In dieser der zweiten von Rohmers "Moralischen Geschichten" ist die
Frage der Moral eine der doppelten Ökonomie: der Liebe wie,
buchstäblich, des Geldes. Beides ganz wie bei Balzac und näher
als in diesem Zyklus war Rohmer gewiss nie bei diesem, von der Nouvelle Vague
(vor allem Rivette und Rohmer) so sehr geschätzten Autor, der die
menschlichen Verhältnisse als dem Erzählzugriff fast schutzlos
ausgelieferte, auf der Souveränität des Subjekts entzogene
Entscheidungssituationen zugespitzte Arrangements zu betrachten liebte. Rohmer
hat von Balzac den Sinn für das Relationale und die Schonungslosigkeit,
mit der Versuchsanordnungen durchgespielt werden, Rivette viel eher den Sinn
für die Offenheit des Spiels, das Aleatorische, die Lust am
überraschenden narrativen Abzweig aus der Ausgangssituation. ( Vielleicht
aber laufen das Aleatorische und das Fädenziehen im Hintergrund, bei
Rohmer wie bei Rivette, auf dasselbe hinaus, als die zwei Seiten derselben
Medaille: die - der Improvisation nach Vorgaben des Regisseurs gedankte -
Kontingenz bei Rivette tritt als Pathosformel an die Stelle des mit Marionetten
spielenden Gottes, der Rohmers Geschichten erzählt.)
Die Ökonomie bewegt sich im Dreieck: Guillaume, sein bester Freund
Bertrand, Suzanne. Guillaume und Suzanne sind ein Paar, er verachtet sie,
Bertrand und Guillaume nützen Suzanne aus, lassen sich von ihr aushalten.
Außerhalb des Dreiecks die zweite Frau, Sophie, die, gerade von
außen, das Dreieck zu stabilisieren scheint. Guillaume ist verletzend
gegen Suzanne, Bertrand schrickt immer wieder zurück, macht dann immer
wieder mit. Guillaume und Suzanne trennen sich, Bertrand fragt sich, ob nicht
sie die ganze Zeit die Fäden in der Hand gehalten hat, ob nicht sie
gespielt hat, während er und Guillaume ihr gemeines Spiel Ernst genommen
haben. Vom Ende her bekommt Suzanne recht - und wenngleich der Film, mit
dem Ich, das spricht, das Bertrand ist, die Perspektive vorgibt, fragt man
sich, von hinter dem eigenen Rücken aus, ob man nicht selbst dieser
Perspektive auf den Leim gegangen ist.
Am Ende wird Guillaume verschwunden sein, wird Bertrand mit leeren
Händen ausgehen und noch einmal von vorne anfangen müssen. Suzanne
hat mit den Jungs gespielt, dann heiratet sie: eine Erwachsene unter Kindern
von Anfang an, das ist Bertrands Einsicht am Ende. Die Ökonomie der
Beziehungen ist eine verdeckte, was gesagt wird und was geschieht, kommt
nicht überein, es gibt zuviele Worte, nicht zuletzt im
Erzählerkommentar. Das Emblem für diese Verdeckungsverhältnisse
findet der Film in einem Diebstahl: Guillaume oder Suzanne, einer von beiden,
hat Bertrand 300 wohl versteckte Francs gestohlen. Das Geheimnis wird nicht
aufgedeckt, in Bertrands Weigerung, Guillaume für den Täter zu
halten, wird die Verzerrung der Wahrnehmung manifest. |