Jump Cut Magazin

Schwerpunkt Asien: Das Kino Indiens

 

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Bollywood 101 - Eine Einführung in Geschichte und Ästhetik des Bollywood-Kinos

Von Ekkehard Knörer

Mit Informationen zu wichtigen Filmen, Links zu Websites und Literaturempfehlungen.



 

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Gary Sullivan's Jump Cut Blog.

I wanted to do something somewhat focused, concentrating on Indian films readily available on DVD. After back-and-forthing with Ekkehard for a bit, we hit on the idea of "Ghost World": An irregular English-language blog-column on Bollywood noir films, past and present.


 

Bollywood and Beyond - Erstes indisches Filmfestival Stuttgart-Ludwigsburg 2004

Von Ekkehard Knörer

Mit der Programmierung setzt das Festival Maßstäbe für die geplanten weiteren Ausgaben - beim Thema Kompetenz in Text und Auftreten bleibt noch Luft nach oben.


Kritiken:

Ashutosh Gowariker: Swades: We the People (Indien 2005)

Von Ekkehard Knörer

Im Plot wie in den Gesang- und Tanzsequenzen setzt "Swades" dabei durchweg auf ein souveränes Understatement, mit dessen Hilfe die melodramatischen Bollywood-Formeln ein gutes Stück in Richtung Realismus bewegt werden. "Swades" ist gewiss ein Feelgood-Movie, aber eines der zurückhaltenden Art.

Anurag Basu: Murder (Indien 2003) & Amit Saxena: Jism (2004)

Von Ekkehard Knörer

Sensationell für indische Verhältnisse ist aber in jedem Fall die Leidenschaft, mit der die Liebenden hier küssend übereinander herfallen. Wer das gesehen hat, dem kann für die Zukunft des indischen Erotikthrillers nicht bang sein. Mag sein, dass die Welt dergleichen fürs erste nicht unbedingt braucht. Für die rasant voran schreitende Diversifizierung Bollywoods sind die Genre-Werke "Murder" und "Jism" jedoch nicht zu unterschätzen.

Kurzkritik: Farah Khan: Main Hoon Na (Indien 2004)

Vor dem Verzehr dieser Süßspeise wird gewarnt. Das Durcheinander der Gefühle ist hier nicht mehr als ein Durcheinander, bei dem viel nicht viel hilft, sondern nur davon ablenken soll, dass hier an wenig, aber an Charme wie an Intelligenz gespart wird. Angesichts des Humors von "Main Hoon Na" hat Adam Sandler den Witz eines jüdischen Intellektuellen und dass Hollywood jetzt auch im geistlosen parodistischen Nachäffen seiner selbst nachgeäfft wird, das bringt Gewinn weder an Erkenntnis noch an sophistication. Der Plot bietet Politschmarrn mit Unischmarrn und Actionschmarrn mit Liebeschmarrn (den mit Geigenschmarrn), das alles unverdaulich zubereitet. Wir raten ab. (EK)

Mani Ratnam: Yuva (Indien 2004)

Rezension von Ekkehard Knörer

Stilistisch flüchtet sich Ratnam in Feuerwerksveranstaltungen, rafft und dehnt die Bewegung zum Videoclip, fällt vom Bollywood-Klischee ins MTV-Klischee. Wenig motiviert wirken auch die sich an Hongkong anlehnenden Actionsequenzen. "Yuva" ist ein Film, der von allem etwas zu bieten hat. Aber auch einer, der, zwar unterhaltsam, zwar virtuos inszeniert, sehr deutlich macht, dass das zu wenig ist, wenn nicht klar wird, wozu.

Vishal Baradwaj: Maqbool  (Indien 2004)

Rezension von Ekkehard Knörer

Das Gelingen der Transposition erweist sich nicht zuletzt in der Mühelosigkeit, mit der "Maqbool" überzeugte, auch ohne Shakespeare. Das andere große Vorbild, mit Vätern, Söhnen, Verrat, Nachfolge und Ehrenfragen, ist natürlich "Der Pate" und, sehen Sie selbst, Pankaj Kapoor, ganz zu Eis gefrorenes Feuer, kann es mit Marlon Brando aufnehmen.

