Guru Dutt: Papierblumen  (Kagaaz ke Phool, Indien 1959)

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Guru Dutt: Papierblumen  (Kagaaz ke Phool, Indien 1959)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image]

zum Indien-Schwerpunkt

Ein alter Mann betritt durchs offen stehende Tor das Gelände eines Filmstudios, die Kamera zeigt ihn zunächst von hinten. Dann, nach ein paar Schritten und einer weiteren Einstellung von der Seite (siehe Foto), blickt sie von oben auf den Mann, der jetzt klein scheint im Verhältnis zur bombastischen Vogel-Statue, die sich zwischen ihn und die Kamera gedrängt hat. Hier friert das Bild ein, die Einstellung verfestigt sich, während die Credits durchlaufen, zur allegorischen Bedeutung, im Gegenüber von riesigem Dekor und winziger Person zur Vorwegnahme der Geschichte, die vom Niedergang des gefeierten Bollywood-Regisseurs Suresh Sinha erzählt.

Es scheinen, zu Beginn der Binnengeschichte, die von Sinhas letztem Besuch im Studio gerahmt wird, die zentralen Schauplätze voneinander getrennt. Als Regisseur ist Sinha auf dem Zenit seines Erfolgs, dadurch auch seiner Macht im Bollywoodsystem, auf dem Set zur Devdas-Verfilmung, die er vorbereitet, hat er uneingeschränkt das Sagen. Als Privatmann aber hat Sinha eine schwere Niederlage erlitten, seine Frau hat ihn verlassen, nicht zuletzt weil sie aus einem guten Haus stammt, in dem man das Kino für eine schmutzige Sache hält. In diesem Schwiegerelternhaus, das ein Palast ist und in dem man ein mit vielen englischen Brocken durchmischtes Hindi spricht, begegnen ihm die vor allem mit der Zeitungslektüre befassten Schwiegereltern mit hochnäsiger Verachtung, seine Frau verweigert ihm das Gespräch. Vor allem geht es Sinha um seine Tochter Pammi, die den Vater auf Befehl der Mutter nicht einmal sehen darf. Dieser Privatraum ist der Gegenort zum Studio. Unbeschränkte Macht hier, Demütigung da. Das Unheil wird sich Zugang verschaffen in die berufliche Sphäre durch die Infektion: das Private nähert sich dem Beruf, dringt in ihn ein, das wird Sinha zum Verhängnis.

Dieses Verhängnis scheint, wie es der Verhängnisse Art oft ist, zunächst das reine Glück. Im Regen begegnet der Regisseur einer schönen Unbekannten, leiht ihr seinen Mantel, der zum Pfand wird ihrer Wiederbegegnung. Diesmal aber nicht im Freien, nicht im Schutz der Natur, sondern im Studio: Shanti erscheint auf dem Set und durch doppelten Zufall gerät sie erst in den Blick der Kamera, dann den des Regisseurs. Der will sie sofort besetzen, in der weiblichen Devdas-Hauptrolle der Paro (so wird es geschehen), rasch erobert sie einen Platz auch in seinem Herzen. Diese Liebe aber darf nicht sein. In der Darstellung ihrer Unmöglichkeit ist Dutt freilich um einiges überzeugender als in der psychologischen Begründung (auf die es aber nicht so sehr ankommt).

Im menschenleeren Studio (Wiederholung und Antizipation der todtraurigen, endgültigen Leere des Anfangs und des Endes), das in der ganzen fabelhaften Cinemascope-Breite des Films, immer wieder zu symbolischen Arrangements einlädt, stehen sie sich gegenüber, Shanti und Suresh. Durch die Decke fällt (nicht zum ersten, nicht zum letzten Mal) ein heller Strahl, der als reines Licht nicht von dieser Welt zu sein scheint, zugleich aber in die metaphorische Nähe zu den nahebei schwebenden Scheinwerfern gerät. In einer Doppelbelichtung löst sich der Liebeswunsch (sozusagen) aus den verharrenden Körpern, die Geister dieses Wunsches gehen aufeinander zu, vereinigen sich im überirdischen Lichtstrahl. Regungslos verharren die wirklichen Körper. Gelegentlich setzt der Film auf bloßes Sentiment, hier ist er groß.

Pammi, die Tochter, trotzt Shanti, die durch den Film zum Star geworden ist, den Verzicht auf Suresh ab und auf die Zukunft als Schauspielerin, sie will die Eltern wieder zusammenbringen, da ist Shanti nur im Weg. Diese Illusion aber scheitert auf ganzer Linie, ja, Pammi zerstört damit das Leben ihres Vaters. Vor Gericht wird die Tochter unwiderruflich der Mutter zugesprochen, Sinha verfällt dem Alkohol, mit seiner Karriere als Regisseur geht es rasch bergab. Nach einer Serie von Misserfolgen feuert ihn das Studio, er verliert sein Zuhause und stürzt ins Bodenlose. Die nächste Überblendung entwirft keine Liebesverhältnisse mehr, nur noch einen Tanz der rasch geleerten Whiskey-Gläser.

Shanti erfährt - durch Rocky, der als Sinhas leichtsinniger Schwager von Anfang an auf seiner Seite ist und bald schon, zur Schande der Familie, beim Film zu tun hat - vom Elend des Mannes, den sie liebt, noch auf dem Dorf, in dem sie jetzt als Grundschullehrerin tätig ist. Sie bringt, in einer Musik-Einlage, die einem mit ihrer Mischung aus eingängiger Melodie, Sentimentalität, Witz und Tränen das Herz schier zerreißen will, den Kindern die Zahlen bei und erzählt eine Geschichte, in der getrennt wird, was eigentlich zusammengehört, die Null und die Eins, Shanti und Suresh. Sie kehrt zurück nach Bombay, sie wird Suresh wieder begegnen, retten kann sie ihn nicht. Er schmuggelt sich als Statist ein letztes Mal zurück auf den Filmset, aber als Shanti ihn erkennt, flieht er die, ganze Breite des Cinemascope-Bildes scheint zwischen den beiden zu liegen: Sie kann ihn nicht mehr erreichen.

"Kaagaz ke Phool" ist ein tief trauriger Film. Darin liegt sein Problem mit der Bollywood-Form. Die komischen Einlagen wollen einem hier so wenig recht am Platz vorkommen wie manche der Musiknummern. Und umgekehrt schlagen sie störend zurück auf den Ernst des Ganzen, das nach Realismus strebt und über die großen Gefühle, die dadurch zu falschen zu werden drohen, immer wieder stolpert. Bollywood-Pathos, das auf halber Strecke stehen bleibt, verkommt jedoch, das wird hier deutlich, zur diffusen Sentimentalität. So ist das ein in vieler Hinsicht unebenes Werk. Von grandiosen Schwarz-Weiß-Bildern springt Dutt in halbherzig inszenierte Albernheiten, die Reinheit der Trauer, die sich in der ersten Rahmensequenz ausdrückt - immer unterstützt von der Musik: es ist vielleicht der schönste Bollywood-Score, den ich kenne -, kippt gelegentlich ins allzu flugs behauptete Elend. Daran ändert die autobiografische Grundierung des Ganzen nichts: Guru Dutt, dessen letzter, kommerziell katastrophal erfolgloser Film das werden sollte, nimmt das eigene Schicksal als trauriger Prophet vorweg. Darin liegt eine bittere Ironie, auch Tragik, aber den Zug von Selbstmitleid, der sich hie und da in die Darstellung schleicht, verstärkt das eher noch.

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