Der Film öffnet mit einem Blick auf den Psychologen Richard Wanley
(Edward G. Robinson), der gerade eine Vorlesung über Freud und Verbrechen
hält. Es folgen, in höchster inszenatorischer Ökonomie: Abschied
von der Familie, Clubabend mit Freunden, bei dem drei ältere Herren
über die Verführungskraft des Weiblichen scherzen. Der Rest des
Films ist die für Professor Wanley überaus schmerzliche
Durchführung des Arguments (dessen entschärfende Pointe wenigstens
literale Beziehungen zu Freuds Traumdeutung unterhält - mehr sollte
man nicht darüber verraten). Das Verhängnis beginnt wie erträumte
Wunscherfüllung: die Schönheit auf einem Gemälde (Joan Bennett)
hinter Schaufensterglas steht unversehens neben Wanley, lädt ihn, mit
eindeutigen Absichten, zu sich ein. Ein zweiter Liebhaber platzt ins Rendezvous,
seiner eifersüchtigen Mordlust ist nur durch raschen Einsatz der Schere
notwehrend abzuhelfen.
Das Verhängnis setzt sich fort mit der Entscheidung, nicht die
Polizei zu rufen. Geradezu lustvoll beobachten wir (und immer wieder mit
Nachdruck die Kamera), wie der Versuch der Beseitigung von Spuren gerade
zu ihrer Produktion führt: es endet mit einem Zoom auf die hinterlassenen
Reifenspuren. Die Ermittlungskonstellation dieses in mal mehr, mal weniger
knapper Entfernung zum Film Noir befindlichen Kriminalfilms ist reizvoll:
die Struktur ist inverted", d. h. man wird Zeuge zuerst des Verbrechens,
dann der Aufklärungsbemühungen. Wie es der Zufall will, ist der
Chefermittler zugleich der beste Freund des Täters: Buch und Regie
jonglieren im Ton zwischen ernster Bedrohung Wanleys und scherzhaftem Umgang
mit seiner möglichen/unmöglichen Täterschaft. Immer wieder
nähert sich der Film der Farce, etwa im in einer eleganten
Überblendung eingespielten Wochenschau-Bericht eines Pfadfinders, der
die Leiche gefunden hat oder im narrativ eher dysfunktional breiten Raum,
den man einem Radio-Werbespot einräumt. Unvermittelt aber kehrt die
Geschichte beizeiten zu blutigem Ernst zurück, spätestens wenn
der scharfsinnige Gangster Heidt (Dan Duryea) mit erpresserischen Absichten
die Fast-Geliebte, Femme Fatale und Mordkomplizin Alice Reed heimzusuchen
beginnt, befindet sich Gefährliche Begegnung wieder auf der
Krimispur.
Dennoch: bei aller Spannung und bei aller Raffinesse, mit der hier
ein amerikanischer Professor Unrat auf Abwege geführt wird, die (soll
man sagen: beinahe) seinen Untergang herbeiführen - das letzte Quentchen
Ernst und Konsequenz fehlt dem Film. Er hat Lust daran, dem Publikum die
(in anderen Fritz-Lang-Filmen gerne gnadenlos zum Einsatz gebrachten)
Folterwerkzeuge zu zeigen: einen sympathischen Helden auf dem Weg in sein
Unglück, seine verhängnisvollen Fehler, ausweglose Verstrickung
- um dann immer wieder unmotivierte Auflösungen in Wohlgefallen des
Wegs kommen zu lassen. Das macht Gefährliche Begegnung zu einer
interessanten Variation im Langschen Oeuvre, die mit dem Drehbuchautor und
Produzenten Nunnally Johnson gewiss viel zu tun hat, eines seiner großen
Meisterwerke ist der Film aber nicht.
Ebenfalls besprochen:
Fritz Lang: Gehetzt (You Only Live
Once)
Filmbuch: Thomas Elsaesser über
Fritz Langs Metropolis |