Rituparno Gosh: Chokher Bali (Indien 2003)

Von Ekkehard Knörer

Der Zirkel des Begehrens kommt nicht zur Ruhe, sondern wird gesprengt. Die Inszenierung aber schließt, mit der Wiederholung einer selbst schon das Zirkuläre suchenden Einstellung, den Kreis: Der Blick auf ein Treppenhaus, zentral dabei aber die Treppen, die Architektur, das Statische, nicht die auf den Stufen, im Erdgeschoss herumeilenden Menschen.

Sudhir Mishra: A Thousand Dreams Such as These (Indien 2003)

Rezension von Ekkehard Knörer

Politik, historische Streckung ins Fernsehserienformat, Bollywood-Struktur ohne Bollywood-Form, das alles in einem Film, der nicht mehr als gut zwei Stunden dauert: Zuviel des Guten? Vielleicht.

Nikhil Advani: Kal Ho Naa Ho (There May Be No Tomorrow, Indien 2003)

Rezension von Ekkehard Knörer

Der Boden ist also bereitet für den Erlöser. Aman, Superstar Shah Rukh Khan, übernimmt diese Rolle und platzt in die kleine indische Welt von Queens wie, nun, der Film sagt es oft genug selbst, ein Engel. Ein höchst irdischer Engel, bald tanzt die ganze Straße zur Melodie von "Pretty Woman". Er mischt die Nachbarschaft auf, tröstet, kuppelt, greift ein, wo es nötig ist und irgendwann hat er Naina so weit, dass sie ihn liebt und sich so weit, dass er sie liebt.

Mani Ratnam: A Peck on the Cheek (Indien 2002)

Rezension von Ekkehard Knörer

"A Peck on the Cheek" steht in der Tradition von Mani Ratnams kühnen Hybriden aus Bollywood und Politik, also von "Roja", "Dil Se" und "Bombay". Sein jüngster Versuch, die versöhnlerische Form des Masala-Melodrams (hier in einer tamilischen Version) in ein Plädoyer zur politischen Versöhnung umschlagen zu lassen, ist jedoch bei aller noblen Absicht von den Kompromissen, die dabei einzugehen sind, nicht ganz unbelastet.

Krishna Vamsi: Shakti - The Power (Indien 2002)

Rezension von Ekkehard Knörer

Das also der richtige Vater, Narsimha, ein wirklicher Bastard. Verkörperung, wie alles zu Beginn dieses abrupten Wechsel von West nach Ost, von Vancouver nach Irgendwo im wüsten indischen Nirgendwo, der Differenz, von Weste eben und Ost. Du bist ein Tier, ihr seid nichts als Tiere, schreit Nandini, ein ums andere Mal, wenn etwa wieder einem der Kopf abgetrennt worden ist. Der Film, das ist das erstaunliche, blickt von Indien nach Kanada, um von Kanada auf Indien blicken zu können. Was man, über diesen importierten Fremdblick, ist alles andere als schmeichelhaft.

Ram Gopal Varma: Company (2002)

Rezension von Ekkehard Knörer

Aufgegeben, das ist die entscheidende Innovation, ist die Insularität des Masala-Kinos: statt Liebe und Scherz, dramatischem Konflikt und seiner Auflösung in Song und Dance bietet "Company" weitgehende Einheit des Tons. Der Film ist, auch in seiner Auflösung, von einer Konsequenz, die staunen macht.

