienen, daß sich jedoch,
glaube ich, lieber zum zehnten Mal "Mann beißt Hund" reinziehen wird.
Zurecht.
Series 7
14.2. 21:30 Zoo-Palast
15.2. 14:00 Cinemaxx 7
16.2. 22:30 CineStar 7
Ebenfalls digital produziert, befindet sich ivansxtc. von Bernard
Rose Lichtjahre von "Series 7" entfernt. Ein Geheimtip, der das Medium
nutzt, um erbarmungslos in die Intimsphäre seiner Protagonisten einzudringen
und dabei etwas findet, was zu selten Bestandteil der Kinoerfahrung ist.
Ungeschminkte Wahrheit.
Los Angeles. Ivan Beckman, einer der erfolgreichsten Agenten Hollywoods,
ist tot. Die Agentur versucht die häßlichen Hintergründe
zu vertuschen.
Als Ivans Sarg in die Mausoleumswände gleitet, dreht der Film
die Zeit zurück. Wir lernen den charismatischen, attraktiven Ivan kennen,
erleben seine manipulative Arbeitsweise, wenn er Superstar Don West zur
Vertragsunterschrift bringt. Dann schlägt das Schicksal zu. Ivan leidet
an einem Lungentumor. Er flüchtet in Drogenexzesse, Orgien, volles Programm.
Am Ende begegnet er sich selbst, angewidert von Bigotterie und
rücksichtlosem Materialismus.
Angelehnt an Tolstois Novelle "Der Tod des Iwan Illjitsch" ist ivansxtc.
ein hartes Stück Kino, das sich schwer vermarkten lassen wird. In seiner
Sperrigkeit erinnert der Film an Abel Ferraras "New Rose Hotel" und ich
befürchte, die Berlinale könnte die einzige Möglichkeit sein
dieses existenzialistische Werk zu sehen. Es lohnt sich.
ivansxtc. (To Live and Die in Hollywood)
13.2. 22:30 Cinemaxx 7
14.2. 17:30 CineStar 3
15.2. 20.15 CineStar 3
Zu guter Letzt mein persönlicher Favorit. "The Fluffer" von
Richard Glatzer ("Grief") und Wash West.
Die Geschichte dreht sich um Sean McGinnis, der wie abertausende von
Filmbegeisterten nach Los Angeles kommt, um in der Filmindustrie Fuß
zu fassen. Als er in seiner Stammvideothek "Citizen Kane" ausleiht, findet
er zu seiner Überraschung den Schwulenporno "Citizen Cum" in seinem
Videorekorder wieder. Der heißblütige Hauptdarsteller "Johnny
Rebel" hat es Sean angetan. Sean steigt als Kameramann im Pornobusiness ein
und hat kurz darauf Johnny vor der Linse. Es folgt, überaus einfühlsam
inszeniert, das Eindringen Seans in eine Welt, in der nichts ist, wie
es scheint. Am Ende ist Sean um eine Enttäuschung und wir um einen
wunderschönen Film reicher.
Das Drehbuch schrieb der Engländer Wash West (Jahrgang 66), der
1995 mit "Squishy" einen kleinen underground Film drehte und schon damals
die Idee zu "Fluffer" hatte. Wash West ging nach L.A., um in der Pornoindustrie
zu "recherchieren". Daraus wurde eine beachtliche Karriere als
Pornoregisseur. Man kann vermuten, ob nun Richard Glatzer
"zufälligerweise" einen von West´s Pornos sah, jedenfalls fanden
die beiden zueinander und Glatzers Name war sicher nicht schädlich das
notwendige Geld aufzutreiben.
The Fluffer
11.2. 22:30 Cinemaxx 7
12.2. 17:30 CineStar 3
13.2. 20:15 CineStar 3 |