Scherpunkt Asien: Asiatische Filme auf den Festivals von New York und Vancouver

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Festivals von Vancouver und New York

Ein Bericht von Steve Erickson

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Asiatische Filme auf den Festivals von New York und Vancouver
Kritik von Steve Erickson

zum Asien-Schwerpunkt

Vancouver

KICK THE MOON

Kim Sang-Jin, Südkorea

Die vom britischen Kritiker Tony Rayns zusammengestellte Auswahl asiatischer Filme war ausgesprochen stark. Der beste von den Filmen, die ich hier zum ersten Mal sah, war Kim Sang-Jins KICK THE MOON, eine Studie in fröhlichem Exzess. Wie in ATTACK THE GAS STATION erweist sich Kim als Meister der Inszenierung brutaler Schlägereien, die er bis zum komischen Übermaß treibt. Zwischen den Kämpfen, mit denen KICK THE MOON beginnt und endet, gibt es eine berührende Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen einem toughen Lehrer, einem nerdigen Gangsterboss und der Nudelladenbesitzerin, in die sie sich beide verliebt haben. Im Kampf um die Kontrolle über vier Schüler des Lehrers entwickelt sich zwischen ihm und dem Gangster eine symbiotische, beinahe-homoerotische Beziehung. Wie ATTACK THE GAS STATION funktioniert KISS THE MOON sowohl als raue Komödie wie auch als Allegorie mit der Botschaft, dass die koreanische Gesellschaft ein Weitpinkelwettbewerb von Tyrannen ist. In diesem Fall gewinnt Kim. Der beste koreanische Film von den vielen, die ich dieses Jahr gesehen habe.

THE JANG SUN-WOO VARIATIONS

Tony Rayns, GB

Rayns selbst stellte einen sehenswerten Dokumentarfilm vor. THE JANG SUN-WOO VARIATIONS ist ein bewundernswert gründliches Porträt des koreanischen Regisseurs. Der Film, mit seiner riesigen Zahl von Interviews (mit Kritikern und Filmemachern bis zu einem buddhistischen Mönch und Passanten, die LIES gesehen haben), erweist sich seines Titels würdig, und erstellt ein Porträt des Mannes und seiner Filme, das beider grundsätzliche Widersprüchlichkeit herauskehrt. THE JANG SUN-WOO VARIATIONS ist selbst ein dialektischer Film und füllt die Leinwand mit CD-Rom-artigen Kästchen. Der Film untersucht Jangs Einstellungen zu Sex (darunter eine ausführliche Diskussion der Vergewaltigungsszenen in A PETAL UND TIMELESS, BOTTOMLESS BAD MOVIE), zu Politik und Religion. Er ist ein exzellentes Beispiel von Filmkritik im Medium des Films, viel mehr als nur das übliche DVD-Supplement.

Japan

VISITOR Q

Takashi Miike, Japan

Das Festival zeigte drei Filme des sehr fleißigen Takashi Miike: DEAD OR ALIVE 2, ICHI THE KILLER und VISITOR Q. Leider konnte ich nur VISITOR Q sehen. Hätte ich nicht AUDITION gekannt, ich stünde dem Hype um Miike verständnislos gegenüber, aber ein Regisseur, der drei oder vier Filme im Jahr macht, muss hin und wieder Scheiße bauen. VISITOR Q ist eine witzlose Übung in schlechtem Geschmack und bezieht sich auf TEOREMA, wenn er einen mysteriösen Fremden - mit einem Hang dazu, Menschen mit Steinbrocken auf den Kopf zu schlagen - zeigt, der eine Famile durch transgressive Aktionen befreit. Das reicht vom Harmlosen - Laktation und weibliche Ejakulation - bis zum extrem Widerlichen. Mehr soll nicht gesagt werden, als dass Heroin und Nekrophilie beim Aufrechterhalten der familialen Harmonie ihre Rolle spielen. Als Satire kann der Film nicht überzeugen. Als Fil..., genauer gesagt als Video war er unglaublich hässlich, voller ausgebluteter Farben und so körnig, dass ich mich gefragt habe, ob es an meiner Brille lag.

China

THE ORPHAN OF ANYAN
Wang Chao, China

Als Adaption eines Romans seines Regisseurs ist der viel gelobte THE ORPHAN OF ANYANG so etwas wie ein typischer chinesischer Film der 6. Generation, jede Menge Master Shots, wenig Kamerabewegung, sozial marginalisierte Charaktere (Gangster, ein auf der Straße arbeitender Fahrrad-Reparateur, eine Nutte) und depressive Stimmung inklusive. Wang bietet eine ziemlich gut gemachte Version, aber wer schon auf vielen Filmfestivals war, hat genau dasselbe Material schon gesehen. Ich wurde die merkwürdige Idee nicht los, dass der Film so etwas wie das chinesische Äquivalent zu einem amerikanischen Film wie THE SCORE ist: eine gut gemachte, aber alles andere als aufregende Genre-Übung.