Buddhadeb Dasgupta: Manda Meyer Upakhyan (2002)

Rezension von Ekkehard Knörer

Es ist das ein wirklich seltsamer Film. Wo etwa bei Kiarostami hinterm Schein der einfachen Geschichten höchst komplexe und nie eindeutig auflösbare Konstellationen liegen, gibt's hier nichts als diese Geschichten. Bei näherer Betrachtung lösen sie sich auf, ins Pittoreske. Ihre stupende Harmlosigkeit findet nirgends einen Gegenhalt; noch die finsterste Figur, der mädchenkauflüsterne Babu, verharrt mit geradezu kindlich-philosophischer Neugier vor einem Baumstamm und beobachtet kleine Tierchen, die unter der Rinde verschwinden. O sancta simplicitas!

LAGAAN - ONCE UPON A TIME IN INDIA (Ashutosh Gowariker, Indien 2001) 

Rezension von Ekkehard Knörer

Lagaan - copyright: Columbia TriStar

Lagaan ist der erste Bollywood -Film, der es regulär in die amerikanischen und deutschen Kinos schafft, wenn auch, in Deutschland, vorläufig mit Ach und Krach und wenigen Kopien. Die Oscar-Nominierung mag geholfen haben, vor allem aber gibt es einen guten Grund zur Hoffnung, dass der Film als Türöffner auf den westlichen Markt funktionieren könnte: er ist ein atemberaubendes Meisterwerk, nicht nur nach den Maßstäben Bollywoods, sondern auch und gerade nach denen des internationalen Unterhaltungskinos.

Karan Johar: Kabhi Kushi Kabhi Gham (2001)

Rezension von Ekkehard Knörer

Der Film appropriiert die fremde Welt Londons von der ersten Minute an mit großem Selbstbewusstsein, meilenweit entfernt vom Exotismus, der seit Jahrzehnten den Blick auf die Schweiz geprägt hat. Ganz selbstverständlich werden in den Song-and-Dance-Einlagen in der Londoner Szenerie die Einheimischen integriert. Der Umgang - vor allem Poos - mit den Klischees des Englischen (mehr als des pauschal Westlichen) schwankt zwischen Übernahme und Karikatur, bevor er sich, wie gesagt, in Richtung Hindu-Traditionalismus bewegt.

Chori Chori Chupke Chupke (Indien 2001)

Rezension von Ekkehard Knörer

Chori Chori Chupke Chupke

Geborgt werden die Ideen, wo man sie herbekommt, hier, in Chori Chori Chupke Chupke etwa, unter anderem natürlich, von "Pretty Woman" - nur dass die Zweierkonstellation (inklusive zauberisch schneller Herzens- und Manierenbildung der Prostituierten, wie man sie vom Vorbild kennt) mal eben um das in Indien alles andere als leicht zu vermittelnde Problem der - natürlichen! - Leihmutterschaft erweitert wird, um das halbe Mitwissen der Ehefrau (sie ahnt lange nicht, dass Madhu eine Prostituierte ist), um die Melodramödie des Betrugs aus bester Absicht gegenüber dem Rest der enkel- und großenkelsohn- versessenen Familie. Nur geküsst wird nicht.

Monsoon Wedding (Mira Nair 2001)

Rezension von Ekkehard Knörer

Der Tanz des Hochzeitsfestes erträumt sich eine utopische Einheit: von oben und unten, von der Tradition mehr oder weniger entfremdeten Mitgliedern der Familie. Und zwar im Song and Dance von Bollywood. Im raffinierten Einsatz der verschiedenen Register, den Monsoon Wedding fast zur eigenen, den Code zur Entzifferung gleich mitliefernden Sprache entwickelt, ist jedoch der utopische Charakter genau dadurch klar markiert: das Register ist nicht die Beschreibung, sondern der phantastische Traum. Und Monsoon Wedding träumt diesen Traum sehr schön.

