Ein Dreieck aus Liebe und Freundschaft gibt dem Film die Struktur:
es ist eine strenge Struktur, denn kaum einmal tritt die Geschichte neben
das Dreieck, aus ihm heraus, perspektiviert sich, sei es im Ernst oder im
Scherz, auf einen Nebenplot oder Nebenfiguren. Schon der Prolog macht es
klar: Sunder (Raj Kapoor), Gopal (Rajendra Kumar) und Radha (Vyjayantimala)
beim Kinderspiel, doch hier bereits zeichnen sich Risse in die Freundschaft:
die Jungs konkurrieren um Radha - und Sunder, als der sozial deklassierte,
ist im Nachteil. Nicht ihn liebt Radha, sondern Gopal, Sunders besten Freund.
In der ersten Gesangseinlage, die die bis zur Ermüdung wiederholte und
variierte Situation der ersten Hälfte des Films vorgibt und vor-spielt,
sitzt Sunder im Baum, stibitzt der badenden Radha die Kleider, spielt dazu
auf dem Dudelsack das Lied von Sangam, das Wort steht für den Ort der
Vereinigung der drei heiligen Flüsse Ganga, Jamuna, Saraswati. Um diese
Dreier-Vereinigung geht es, genauer gesagt: ihre Unmöglichkeit.
Was diese erste Hälfte des Films, heute, für westliche
Augen jedenfalls, ermüdend macht, ist die fortgesetzte gegenseitige
Verkennung aller Beteiligten, die die notwendige Voraussetzung des Dramas
abgibt: Gopal liebt Radha und sie liebt ihn, einfach genug, auch die Eltern
wären über die Verbindung glücklich. Sunder aber, der blinder
ist, als selbst die Liebe erlaubt, ahnt davon nichts, umwirbt Radha ohne
Unterlass, nimmt ihre Weigerungen als überwindbare, missversteht alle
an Gopal gerichteten Signale als Zeichen der Hoffnung in eigener Sache und
verordnet sich selbst, auf überinterpretiertes Anraten Radhas, eine
Reifungskur als Flieger im kriegerischen Einsatz des Militärs. Das
Freundschaftsversprechen verpflichtet Gopal, Radha in der Zeit von Sunders
Abwesenheit nicht anzurühren. Sunder zeigt, als Soldat,
selbstmörderischen Heldenmut, man hält ihn für tot, Gopal
und Radha verloben sich und unmittelbar vor der Hochzeit ist Sunder zurück
im Bild: will, sich ihrer würdig fühelnd, Radha nun erst recht.
Gopal verzichtet, aus Freundschaft, Radhas Flehen bleibt vergeblich. Sunder,
der nichts ahnt und nichts ahnen soll vom Glück, in das er geplatzt
ist, heiratet Radha. Die Hochzeitsreise geht nach Europa.
Hier genehmigt sich Sangam eine Auszeit aus den Banden des Melodrams
und zeigt sich von der komödiantischen Seite: erste scherzhafte
Ehestreitigkeiten beim Shopping in Paris (neue Handtasche vs. neuer Dudelsack),
entzückte Blicke der Touristen auf das indische Paar: im Moment der
Ausbeutung indischer Europaklischees wird gleich der westliche Orientalismus
mitverspottet. Im Hotelzimmer eine Diskussion über Genderfragen mit
Gesang: Sunder will ins Varieté, alleine, für die Frau schickt
es sich nicht. Es folgt ein Hohnlied von ihrer Seite, Radha wirft sich in
aufreizende Schale, tanzt im westlichen Stil und klagt, im offensiven
Verstoß gegen hergebrachte Frauenbilder, sie habe einen alten Mann
geheiratet. Der Protest gegen geschlechterpolitischen Konservatismus und,
unter der Hand, Spott über Sunders vermeintliche Impotenz, gehen zusammen.
In Rom spaziert man über den Petersplatz, in den Schweizer Bergen kugelt
man durch den Schnee. Hier aber hat Sunder die Idee, Gopal möge zu Radhas
Geburtstag einfliegen. Als Überraschung steht er in wilder Gebirgslandschaft
plötzlich neben dem Wasserfall: und unglücklich sind beide, er
und Radha. Sie nimmt ihm das Versprechen ab, nie wieder in ihrem Leben
aufzukreuzen, noch vor dem Abendessen ist er wieder davon (das Versprechen
lässt sich nicht halten). Sunder versteht, wie immer, nichts.
Dann
aber, zurück in Indien, fällt ihm ein nicht signierter Liebesbrief
in die Hände, adressiert an Radha, die er fortan vorehelicher Untreue
verdächtigt. Die Offenbarung des Verfassers schiebt sich auf und auf
bis ans Ende, an dem, bevor einer der drei sterben muss, der tödliche
Revolver von einer Hand in die andere wechseln wird. Zuvor aber noch die
aufwühlendste Musikszene, eine vorletzte (Nicht-)Vereinigung aller drei
noch unter dem Vorzeichen der Verkennung. Sunder singt das dramatische Lied
vom untreuen Freund, dem er - fälschlich und doch nicht - Gopal
entgegenhält. Frontal blickt Sunder über das Klavier in die Kamera,
flankiert von Gopal und Radha. Mehrmals schneidet Kapoor auf Großaufnahmen
beider Gesichter, überblendet sie mit Szenen des Vorangegangenen: ein
Resümee, Zwischenbilanz vor dem schlimmen Ende. Dies arrangiert alle
Beteiligten aus der Halbdistanz im Zimmer, verschiebt die Figuren gegeneinander,
zum glücklichen Dreierbund aber wollen sie sich nicht fügen. Hier
kulminiert Sangam zum Melodrama von hoher Wucht und beinahe erleichtert
konstatiert der Betrachter den schließlichen Umschlag vom Schrecken
ohne Ende zum Ende mit Schrecken. Das verbleibende Paar streut, nach dem
Tod des Geliebten und Freundes, Blumen aufs Wasser.
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