Stewart O'Nan: Speed Queen

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Stewart O'Nan: Speed Queen
Kritik von Ekkehard Knörer

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Letzte Nachrichten von Margie Sandiford. Sie sitzt in der Todeszelle, es wird ihre Todesnacht sein und sie erzählt dem Diktiergerät von den Ereignissen, die sie an diesen Ort gebracht haben. Die Kassetten gehen, so die Fiktion des Romans, an keinen anderen als den großen Beschwörer der Gewalt, die in den amerikanischen Alltag einbricht: an Stephen King. Anders als bei King, dessen Gewalt als von außen kommende nur allegorisch als aus dem Alltag selbst hervorbrechende lesbar zu machen wäre, ist der vielfache Mord, an dem Margie beteiligt war, in Stewart O'Nans Speed Queen nichts anderes als eine mögliche letzte Option einer hedonistischen, bei der Suche nach Glück und Geld illegale Mittel nicht scheuenden white trash Dreier-Bande. Der Roman gibt der Mordtat eine Geschichte, der Mittäterin eine Stimme, er ist ein Monolog in 114 Antworten auf nicht genannte Fragen des fiktiven Stephen King.

Wir erfahren also vom Schicksal der Margie Sandiford aus ihrem eigenen Mund, aus ihrer eigenen Perspektive und konsequenterweise lassen sich letzte Zweifel nicht ausräumen, ob das, was man liest, der Wahrheit letzter Schluss ist. Eine Gegenversion der Vorgänge etwa wird mehrmals erwähnt, ja, Margies Version ist die Reaktion auf den Bericht ihrer einstigen Freundin Natalie, der es gelungen ist, sich in ihrem eigenen Bericht reinzuwaschen. Indirekt jedoch bestätigt das wiederum Margies Schilderungen, die sich selbst als von ihrer besten Freundin Betrogene und Getäuschte beschreibt. Natalie nämlich, die sie im Frauenknast kennengelernt hat, betrügt nicht nur Margies Freund mit Margie selbst, sondern dann auch noch, wenn stimmt, was wir erfahren, Margie selbst mit ihrem Freund Lamont. Dies nicht für möglich zu halten, verdankt sich einem bei aller Abgebrühtheit von O'Nan geschickt durchgehaltenen Zug von Naivität, der Margie von einem (selbst verschuldeten) Unglück ins nächste schlittern lässt. Raffiniert führt der Roman so die Unterminierung der Monoperspektive mit, macht die Torheit seiner Protagonistin deutlich, indem er sie in den bis zuletzt recht selbstgewissen Selbstaussagen Margies gerade nicht herauskehrt, sondern als Aufforderung zur Distanznahme impliziert.

Dieses indirekt in den Text gespiegelte Psychogramm einer gewiss nicht strahlenden Heldin bekommt Hintergrundtiefe als Soziogramm einer schichtspezifischen Hoffnungslosigkeit. Zwar überlässt es O'Nan jedem Leser, eigene Schlüsse zu ziehen, die Phänomenologie eines white trash-Lebens zwischen grotesk subtiler Fast-Food-Differenzierungsfähigkeit und Automarken-Kennerschaft und der Flucht in die Drogen, der Unfähigkeit zu Pragmatismus im Alltag jedoch ist bis in kleinste Details genau. An der Stelle wird freilich auch das Problem des Romans am deutlichsten: Man sieht zu gut und zu deutlich, wie er gearbeitet ist, aus welchen Ingredienzien sich diese Selberlebensbeschreibung zusammensetzt. Der Autor ist, Satz für Satz, ein Könner. Mehr aber dann auch wieder nicht.

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