Winnetou und sein roter Bruder

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Ein Indianerdorf ist kein Campingplatz

Die Ausstellung "Winnetou und sein roter Bruder"
V
on Ulrike Mattern

[Image]

Bis zum 31. August galoppieren im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main „Winnetou und sein roter Bruder“ in einer Ausstellung über Indianerfilme in der BRD und DDR wieder­vereinigt in den Sonnenuntergang.

Mit der Leinwandpremiere von „Der Schatz im Silbersee“ zu Weihnachten 1962 startete in der Bundesrepublik der Kult um die edle „Rothaut“ Winnetou und seinen tapferen Blutsbruder Old Shatterhand. Der sozialistische Arbeiter- und Bauernstaat folgte vier Jahre später mit der Verfilmung von „Die Söhne der großen Bärin“.

In den 60er-Jahren verkörperte Pierre Brice in elf Spielfilmen den Häuptling der Apachen. Für das Fernsehen und für die Karl-May-Spiele in Elspe sowie Bad Segeberg zog der gebürtige Franzose bis in die 90er-Jahre immer wieder den perlenbestickten Lederwams an.

Der Schauspieler Gojko Mitic kämpfte in den ersten bundesdeutschen Produktionen in kleinen Rollen als Blutsbruder an Winnetous Seite, bis ihn die ostdeutsche DEFA für ihre „Abenteuerfilme im Milieu der Indianer“ abwarb. Fortan vertrat der muskulöse Serbe auf der anderen Seite der Mauer die Interessen der Ureinwohner Nordamerikas, die in den 13 bis 1985 in der DDR produzierten Filmen des Öfteren mit sächselnder Zunge sprachen.

Das deutsche Filmmuseum in Frankfurt geht der Frage nach, was den Karl-May-Film made in BRD mit dem Indianerfilm aus der DDR trennt bzw. verbindet. Das Interesse an der exotischen Welt weckte Scout William F. Cody alias Buffalo Bill Ende des 19. Jahrhunderts, als er mit seiner Western-Show durch Europa zog. Abenteuergeschichten erzählen Filme aus dem süddeutschen Raum in den 20er-Jahren.

In der kleinen, aber kompakten Ausstellung übernimmt die bundesdeutsche Interpretation vom Leben und Leiden der Ureinwohner Nordamerikas musikalisch und visuell die Hegemonie. Die Titelmelodie von „Der Schatz im Silbersee“ erklingt am Anfang. Als hätte die Platte einen Sprung, setzt die Schnulze von Komponist Martin Böttcher wieder und wieder von vorn ein. Ein Leitmotiv, das sich als Klangteppich über den Rundgang legt.

Seltene Einigkeit herrschte dies- und jenseits des „Eisernen Vorhangs“ bei der Wahl des Drehortes. Amerika entstand in Jugoslawien. Vor „westerntauglicher“ Kulisse - wie das Hollywood-Branchenblatt „Variety“ ironisch anmerkte - gingen Brüder und Schwester aus beiden deutschen Staaten in die ewigen Jagdgründe ein - in getrennten Filmteams, versteht sich.

Die Liste der Opfer ist lang. Nicht nur Pierre Brice alias Winnetou verstarb in den Armen seines Blutsbruders. Aparten Indianerinnen - wie Marie Versini als Winnetous Schwester - gönnte man kein langes Leben. Nscho-tschi verlor ihr Herz erst an Old Shatterhand (Lex Barker) und dann ihr Leben durch die Hand des Schurken Santer. Generationen von romantisch veranlagten Frauen konnten dem Schauspieler Mario Adorf diesen Meuchelmord nie verzeihen.

In der Wahl des Drehortes erschöpfen sich jedoch die deutsch-deutschen Verbindungen. Eine künstlerische Arbeitsgruppe mit dem Namen „Roter Kreis“ sorgte in den DEFA-Produktionen für Authentizität und die richtige, d.h. sozialistische, Gesinnung am Lagerfeuer. Grundlage waren nicht die fiktiven Storys von Karl May, der in der DDR verpönt war, sondern ethnologisch fundierte Publikationen wie von Liselotte Welskopf-Henrich. Die Althistorikerin rügte aber deren mangelhafte Umsetzung: „Völlig unmöglich ist der Badesteg, auf dem die Jungen sitzen. Ein Indianerdorf ist kein Campingplatz der DDR.“

Ob das Publikum den Unterschied wahrnahm, ist nicht überliefert. Der jeweils blinde Fleck in der Geschichte des Indianerfilms lässt sich im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main jetzt gesamtdeutsch rekonstruieren.

Bis 31. August, Di, Do, Fr, So 10-17 Uhr, Mi 10-20 Uhr, Sa 14-20 Uhr, Eintritt: 4 Euro

Begleitend zur Ausstellung läuft eine Filmreihe; Infos unter www.deutsches-filmmuseum.de

Parallel zur Winnetou-Ausstellung im Deutschen Filmmuseum laufen es zwei weitere, das Thema ergänzende Ausstellungen bis zum 31. August:

Indian Times. Nachrichten aus dem roten Amerika (Museum der Weltkulturen, Frankfurt)

Spurensuche: Mokassins und Stiefel zwischen Alaska und Rio Grande (Deutsches Ledermuseum, Offenbach)

Ein unerschöpflicher Fundus für Fans der Karl-May-Filme: „Das neue Lexikon rund um Karl May“ aus dem Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin

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