Kritik
(von Ekkehard Knörer)
Wo Woody Allen drauf steht, ist stets auch Woody Allen drin und der
eine oder andere Lacher gewiss. Nicht anders beim Fluch des
Jade-Skorpions, der einen an die frühen Kriminalklassiker mit ihren
ertüftelten Fällen erinnert - die Geschichte um mysteriöse
Juwelen-Diebstähle aber nur zum Vorwand nimmt, um von einer Schlacht
zwischen zwei Menschen zu erzählen, die sich hassen und, nicht zuletzt
mit Hilfe der Macht der Hypnose, zu lieben lernen. Situiert ist das
ganze im Jahr 1940, was aber, über gelegentliche Hitler-Scherze und
die Lust an historischer Innenarchitektur hinaus nichts weiter
zu bedeuten hat. Die Patina nimmt der Geschichte eher die Schärfe, die
sie als heutige hätte entwickeln könne. Das Vergnügen am Zweikampf
Hunt/Allen wird dadurch nicht gemindert, es hagelt Beschimpfungen und
Verwünschungen, deren Einfallsreichtum für manch müden und
allzu erwartbaren Allen-Scherz entschuldigt. Von tieferer Bedeutung ist im
Fluch des Jade-Skorpions freilich nichts. Ein Routine-Stück von der
Sorte Manhattan Murder Mystery, das nicht mehr erreicht und nicht
mehr will: als Spaß zu machen.
Interview
Komödien trotz Krieg
Woody Allen über seinen neuen Film "Im Bann des Jade Skorpions"
- und ob man nach dem 11.September noch New-York-Komödien drehen
kann.
Frage: Mr. Allen, wie fühlen Sie sich als Ur-New-Yorker nach
den Anschlägen in Ihrer Heimatstadt?
Woody Allen: Nun, mit diesem Ereignis muss man leben. Es erfordert
Einsicht, Disziplin, Mitgefühl - und das ist eben nicht nur eine Sache
der Amerikaner. Es ist New York, es ist Amerika, es ist der Rest der Welt.
Niemand sieht einen Sinn darin, 5000 Menschen in die Luft zu jagen, und es
kann überall passieren, hier, morgen, oder sonst wo auf der Welt.
Frage: Kann man nach so einem Ereignis in New York denn noch
Komödien drehen?
Allen: Ja. Es wird nicht wirklich einen Wandel geben. Die Leute werden
dieselbe Musik, dieselben Stücke schreiben. Sie werden sich verlieben
und entlieben. Es werden dieselben Probleme sein, und man wird damit umgehen.
Alle hatten ihre Kriege. Und wir sind zu groß, es ist ein riesiges
Land, Hunderte Millionen Menschen, da steckt Stärke dahinter. Trotz
dieses sehr schmerzhaften Einschnitts.
Frage: Warum gehen Sie in Ihrem jüngsten Film zurück in
das New York der 40er-Jahre zurück?
Allen: Die 20er-, die 30er- und die 40er-Jahre waren die drei besten
Dekaden dieser Stadt. Es gab die beste Musik, die besten Broadway-Shows,
die beste Literatur, das beste Cabaret und Nachtleben - einfach alles war
gut, einzigartig, wundervoll. In den 20ern hatten wir Gangster und Eugene
O'Neill und wunderbare Dichter. In den 30ern war es das Theater, das groß
raus kam. Und wir hatten Gershwin. Und in den 40ern waren es die Soldaten
und die Seeleute, die ihre Freundinnen vor dem Good-bye küssten. Das
war romantisch. Nach dem Krieg ging es bergab. Wir bekamen Drogenprobleme
und ein Fernsehproblem: Das Fernsehen killte das Cabaret-Business und das
Nachtleben. Und die Musik wechselte radikal zum Rock. Wissen Sie, in den
drei Jahrzehnten davor, da gingen die Leute erst tanzen und dann nach Hause
zum Sex. Später hatten sie dann Sex, während sie tanzten. Es war
eben nicht mehr so romantisch.
Frage: Und heute?
Allen: Wenn ich einen zeitgenössischen Film drehe, ach, dann
sind da Handys und Fernsehgeräte und McDonalds. Aber damals, da sahen
Gangster wenigstens noch wie Gangster aus. Es ist einfach eine andere Art
der Visualität. Natürlich mögen das die Produzenten nicht,
da es mehr Geld kostet und weniger Zuschauer erreicht.
Frage: Wenn Sie den Film vor 60 Jahren hätten drehen können,
wie hätten Sie ihn besetzt?
Allen: Den Part von Helen Hunt hätte Katherine Hepburn machen
können. Auch die männlichen Darsteller waren damals wunderbar:
Robert Montgomery, William Powell. Da fällt mir noch "Double Indemnity"
("Frau ohne Gewissen", 1944) von Billy Wilder mit Barbara Stanwyck ein -
für mich nicht nur sein bester, sondern überhaupt einer der besten
amerikanischen Filme, die ich gesehen habe. Es ist ein wahres
Meisterwerk.
Frage: Mit Steven Spielbergs Dreamworks-Studio haben Sie einen neuen
US-Verleih gefunden. Haben sich Ihre Arbeitsbedingungen durch den Deal
verändert?
Allen: Oh nein, die wissen nichts über den Film, außer,
dass es eine Komödie ist. Sie verleihen ihn einfach nur. Sie sehen das
Skript nicht - ich gebe ihnen einfach bloß den Film, sie gucken ihn
sich an und sagen: Oh, Gott sei dank, wir mögen ihn. Eigentlich sind
sie sehr nett zu mir, also bin ich mit ihnen zufrieden. Auch wenn ich nie
weiß, was sie wirklich denken.
Frage: Mit Ihrer ehemaligen Produzentin und langjährigen Vertrauten
Jean Doumainian gab es Probleme bei den Abrechnungen...
Allen: Das ist eine Business-Sache, da steht Aussage gegen Aussage,
und letztlich haben Buchhalter und Steuerberater das Wort. Da gibt es eben
eine offene Meinungsverschiedenheit zwischen zwei alten Freunden. Ich hoffe,
das Problem ohne einen Prozess lösen zu können. Wenn es dennoch
dazu kommt, dann sollte der Streit nicht in persönliche Verbitterung
ausarten. Das Ganze ist eine Geschäftsangelegenheit, eine Frage von
bloßen Zahlen auf dem Papier. Entweder hat ihr Anwalt Recht, dann schulden
sie mir nicht so viel Geld wie ich glaube, oder aber mein Anwalt hat
Recht.
Frage: Werden Sie weiterhin jedes Jahr einen Film drehen, oder haben
die Ereignisse in New York etwas verändert?
Allen: Ich habe den nächsten Film bereits beendet, er heißt
"Hollywood Ending", und im Frühling werde ich wieder einen drehen. Wissen
Sie, wenn bei uns Krieg wäre und Armeen in den Straßen von New
York kämpften, dann würde ich nicht filmen. Aber nächstes
Frühjahr, das wird eine romantische Komödie. Da ist Frühling
im Film, und ich bin sicher, Sie werden keinen Unterschied zu früher
merken.
Thilo Wydra / Rico Pfirstinger
copyright Rico Pfirstinger 2001
zur Jump Cut Startseite
|