Mission Kashmir (Vinhu Vinod Chopra, Indien 2000)

Slicker Politthriller in der Mani-Ratnam-Nachfolge. Mann in kaschmirischen Polizeidiensten tötet Eltern und Schwester eines Kindes, das er darauf an Sohnes Statt annimmt. Als der Junge die Vorgeschichte begreift, schwört er ewige Rache und kehrt zehn Jahre später als islamistischer Terrorist zurück, in Diensten eines wahrhaft finsteren, mit Stirntuch und Kajal bewehrten Burschen. Eine Liebesgeschichte kommt dazu und wird sogleich in den Terrorismus-Plot hineingenommen. Vieles wird unnötig dick aufgetragen (ein mit Kajal geschriebenes Drehbuch), gerade die aber auch gar nichts auslassende Verquickung von Privatem und Politischem ist sehr unerquicklich. Als Schaumkrönchen auf dem Kitsch schwimmt die auch nicht unterbetonte Botschaft religiöser Toleranz - womit sich freilich verträgt, dass der Polizist ohne Skrupel wehrlose Islamisten totschießen darf. Wahrhaft erstaunlich ist allerdings genau eine Szene, in der höchst beschwingt die Unschuldigste von allen zu Tode kommt. Das geht heftig gegen den Strich des Erwartbaren. Vom Rest wird man das, allen Schauwerten zum Trotz, nicht sagen können.

Mohabbatein (Aditya Chopra 2000)

Rezension von Ekkehard Knörer

Das, was uns Kitsch heißt und mithin Ideologie, ist und bleibt die Geschäftsgrundlage Bollywoods, die notwendige Voraussetzung seiner monströsen Aufnahmefähigkeit. Die Merkmale des Trivialen - wenig ambivalente Helden, um Einzelheiten und Realitäten unbesorgte Entwicklungen von Figuren und Plots, Verwendung von Versatzstücken, Zeigen statt Zurückhalten, Drang zur Versöhnung - sind die Merkmale dieses Kinos, aber als Kunstform.

Shyam Benegal: Zubeidaa (Indien 2000)

Von Ekkehard Knörer

In den letzten Bildern der wiedergefundenen Zeit gelingt die melancholische Versöhnung, des Independent-Filmers Benegal auch mit der Industrie. "Zubeidaa" ist Aneignung einer Form im besten Sinn: ehrlich, kritisch, voller eigensinnigem Beharren auf Ambivalenzen und politischen Motiven, die Bollywood sonst fremd sind.

Mani Ratnam: Wellen (Indien 2000)

Rezension von Ekkehard Knörer

Das alles geht ab nicht ohne Sentiment, oder eher: große Gefühle. Sentimental nämlich ist das eigentlich nicht. Die Zuspitzungen sind stets Verdeutlichungen, hoch emotionale Formulierungen von Dilemmata, die im Realen wurzeln. Nach dem Überschwang des Beginnens steuert Alai Payuthey auf die Beschreibung einer emanzipierten Ehe zu, mit allen Problemen, die nicht ausbleiben können, wenn man von den traditionellen Bindungen, aus denen man sich gewaltsam gelöst hat, längst nicht frei ist.

The Terrorist (Santosh Sivan, 1999)

Rezension von Ekkehard Knörer

Der Film argumentiert nicht politisch, ja, er argumentiert im Grunde überhaupt nicht, er ist das zum Verzicht auf alles Rechten entschlossene Porträt einer Figur, die kurz davor ist, ihr Leben zu opfern, deren wilde Entschlossenheit sozusagen im Rohzustand vorgeführt wird, ohne wertendes, rechtfertigendes oder denunzierendes Beiwerk.

Dil Se (Mani Ratnam; 1998)

Rezension von Ekkehard Knörer

Die Ästhetik schwankt dabei, für westliche Augen, stets irgendwo zwischen Werbefilm und Videoclip, aber immer mit einem entscheidenden Überschuss übers Funktionale der anpreisenden Bebilderung. Einem Überschwang, dem die Bilder eine Wahrhaftigkeit verdanken, die mit Realismus nichts zu tun hat, eher mit der Wahrheit eines ernst gemeinten, wenngleich kompliziert kodierten Pathos, das - das ist vielleicht das Überwältigendste daran - stets in der Nähe des (absichtlich!) Komischen siedelt.

