2009 Lost Memories ist Koreas neuer Blockbuster, in den
Fußstapfen von Shiri, dem seinerzeit (1999) erfolgreichsten koreanischen
Film aller Zeiten. Shiri verband, wie sein Quasi-Nachfolger, Action-Elemente
mit einem Polit-Thema und Thriller-Motiven, stilistisch gelang das Verschmelzen
von koreanisiertem Bruckheimer und Ästhetisierung à la Hongkong.
Was dort jedoch Respekt abnötigte und manchem Hollywood-Vorbildern einiges
voraus hatte, ist hier weitgehend missglückt. 2009 versucht zu viel,
schlingt ein Zeitreise-Paradox, einen Cop-Thriller, diverse Liebesgeschichten
auf verschiedenen Zeitebenen und in Richtung Chauvinismus tendierende
Politelemente arg schwerfällig ineinander.
Auseinander sortiert geht der Plot ungefähr so: im Jahr 1909
ist die Geschichte anders verlaufen als wir sie kennen. Ein Attentat
missglückt, Korea wird nie unabhängig, ist noch im Jahr 2009 ein
Teil Japans (was unter anderem zur Folge hat, dass die meiste Zeit japanisch
gesprochen wird, einer der originelleren Aspekte des ganzen und für
die koreanischen Zuschauer gewiss die nachdrücklichste Verfremdung).
Eine koreanische Terrorgruppe unternimmt einen Anschlag auf eine Ausstellung,
der junge Polizist koreanischer Abstammung Sakamoto ermittelt mit seinem
japanischen Partner und Freund Saigo. Nach und nach stellt sich heraus, dass
die Terroristen hinter einem Kultgegenstand her sind, der das Tor in die
Vergangenheit öffnen und so die Revision der (revidierten) Geschichte
möglich machen kann. Sakamoto muss entdecken, dass er einer großen
Verschwörung auf der Spur ist - und flieht mit knapper Not zu den
Aufständischen.
Das Drehbuch zeigt sich wild entschlossen, nichts auzulassen, wechselt
wilde, aber gänzlich unoriginell in Szene gesetzte, an Bruckheimer eher
als an John Woo orientierte Shootouts mit langsamen Momenten, die die Charaktere
etablieren sollen. Versatzstück wird an Versatzstück gereiht, die
Beziehung der Freunde, die zu Feinden werden, mählich entwickelt, Sakamotos
Vaterkomplex darf nicht fehlen. Inszenatorisch regiert der Vorschlaghammer:
Großaufnahmen, denen die schamlos Hans Zimmer abkupfernde Musik Pathos
leihen soll, aber die Figuren mühen sich über das Reißbrett,
von Klischee zu Klischee. Enervierend sind die Stillstellungen inmitten der
Kampfszenen, bedeutsame Blicke illustrieren nichts als den Mangel an Geist,
der den Film an allen Enden prägt.
Die starke Gegenfigur Sakamotos, Saigo, ist vermutlich als Alibi für
den zunehmend ungescheuten Patriotismus gedacht, unter dessen scheelem Blick
die Japaner bald nichts mehr als tumbe Feinde sind. Bild und Ton feiern den
Augenblick, in dem Sakamoto, gerechtfertigt durch den Tod eines Kindes, alle
Skrupel beiseite stellen und das Metzeln der japanischen Angreifer als Befreiung
empfinden darf. Merkwürdig wenig Raum bleibt am Ende des dramaturgisch
disproportionierten Films für die - durch Erinnerungsblitze an eine
erst noch herzustellende Vergangenheit vorbereitete - Reise zurück ins
Jahr 1909. Gleich drei Zeitreisende löschen hier nun ihre Taten gegenseitig
aus: alles geschieht, wie es sich gehört. Der Weg zur koreanischen
Unabhängigkeit ist bereitet.
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