Immer wieder scheint es, als folge die Kamera nur den Figuren. Als
sei all das, was den Spielfilm ausmacht, nur sekundär: das Spiel, die
Szene, die Inszenierung. Höchst kunstvoll erzeugt Satyajit Ray diesen
Eindruck. Die Kraft des Films, seine Intelligenz liegt nicht, oder eher:
weniger in den Bildern, sondern zwischen ihnen. Seine Kunst ist, wider den
erzeugten Anschein des Realismus eine der Montage. Oder anders: der Realismus
erweist sich hier gerade als Effekt der Montage. Mächtiger als das,
was man sieht, ist das, was ausgelassen bleibt. Kurz und sanft blendet Ray
vom einen Bild auf das andere, dazwischen liegen manchmal Welten. Was Form
gewinnt, ist Apus Geschichte, erzählt aber wird sie gerade nicht
geschichtenförmig.
Mit Bildern aus Benares beginnt der Filme, sie reihen sich, ohne dazu
von der Knute der Narration getrieben zu werden. Apur in den Gassen der Stadt,
auf dem Weg zum Fluss. Dort betet und predigt sein Vater, der Priester ist.
Dort unternimmt einer Kraft- und Geschicklichkeitsübungen. Die Kamera
flaniert: Leute, die im heiligen Fluss baden. Apu mit Freunden, mit seiner
Mutter. Der Vater erkrankt und so zwanglos wie undramatisch komponiert Ray
seinen Zusammenbruch am Eingang des Gassenviertels zur Vignette aus Sonnenlicht
und schwarzem Torbogenrahmen. Auch ein durchaus symbolisches Bild steht zugleich
wie für sich selbst: auf den Tod des Vaters folgen auffliegende
Vögel.
Auch die Beziehung zwischen Mutter und Sohn zeigt Ray zuallererst
in der Montage: wenn Apu auf den Zug wartet, der ihn von der Mutter entfernen
wird, wenn die Mutter, regungslos, an der Mauer lehnt: Rücken an
Rücken schneidet die Ray die Bilder und in diesem Äquivalent eines
einfachen Aussagesatzes liegt, im Gesicht der Mutter, in den Bewegungen des
Sohnes, in der Verschmelzung von formalem und inhaltlichem Fort-Da, viel
mehr als nur die Aussage. Diese Bilder verlangen nach der Rückkehr,
gezeigt wird nicht der Weg, sondern die plötzliche Wiederkehr, nach
einem Schnitt sind Mutter und Sohn wieder gemeinsam im Bild.
Die Einfachheit also dieser Bilder täuscht. Und was erzählt
wird, ist gewiss universal nachvollziehbar und verliert sich doch nie im
Klischee oder gar im Kitsch. Der Konflikt zwischen Liebesbedürfnis der
Mutter und Verselbständigungswunsch des Sohnes bedarf keiner
Erläuterung und Ray geht es um die Darstellung in der Konkretion: wie
Apu müde aus Calcutta zurückkehrt, sich zum Schlaf abwendet, als
die Mutter von ihrer Krankheit berichten will. Das Drama ist so beiläufig
wie unabweisbar, wunderbar hält Ray dennoch die Balance zwischen Melancholie
und Aufbruch, leise lässt er die zwei Leben auseinandergleiten: das
eine in den Tod, das andere in die Zukunft.
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