Amol Palekar: The Square Circle (Indien 1997)

Rezension von Ekkehard Knörer

Die Affektmaschine Bollywood funktioniert auch dann, wenn man sie mit Dingen füttert, an denen sich das System als System sofort verschlucken müsste. "The Square Circle" entwirft keine Ästhetik der Unterbrechung oder des Widerspruchs, sondern praktiziert Subversion durchs Pastiche.

J.P. Dutta: Border (1997)

Rezension von Ekkehard Knörer

Der Wechsel zum heldischen Kampf mit jeder Menge Explosion und Feuerwerk ist ein wenig abrupt, aber es zeigt sich, dass man aus dem weiten Rahmen des Masala-Films so leicht nicht fällt: Bollywood verleiht auch dem Krieg noch Glanz und Spaß und Mitgefühl. So bodenlos einfältig viele der Dialoge sind, so schematisch und holzschnitthaft die Konflikte, so didaktisch die Anlage, so ideologisch die Botschaft: manche Szene gerät auch hier, auf ästhetischem Feindesland, verdammt mitreißend.

Mrinal Sen: Indien - And the Show must go on (Indien 1996)

Von Ekkehard Knörer

Die Auswahl, die Mrinal Sen aus hundert Jahren indischen Kinos trifft, und damit aus mehr als 30.000 in dieser Zeit entstandenen Filmen, begründet sich nicht explizit aus einem Argument, sondern ergibt durch die Wahl implizit selbst eines. Überraschend ist es nicht.

Aditya Chopra: Dilwale Dulhania Le Jayenge (Indien 1995)

Von Ekkehard Knörer

Unabhängig voneinander begeben sich der junge, in London lebende, Maserati fahrende NRI Raj Malhotra (gespielt von Shah Rukh Khan) und die traditionell erzogene junge, in London lebende NRI Simran Sing (Kajol) mit Freunden auf etwas, das sich Europareise nennt, wobei Europa, von einem kurzen Auftritt des Eiffelturms auf einem Plakat im Hintergrund abgesehen, durchweg verblüffende Ähnlichkeit mit dem hat, was uns aus Bollywood-Filmen als die Schweiz bekannt ist.

Bombay (Mani Ratnam 1995)

Rezension von Ekkehard Knörer

Die Balance von Umwegigkeit und Direktheit, mit der daraus eine Tanzeinlage mit Vorspiel-Zwischenschnitten wird, ist umwerfend: ein Michael-Jackson-Verschnitt im Balz-Tanz und mit eindeutigen Texten, die von Ekstase singen, steht gegen das Kussverbot des Bollywood -Kinos, dessen Befolgung hier aber am seidenen Faden hängt: es gibt einen Kuss, durch einen Schleier hindurch.

K.S. Ravikumar: Muthu (Indien 1995)

Kritik von Ekkehard Knörer

Nichts, rein gar nichts, will dieser Film mit der Wirklichkeit zu tun haben. Jedes Mittel ist ihm recht, als Mittel zum Effekt. Der Effekt aber ist nie ein mimetischer. Einen Ort, eine Zeit, die identifizierbar wären, gibt es nicht in "Muthu", beides wird selbst zum Mittel, Märchen-Raum, Märchen-Zeit, diffus und zugleich offen aufs beinahe Fantastische, wenn etwa in der Kutsche, die stets in Bewegung ist, von irgendwo nach irgendwo, aber ohne Ziel, wenn in dieser Kutsche also Muthu, der Held, und die Frau, die er liebt, in einem Land landen, hinter den sieben Bergen, dessen Sprache sie sprechen und auch nicht.

