Vishal Baradwaj: Maqbool  (Indien 2004)

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Mani Ratnam: A Peck on the Cheek  (Indien 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

 

"A Peck on the Cheek" steht in der Tradition von Mani Ratnams kühnen Hybriden aus Bollywood und Politik, also von "Roja", "Dil Se" und "Bombay". Sein jüngster Versuch, die versöhnlerische Form des Masala-Melodrams (hier in einer tamilischen Version) in ein Plädoyer zur politischen Versöhnung umschlagen zu lassen, ist jedoch bei aller noblen Absicht von den Kompromissen, die dabei einzugehen sind, nicht ganz unbelastet.

Die zentrale Frage: Wie weit kann ein solcher Film gehen, wie weit darf er seinen Plot ins Private, wie weit ins Politische treiben, ohne dass die Balance verloren geht? Wo ist die Grenze, an der der Ernst des Politischen vom Populären hintertrieben wird? Viel Raum gibt Ratnam, zunächst, dem privaten Entwurf seines allegorischen Dramas. Kurz nach seiner Geburt wird ein Baby von seiner aus Sri Lanka nach Tamil Nadu geflüchteten Mutter verlassen, ein junger Mann, der Ingenieur und aufstrebende Schriftsteller Thiru schreibt seine Geschichte, unter dem Namen der Frau, die er liebt, Indra. Symbolischer Name, als Plot eine Erzählung von Nachbarskindern, die ihre Liebe hinter der neckischen Vertrautheit, die sie lange verbindet, erst entdecken müssen. Ein Märchen-Liebes-Versatzstück: diesen Charakter unterstreicht Ratnam bewusst, indem er diese lange, sehr schön aus dem Hauptplot ins romantische Milieu davontreibende Vorgeschichte an einem idyllischen Ort am Meer situiert. Die beiden, Indra und Indra, adoptieren, mit der Heirat, das verlassene sri-lankische Kind, Amudha, und der Film springt zurück in die Gegenwart.

In der besten Song&Dance-Sequenz des Films - der ersten - wird Amudha vorgestellt, im rhythmisierten Fast Forward, an der Schule, rennend, wild, lebendig. An ihrem neunten Geburtstag erfährt sie die Wahrheit über ihre Herkunft, die Kamera kreiselt mit ihr um den Vater und stoppt abrupt die Bewegung. Was nun einsetzt, ist eine Bewegung gemäßigterer Art - wenngleich Ratnams Vorliebe für den Flug der Kamera erhalten bleibt, für eine Fluidität des Blicks, die ständig vom Effektbewussten ins Effekthascherische umzuschlagen droht; und genau dann umschlägt, wenn sie durch keine innere Bewegung, die sie unterstreicht, mehr gedeckt ist oder diese nur noch leer behauptet. Die Verdopplung und Verdreifachung - Bewegung des Inneren, äußere Bewegung, musikalische Bewegung - ist das Prinzip des populären indischen Melodrams und Mani Ratnam treibt es zur Vollendung, wenngleich er gelegentlich subtile Disharmonien in den Bild-Text-Ton-Effektverbund schmuggelt. Die Ästhetik Bollywoods ist - bei aller Vorliebe fürs (aber eben gerne auch: faustdick) Allegorische - eine Ästhetik, die das Offensichtliche modelliert, keine Ästhetik des Inwendigen und der Andeutung. Die Modellierung des Offensichtlichen ist, als Kunst, eine Technik der Modulation des Gefühls durch den Effekt, den das Miteinander von Bild, Text, Ton macht, aber auch durch die Wechselbäder, in die das Nacheinander und die Spannungen der Stimmungen den Betrachter werfen, der niemals nur Betrachter sein darf, sondern Erleidender, Mitfiebernder, Überwältigter und Erschlagener.

Wie aber verträgt sich die Gefühlsmassage, deren Meister Mani Ratnam ist, mit dem Politischen? Die gemäßigtere Bewegung, die die zweite Hälfte des Films ausmacht, ist die der Reise. Amudha sucht ihre Mutter. Die Familie begibt sich nach Sri Lanka und der erste beste Mann, mit dem Amudha in ein Gespräch gerät, ist ein Tamile, der gleich darauf sich und einen Bus mit Soldaten der sri-lankischen Armee in einem Selbstmordattentat in die Luft sprengt. So geht das in recht rascher Folge weiter. Man folgt einer falschen Fährte in den falschen Ort zur falschen Shyama und gerät in einen Bombenhagel. Man folgt der richtigen Fährte an den richtigen Ort zur richtigen Shyama und gerät in eine Schießerei, in die Shyama, als tamilische Terroristin selbst verwickelt ist. Die private Geschichte ist spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als der Anlass zur politischen Illustration, die allerdings bis zuletzt privat formuliert wird. Genau hier aber ist der Ort des Unbehagens an "A Peck on the Cheek": In der Sprache der Familienbande - die natürlich auch die der Allegorie ist: verlorene Tochter Indiens, die Adoption als ethisch-politische Maßgabe der Versöhnungsoption - werden einem politische Gefühle aufgenötigt. Der Film bewegt sich in ein Feld des Übergangs als Verwischung, das das Politische und das Private nicht mehr zu trennen erlaubt. Das Junktim ist ohne Frage wirkungsvoll, die Intentionen sind die allerbesten - die Offenheit und mehrfache Lesbarkeit, die noch das Ende von "Dil Se" auszeichnete, fehlt dem freeze frame, mit dem "A Peck on the Cheek" endet.

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