SEAFOOD
Zhu Wen, Hongkong

Ich bin da wahrscheinlich der einzige, aber SEAFOOD hat mir besser gefallen. Dessen einziger Vorzug ist, dass er ganz und gar unvorhersehbar ist. Meine Meinung zu dem Film hat sich alle paar Minuten geändert und erst am Ende - als mir schließlich klar wurde, worauf der Film hinauswill - habe ich mich entschlossen, ihn zu mögen. Er beginnt als eine Übung in - an taiwanesische Beispiele erinnernder - Entfremdung und ist in eine Art Dogma-Stil gedreht, verwandelt sich dann in eine minimalistische romantische Komödie zwischen einer selbstmordgefährdeten Prostituierten und dem genauso abgefuckten Cop, der glaubt, er könne sie retten. Dann vergewaltigt er sie, Schluss mit der Komödie. Auf totalen Nihilismus will sich der Film jedoch auch nicht einlassen und bewegt sich letztlich in Richtung Optimismus. In einem Punkt helfen die Nebenwirkungen der Video-Herkunft dem Film sogar: die ausgebleichten Farben passen bestens zum Schauplatz, einem Feriendomizil mitten im Winter.

New York

WARM WATER UNDER A RED BRIDGE
Shohei Imamura, Japan

Vor drei Jahren hat Imamura erklärt, dass DR. AKAGI sein letzter Film sein würde. Obwohl er inzwischen 75 Jahre alt ist, hat der Ruhestand nicht lange gedauert. WARM WATER UNDER A RED BRIGGE ist sein vielleicht reifster Film: das entspannte Porträt einer kleinen Stadt, in dem es dennoch Platz gibt für sexuelle Perversion - der Titel bezieht sich auf die weibliche Heldin Saeko (Misa Shimizu) und ihre Vorliebe, während des Sex Wasser hervorzusprudeln - und schrulligen Humor. Yosuke (der allgegenwärtige Koji Yakusho) ist ein arbeitsloser Angestellter, der das Fischerdorf besucht, in dem sie lebt, nachdem ihm ein Freund erzählt hat, er habe dort eine gestohlene Goldstatue versteckt. In dem Dorf verliebt er sich in Saeko, die er beim Ladendiebstahl im Supermarkt erwischt, und er bekommt einen Job als Fischer. Vieles davon hat man schon in Imamuras THE EEL gesehen, das zentrale Thema des Films jedoch ist ein anderes: jener drehte sich um den Versuch eines Mannes, seine brutalen Handlungen wiedergutzumachen, bei diesem geht es um den Kampf einer Frau, die ihre Selbstverachtung überwinden will. Keiner der bisherigen Filme des Regisseurs schien so sanft: WARM WATER UNDER A RED BRIDGE hat nicht die anarchische Energie seines Werks aus den sechziger Jahren, nicht den Fatalismus von THE BALLAD OF NARAYAMA und BLACK RAIN, und gestattet sich nur einen einzigen Ausbruch jener Gewalt, die THE EEL und DR. AKAGI durchdrang. Auch seine Regie ist vergleichsweise zurückhaltend, kaum einmal scheint die Action über den Rahmen der Bilder hinauszudrängen. Gelegentlich ist er allzu eigenartig, etwa in der Darstellung eines afrikanischen Läufers in Auseinandersetzung mit den rassistischen Fischern, aber alles in allem hat man den späten Imamura noch nicht besser gesehen.

ALL ABOUT LILY CHOU-CHOU
Shunji Iwai, Japan

Die ersten Minuten von ALL ABOUT LILY CHOU_CHOU verbinden wunderbare Kiarostami-artige Bilder eines Jungen auf dem Land, der in die Musik aus seinem Discman vertieft ist mit Text-Zwischentiteln und machen einem Hoffnungen, die der Rest des Films nie erfüllen kann. Iwai erweist sich als talentierter Bildermacher, mit einem guten Auge und Ohr für die Form von Trost, die Kinder in der Musik finden können (wenngleich mich die titelgebende Sängerin, eine Debussy-inspirierte Elfe, deren Musik mit Meditationen zum Thema "Äther" verbunden ist, tödlich gelangweilt hat) - aber er ist kein besonders guter Geschichtenerzähler. Subplots und weitere Charaktere fügt er zur eigentlichen Geschichte, das Ergebnis ist aber nur ambitiös und prätentiös. Gelegentlich will sich der Film mit der gesamten japanischen Jugendkultur auseinandersetzen - die er als eine Abfolge von Hausarbeiten und kleinen-bis-tödlichen Verbrechen betrachtet -, dazu kommt das Internet. Auch bei einer Länge von zwei einhalb Stunden ächzt er unter dieser Last. So viel die Figuren auch über Lily und den Äther daherreden, mehr als vager Mystizismus kommt nicht dabei heraus, während die Jugendliche-und-ihre- Probleme herzlich unoriginell bleiben. Manche der Seltsamkeiten mag daher rühren, dass der Film als bald aufgegebener Roman begonnen hat, den Iwai dann auf eine Website stellte, so dass das endgültige Drehbuch die Botschaften von Lesern und Teilnehmern umfasst. Wie bei TIME CODE ist die Idee von interaktiver Kunst für gewöhnlich reizvoller als ihre Umsetzung.

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Übersetzung: Ekkehard Knörer

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