Mani Ratnam: Thiruda...Thiruda (Indien 1993)

Rezension von Ekkehard Knörer

Beschleunigung ist oberstes Prinzip, ein Film darum der wechselnden Gefährte. Vom raschen Galopp zu Pferde zur rasanten Querfeldeinfahrt per Rad, es springen ein Bus, eine Pferdekarre, Autos natürlich und auch ein großer roter McGuffin in LKW-Gestalt über irgendwelche Rampen durch die Luft. Mit höchster, bewegendster, bewegtester Dynamik führt der Film zu nichts.

Roja (Mani Ratnam 1993)

Rezension von Ekkehard Knörer

Dennoch bleiben die ästhetischen Reibungsflächen zu glatt: allzu eindeutig sind die Sympathien verteilt, zu patriotisch ist der Held und sind die Songtexte und gänzlich unüberzeugend gerät die Bekehrung des Rebellen. Mehrfach unternimmt der Film Anläufe zum Drama, zur Tragödie, immer rutscht er ins Klischee, in die bloße Konvention zurück.

Amar Akbar Anthony (Manmohan Desai, 1977)

Rezension von Ekkehard Knörer

Die Schlussapotheose ist die Summe des Films: Alle Rücksichten auf Logik, Glaubwürdigkeit oder auch nur Erklärbarkeit schreiben Drehbuch und Regie souverän in den Wind, der ganze Film ist eine (mit voller Absicht) lose Verkettung von grandiosen Szenen, die Genres gehen aufs bezauberndste durcheinander, Herz reimt sich in Bonbonfarben auf Schmerz und drei Stunden beste Unterhaltung sind vergangen, bevor man Amar und Akbar und Anthony sagen kann.

Sholay (Indien 1975)

Rezension von Ekkehard Knörer

Zwei Tonlagen kennt der Film, den Western einerseits, die Liebeskomödie zum anderen, und eine dritte Ebene, auf der sich beides mischen kann: die reine Action. Ramesh Sippy ist ein Regisseur der rasenden Bewegung in ungewöhnlichen Gefährten. Auf den Eisenbahnüberfall folgt der erste große Freundschaftssong im Motorrad mit Beiwagen; der fahrbare Untersatz taugt, mit seiner schönsten Pointe: der Beiwagen macht sich erst selbständig, kehrt dann, ebenso selbständig wieder zurück, zur Freundschaftsmetapher.

Majboor (Ravi Tandon, Indien 1974)

Amitabh Bachchan spielt Ravi Khanna, einen perfekten Sohn und Bruder, der im Reisebüro denen, die sie sich leisten können, die Tickets in die weite Welt verkauft. Auch einem älteren Herrn mit einem später wichtig werdenen Klunker am Finger, der kurz darauf ums Leben kommt. Der damit verbundenen Erpressung verdächtig ist Ravi. Bald darauf fällt ihm mitten auf der Straße ein Aquarium aus den Händen. Er ist natürlich unschuldig, aber todkrank: Hirntumor. Der ausgesetzten Belohnung halber (für die Familie) denunziert er sich anonym - es ist ja nun egal - als Täter, wird gefasst und zum Tode verurteilt. Bevor er an den Strang gerät, kommt es jedoch zur Operation in letzter Minute und zur Heilung. Nun muss er seine Unschuld beweisen und er tut dies, wie Dr. Kimble, auf der Flucht. Die Spur führt zu einem Kleinkriminellen namens Michael und weiter in die nähere Verwandtschaft des Opfers. Ein Werk aus dem sehr zivilen Nebenstrang der "Angry Young Man"-Phase Bachchans, das so kompetent gemacht wie sehr vorhersehbar ausgefallen ist. Schön das interior design in Eastmancolor.

