Sholay ist, da gibt es kein Vertun, ein Western, also über
weite Strecken Produkt eines Genres, das es im indischen Kino eigentlich
nicht gibt - wie es ja Genres überhaupt im strengen westlichen Sinn
nicht gibt, da jeder Film aus heterogenen Bestandteilen zusammengesetzt ist,
von denen die Song-and-Dance-Einlagen nur die am augenfälligsten
genre-zerstörenden sind (und zugleich alle Filme zu Beispielen der Mutter
aller Bollywood-Genres, des Meta-Genres Musical machen). Die Bilder muten
vertraut an, aus Amerika, mehr noch aus Italien, das große Vorbild
ist Sergio Leone; Sholay ist also ein Western per interkultureller
Transmission aus dritter Hand und, im Kulturtransfer, dadurch ein ganz eigen
Ding. Generisch die Geschichte: Der Ex-Polizist Thakur (Sanjeev Kumar) sucht
die Rache an dem Schurken Gabbar Singh (Amjad Khan), der ihm die Familie
hingemordet hat (einzig die Schwiegertochter hat überlebt), heuert zu
diesem Zweck als seinen linken und seinen rechten Arm die beiden Kleinganoven
Jaidev (Amitabh Bachchan) und Veeru (Dharmendra), deren Mut er bei einem
in dahinrasenden Rückblende-Bildern gezeigten Eisenbahnüberfall
kennengelernt hat. Die beiden lässt er nun ausfindig machen.
Sie finden sich, im Gefängnis. Dies wird von einem neuen Direktor
geleitet, der Film, bei einer seiner vielen großartigen Auszeiten vom
eigentlichen Plot, macht daraus ein Intermezzo - das Wort ist falsch, insofern
es eine Hierarchie impliziert, die der Film verweigert: Sholay ist
beinahe eine Abfolge von nichts als Intermezzi ohne durchgehaltenen Bezug
auf ein Ganzes - der beinahe surrealen Art. Dieser Direktor nämlich
sieht, auf den ersten Blick, aus wie Adolf Hitler - auf den zweiten allerdings
wird klar, dass er, im erneuten Kulturtransfer, modelliert ist nach Chaplins
großem Diktator, Größenwahn und Spiel mit der Weltkugel
inklusive. Von diesem Zwischenspiel geraten die beiden - immer noch erst
auf dem Weg zu ihrem Auftrag - in eine Kutsche, dort an Basanti, die Frau,
die der eine von beiden, viel später, abbekommen wird. Eine Rückblende
zeigt, in starker Anlehnung an Spiel mir das Lied vom Tod, wie die
Familie des Polizisten gemetzelt wurde, dazu schwingt, im Bild und noch
schauriger auf der Tonspur, eine Schaukel auf der Stätte des Todes.
Überhaupt ist die Tonspur, neben der Song-Herrlichkeit, immer wieder
experimentell aufgelegt, elektronische Klänge untermalen das Geschehen.
In einer zweiten Rückblende sehen wir, was zuvor unter den Umhängen
des Ex-Polizisten verhüllt blieb: der Schurke Ghabbar hat ihm beide
Arme abgehackt. Die Brutalität der Tat und ihre Inszenierung belegen
wiederum die Abkunft Sholays vom Italo-Western.
Zwei Tonlagen kennt der Film, den Western einerseits, die
Liebeskomödie zum anderen, und eine dritte Ebene, auf der sich beides
mischen kann: die reine Action. Ramesh Sippy ist ein Regisseur der rasenden
Bewegung in ungewöhnlichen Gefährten. Auf den Eisenbahnüberfall
folgt der erste große Freundschaftssong im Motorrad mit Beiwagen; der
fahrbare Untersatz taugt, mit seiner schönsten Pointe: der Beiwagen
macht sich erst selbständig, kehrt dann, ebenso selbständig wieder
zurück, zur Freundschaftsmetapher. Nicht weniger findet das Wesen Basantis
seinen Ausdruck in ihrem Verhalten als Wagenlenkerin: ungebremst sind
Selbstbewusstsein und Rededrang, unbremsbar rast die Kutsche unter ihrer
Peitsche dahin. Sippy hält auch die Kamera in steter Bewegung, dynamisiert
aus Untersichten, schneidet schnell und fließend. Er ist allerdings
auch ein ungeduldiger Regisseur, der - anders als im indischen Kino üblich
- Szenen rasch auf ihren Höhepunkt zutreibt und dann ein wenig hastig
abschließt. Amitabh Bachchan jedoch, lang, lakonisch, unbewegt,
verkörpert das Gegenprinzip zur sonstigen Hektik, ist die Mundharmonika
(genau!) spielende Coolness selbst und passt als Kontrapunkt zum Treiben
der Liebenden wie der Kämpfenden noch in der Liebe (zur trauernden
Schwiegertochter Thakurs) und im Kampf.
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