Backlist: Fritz Lang: Gehetzt (1937)

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Fritz Lang: Gehetzt (1937)
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Fritz Lang: Gehetzt (You Only Live Once)

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In  Gehetzt treffen bedingungsloses Vertrauen und böswilligstes Schicksal so rettungslos und fatal aufeinander, als wäre es ein Stück von Kleist. Die Tragik des Films, die nur selten jenen Schein von Notwendigkeit besitzt, der sie erst zu Tragik im anspruchsvollen Sinne machen würde, besteht im Prinzip des unglücklichsten Aufeinandertreffens (und Sich-Verfehlens) von Zeit, Personen, Umständen. In ihrer Überdeutlichkeit grotesk wird diese Struktur im Moment, in dem die Unschuld ans Licht gekommen ist, der aber für Eddie Taylor, aus gutem Grund, ein Moment abgrundtiefer Skepsis (als philosophisch starker Begriff à la Stanley Cavell) und - entsprechend inszenierter - Finsternis und Verzweiflung ist, ein Moment, in dem Kommunikation sich nicht mehr auf die notwendige Voraussetzung gegenseitigen Vertrauens stützen kann. Es ist nur zu konsequent, dass der Film hier das stärkste moralische Argument, den Priester, der Taylor bis dahin nur Gutes getan hat, anbringt, um das Scheitern vollständig werden zu lassen. An diesem Punkt ist das Geschehen unter Aufbietung einer unwahrscheinlichen Häufung von unglücklichsten Konjunktionen auf wirkliche Tragik hin zugespitzt, Eddie Taylor wird (naja, bei gutem Willen) schuldlos schuldig, nachdem er zuvor als Unschuldiger hingerichtet werden sollte. Fritz Lang ist sich der finsteren Ironie des Ganzen bewusst und inszeniert sie atemberaubend trocken: die Gefängnistore öffnen sich, als wären sie die Pforten zum Paradies. Eddie Taylor tritt ins Licht, das nur für die finstere Hoffnungslosigkeit seiner Zukunft stehen kann. Als einen, der auf Erden nicht glücklich werden konnte, verweist ihn das Ende des Films - was man  (gegen Langs eigene Lesart) kaum anders als wiederum ironisch nehmen kann - in der Wiederholung dieser Szene aufs Jenseits: der irdischen Gerechtigkeit, des Verhängniszusammenhangs, aus dem ihn der Film nur durch sein eigenes Enden entlassen kann.

Auf der anderen Seite steht Joannes Käthchen-von-Heilbronn-hafte Liebe zu Eddie. Ihre hochgespannten Erwartungen an ihn sind es genauso wie die typisch Fritz Langsche Infamie des gewöhnlichen Bürgers, Arbeitgebers und Mitmenschen, die ihn scheitern lassen. Im geradezu gnostischen Widerstreit des guten und des bösen Prinzips, dessen Verkörperungen im Kampf um die Seele des Helden die Waagschale auf ihrer Seite zu senken versuchen, drängen sich die Ereignisse zu etwas, das man Schicksal nennen könnte. Noirhaft düster ist der Film darin, dass am fatalsten oftmals die guten Absichten sind, die Schlimmes zur Folge haben, etwa Joannes Glaube an das Rechtssystem, das der Film aber gar nicht erst in Aktion zeigt, sondern nur in seinen Effekten. Der Urteilsspruch wird indirekt und zynisch als Botenbericht in einer Zeitungsredaktion vorgeführt: drei mögliche Titelbilder an der Wand für die möglichen "Urteile" (eines davon, Flucht nach Massaker im Gerichtssaal, beweist bösen Humor), welches davon wirklich gefällt wird, erscheint als reine Lotterie. Prompt kommt es zum schlimmstmöglichen Fehlurteil - und von da an bleibt dem Film wie seinen Helden nur noch die Flucht. Und zwar ins Gesetzlose, in einen utopischen Raum der Zweisamkeit, in ein außergesellschaftliches Schicksal, das das der heiligen Familie nebenbei anspielt. Aber natürlich gibt es kein Entkommen, keinen Western-Horizont der Freiheit, in dem der Arm des Gesetzes in als widerwärtig gezeichneter Gestalt des Denunzianten (auch der Lynchmob hatte zuvor einen kurzen Auftritt) nicht zuletzt siegen würde.

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