Seeta und Geeta (Ramesh Sippy, 1972)

Rezension von Ekkehard Knörer

Nicht genug des Komödiantischen, es gibt einen komischen Action-Showdown, der Bud Spencer und Terence Hill in nichts nachsteht - der Vergleich liegt nahe, das spielt sich in merkwürdigen Westernkulissen ab, wenngleich auch Degen zum Einsatz kommen. Interessant, dass auf Synchronie von Choreografie und Ton kein Wert gelegt wird: die Realismusverpflichtungen sind hier ebenso minimiert wie etwa beim Gesang, Marker genügen.

Sunil Dutt: Reshma aur Shera (1971)

Kritik von Ekkehard Knörer

Die Wüste als der Zwischenort, das Nichts, das ihnen Raum gibt. Raum zur Umschrift der Gesetze, die außerhalb dieses Nicht-Orts gelten - und deren Kraft auch innerhalb dieses Nicht-Orts spürbar wird, am Ende, wenn hier die letzte Aushandlung stattfindet, die Institution des neuen Gesetzes.

Raj Kapoor: Sangam (1964)

Rezension von Ekkehard Knörer

Mehrmals schneidet die Kamera auf Großaufnahmen beider Gesichter, überblendet sie mit Szenen des Vorangegangenen: ein Resümee, Zwischenbilanz vor dem schlimmen Ende. Dies arrangiert alle Beteiligten aus der Halbdistanz im Zimmer, verschiebt die Figuren gegeneinander, zum glücklichen Dreierbund aber wollen sie sich nicht fügen. Hier kulminiert Sangam zum Melodrama von hoher Wucht und beinahe erleichtert konstatiert der Betrachter den schließlichen Umschlag vom Schrecken ohne Ende zum Ende mit Schrecken. Das verbleibende Paar streut, nach dem Tod des Geliebten und Freundes, Blumen aufs Wasser.

Papierblumen (Guru Dutt, Indien 1959)

Kritik von Ekkehard Knörer

"Kaagaz ke Phool" ist ein tief trauriger Film. Darin liegt sein Problem mit der Bollywood-Form. Die komischen Einlagen wollen einem hier so wenig recht am Platz vorkommen wie manche der Musiknummern. Und umgekehrt schlagen sie störend zurück auf den Ernst des Ganzen, das nach Realismus strebt und über die großen Gefühle, die dadurch zu falschen zu werden drohen, immer wieder stolpert. Bollywood-Pathos, das auf halber Strecke stehen bleibt, verkommt jedoch, das wird hier deutlich, zur diffusen Sentimentalität.

Bimal Roy: Madhumati (Indien 1958)

Kritik von Ekkehard Knörer

Hauptwerk indischer Romantik, nach einem Drehbuch des nachmalig von der Kritik gefeierten parallel-cinema-Regisseurs Ritwik Ghatak. Bimal Roy aber, der hier Regie führt, hat Bollywood im Sinn und malt Leidenschaft, Natur, comic relief und Gespenster mit Schwung auf die ganz große Leinwand. Ein Geist, wie ein Geist, von Beginn an Madhumati, die Frau, die mit der Singstimme der Natur zu rufen scheint, von Nebeln umflossen, von Wassern umrauscht, von Bäumen umwogt. Draußen jedenfalls, in einem Draußen, in das sie Anand ruft, singend, lockend, auftauchend, verschwindend, im Wald, im Wasser, im Nebel.

Mehboob Khan: Mother India (Bharat Mata, Indien 1957)

Rezension von Ekkehard Knörer

Mother IndiaAls Rebell und Brigantenführer stellt Birju sich gegen die Dorfgemeinschaft und droht mit der Entführung von Sukhilalas Tochter eherne Gesetze zu verletzen. Darauf wird an ihm ein Exempel statuiert, wie es drastischer nicht zu denken ist: die Mutter erschießt, im Namen der Gesetze der Gemeinschaft, ihren Sohn. Wie sehr der Film das gutheißt, zeigt er am narrativen Denkmal, das Radha, der Mother India, gesetzt wird, in einem Rahmen, der die Geschichte umschließt, die greise Mutter, inzwischen erblindet, gibt dem jüngsten Triumph des Fortschritts ihren Segen: sie weiht einen Damm zur Bewässerung der Felder ein.

