Abrechnung in Tokio (viel schöner, wörtlicher und
treffender ist die englische Übersetzung 'Tokyo Drifter')
gehört ins kleine Gangsterfilm-Subgenre, in dem ein Gangster seinem
Fach den Rücken kehren will, daran aber von Kräften, die stärker
sind als er, gehindert wird. Tetsu, dem ein großer Ruf als Killer noch
in den Versuch des Ruhestands hinterhereilt, bleibt seinem Boss Kurata treu
im Übergang vom mafiösen ins legale Geschäftsleben; der Feind
jedoch, die Ozka-Bande, wittert die Chance, den Gegner von einst nun
endgültig zu erledigen. Tetsu sieht sich genötigt, wieder zur Waffe
zu greifen, flieht nach einem Mord aus Tokio und zieht von Stadt zu Stadt,
immer wieder eingeholt von seiner Vergangenheit. In der Peripherie, die doch
kein Außen darstellt, trifft er auf einen einstigen Feind, der nun,
als einsamer Wolf, zwischen allen Fronten steht und Tetsu zur Seite
springt.
Es ist keine sehr ungewöhnliche Geschichte und nicht ihre
Implikationen sind es, die Seijun Suzuki herausstellt. Das Genre wie der
Plot sind kaum mehr als Hintergrund in Tokyo Drifter, verschwinden hinter
der furios stilisierten Oberfläche der Bilder. Das Topische treibt
Blüten, hinter deren Buntheit die Geschichte zum Vorwand zusammenschrumpft.
Der Film ist beinahe reine Manier, verliebt in die Ausmalung, nicht in den
Zusammenhang, den sie zum Stoff vielleicht hat. Das Yakuza-Genre löst
sich vor den Augen des Betrachters auf in Pop-Art-Variationen. Die Figuren
verschwinden im Bild, die Frontverläufe im Farbzusammenspiel von Vorder-
und Hintergründen. Gegen alle narrative Logik wechseln die
Kleidungsstücke und die Jahreszeiten von Bild zu Bild, mit einem Seufzer
der Lust gibt das Genre seinen strengen Geist auf, begibt sich ganz in die
Hände des formalistischen Spiels. Die knallbunten Bilder haben mehr
als nur flutenden Reiz, in der Hingabe an die vermeintliche Oberfläche
der Farbe steckt der Wille zur Abstraktion des sinnlich Konkreten, das aus
den Zwängen des Fortlaufs, der Entwicklung eines glaubhaften psychologischen
Reliefs gelöst wird. Der Sinn macht sich davon und wir finden ihn wieder,
als anderen, in der Mise-en-Scène des Einzelbildes. Tetsu löst
sich aus den Banden der Bande und ist am Ende allein. Im weißen Anzug
im Schnee und geht davon, Western-Zitat.
Dazu spielt Musik, immer wieder. Tetsu singt das Lied des Tokyo Drifter,
in Momenten, in denen alle Action vergessen ist. Der Film hat das Unwirkliche,
das aus dem Zitieren kommt, nicht aus der Parodie, man denkt an Truffauts
Pianisten. Suzuki erzählt entschieden nicht im Modus des Thrillers,
der vom Schein-Kontinuum der Erzählmomente lebt und diese so rhythmisiert,
dass sich der Schrecken des antizipierten Ereignisses als gespannte Hoffnung
äußert, es möge nicht eintreten und als uneingestandenes
Begehren der Katastrophe. Tokyo Drifter diskontinuiert das Erzählen
und so bleibt von der Mechanik des Thrillers nur das Zitat seiner Bestandteile.
So funktioniert der Film, nicht zuletzt, als Ausstellen eines Funktionierens;
auf dieses Funktionieren selbst verzichtet er.
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