Satyajit Ray: Aparajito (Indien 1956)

Rezension von Ekkehard Knörer

Die Einfachheit also dieser Bilder täuscht. Und was erzählt wird, ist gewiss universal nachvollziehbar und verliert sich doch nie im Klischee oder gar im Kitsch. Der Konflikt zwischen Liebesbedürfnis der Mutter und Verselbständigungswunsch des Sohnes bedarf keiner Erläuterung und Ray geht es um die Darstellung in der Konkretion: wie Apu müde aus Calcutta zurückkehrt, sich zum Schlaf abwendet, als die Mutter von ihrer Krankheit berichten will.
 
Jaal (Guru Dutt, Indien 1959)

Text von Ekkehard Knörer bei New Filmkritik

 
Do bigha Zarim (Bimal Roy, 1953)

Der Stil, der Ton der Filme von Ritwik Gathak und Satyajit Ray sind hier schon angedeutet. Der Neorealismus ist ein unverkennbarer Einfluss in dieser Geschichte um eine Familie, die darum kämpft, ihren Grund und Boden nicht an einen rücksichtslosen Kapitalisten zu verlieren. Vater und Sohn machen sich, auf der Suche nach Arbeit und Geld, auf nach Kalkutta, von ihren Fährnissen in der Großstadt erzählt Roy - und viel davon hat er von Rossellini und de Sica gelernt. Auch im Plot, der von kleinen großen Tragödien im Alltag erzählt, gibt es deutliche Anklänge. Für indische Verhältnisse sehr ungewöhnlich ist der gedämpfte Ton; die Gesangsszenen fügen sich nahtlos ins elegante Understatement der Szenerie. Was hier sanft ineinandergeht, wird Ghatak später in seinem in manchen Motiven ähnlichen Meisterwerk "Der verborgene Stern" harsch auseinander reißen und gegeneinander setzen.

Raj Kapoor: Awaara (1951)

Rezension von Ekkehard Knörer

Ausbuchstabiert wird die Liebe zwischen Rita und Raj in den Musikeinlagen, von Arrangements, in denen Tänzerinnen als ornamentale Masse in Erscheinung treten, bis zur Zweisamkeit: auf einem Boot im Angesicht des Mondes (ja, ein weiteres Angesicht: einer blickt - und sei es eingebildet - fast immer, als wäre alles Soziale ein Benthamsches Gefängnis), der, im Gesang, gebeten wird, für einen Moment wegzusehen.

Kamal Amrohi: Mahal (1949)

Rezension von Ekkehard Knörer

Homi Wadia: Miss Frontier Mai (l936)

Rezension von Ekkehard Knörer

Inszeniert ist der Film mit einer Unbekümmertheit, einem Vorwärtsdrang, die seiner Heldin in nichts nachstehen. Um die rasanten Verfolgungs- und Kampfszenen noch rasanter zu machen, hat man sie leicht zeitgerafft. Keine auf dem Weg liegende komische Nummer wird ausgelassen, nie jedoch gehen sie auf Kosten der Heldin, bei deren Kampfesmut und Körperkraft jeder Feministin das Herz im Leibe lachen muss.

Porträt des Indischen Filmstars Kishore Kumar

Porträt von Dagmar Hotze

Obwohl er oftmals "nur" in Nebenrollen zu sehen war und nie den Helden spielen durfte, gab sein Erscheinen dem Film erst "das gewisse Etwas", so dass das Publikum ihn zu seinem Liebling erkor. Seinerseits inspiriert wurde das Multitalent durch den Entertainer Topol, den er während eines Besuches in London live auf der Bühne sehen konnte. Anschließend ergriff er die Gelegenheit, sich ein Autogramm auf die Kassetten seines Idols geben zu lassen.

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