|
Indien |
Mani Ratnam |
|
zur Jump-Cut-Startseite
|
Porträt
bei Upperstall
Porträt
bei Cinescene
Porträt anlässlich von Dil Se
Interview
mit Anita Nair
Kommentare zu einzelnen Filmen bei Clipboard Conversations
|
Geboren 1955 in Madras im indischen Bundesstaat Tamilnadu. Zwar arbeitete
sein Vater im Filmvertrieb - einen Abschluss aber machte Ratnam zunächst
in Business Management. Ohne formale Ausbildung drehte er 1983 mit Pallavi
Anu Pallavi seinen ersten Film, der freilich nicht sehr viel Aufsehen
erregte. Ein Erfolg wurde Mouna Ragam, die Kritik wie das Publikum
begeisterte Nayakan, die an Coppolas Der Pate angelehnte Geschichte
eines Gangsterbosses in Bombay: der Film war der indische Oscar-Vorschlag
des Jahres 1987.
Internationales Aufsehen erregte Ratnam erstmals mit seiner Trilogie von
Filmen, in denen er Liebesgeschichten mit politischen Themen (Kaschmir,
Terrorismus, Muslim-Hindu- Konflikte) raffiniert verbindet: Roja (1992),
Bombay (1995) und das in Indien selbst wenig beliebte Meisterwerk
Dil Se (1998) - Dil Se war auch Ratnams erster in Hindu gedrehter
Film, nachdem die synchronisierte Version von Roja ein großer
Erfolg geworden war. Keiner dieser Filme war politisch unumstritten - seit
Bombay muss sich Ratnam vor angedrohten Anschlägen schützen.
Nicht zuletzt haben Ratnams Films - seit Roja - den ebenfalls tamilischen
Komponisten A.R. Rahman zum derzeit größten Superstar der indischen
Film- und das heißt hier immer auch: Popmusikszene gemacht; sein Erfolg
scheint nach Bombay Dreams, der Londoner Musical-Kooperation mit Andrew
Lloyd Webber, auch im Westen nicht mehr aufzuhalten. Ähnliches gilt
für Ratnams häufigen Kameramann Santosh Sivan, der sich mit den
Filmen The Terrorist (für
den Westen entdeckt von John Malkovich) und dem Historien-Blockbuster Asoka
inzwischen selbst einen Namen als wichtiger indischer Regisseur gemacht hat.
Dil Se |
|
|
|
Kritiken bei Jump Cut
Yuva
|
|
Stilistisch flüchtet sich Ratnam in Feuerwerksveranstaltungen, rafft
und dehnt die Bewegung zum Videoclip, fällt vom Bollywood-Klischee ins
MTV-Klischee. Wenig motiviert wirken auch die sich an Hongkong anlehnenden
Actionsequenzen. "Yuva" ist ein Film, der von allem etwas zu bieten hat.
Aber auch einer, der, zwar unterhaltsam, zwar virtuos inszeniert, sehr deutlich
macht, dass das zu wenig ist, wenn nicht klar wird, wozu. |
A Peck on the Cheek
|
|
Die private Geschichte ist spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht
viel mehr als der Anlass zur politischen Illustration, die allerdings bis
zuletzt privat formuliert wird. Genau hier aber ist der Ort des Unbehagens
an "A Peck on the Cheek": In der Sprache der Familienbande - die natürlich
auch die der Allegorie ist: verlorene Tochter Indiens, die Adoption als
ethisch-politische Maßgabe der Versöhnungsoption - werden einem
politische Gefühle aufgenötigt. Der Film bewegt sich in ein Feld
des Übergangs als Verwischung, das das Politische und das Private nicht
mehr zu trennen erlaubt. |
Alai Payuthey
|
|
Das alles geht ab nicht ohne Sentiment, oder eher: große Gefühle.
Sentimental nämlich ist das eigentlich nicht. Die Zuspitzungen sind
stets Verdeutlichungen, hoch emotionale Formulierungen von Dilemmata, die
im Realen wurzeln. Nach dem Überschwang des Beginnens steuert Alai Payuthey
auf die Beschreibung einer emanzipierten Ehe zu, mit allen Problemen, die
nicht ausbleiben können, wenn man von den traditionellen Bindungen,
aus denen man sich gewaltsam gelöst hat, längst nicht frei ist.
Die Komik, in Bollywood oft ins Drastische übersteigert, ist hier zu
Humor gemildert; alle Forcierungen, auch die zum melodramatischen Ende, bleiben
gedeckt durchs Thema, das Ratnam hier in vollendet gelungener Individualisierung
verhandelt. |
Dil Se
|
|
Damit wird der an nicht ineinander aufgehenden Oppositionen reiche Film
um eine weitere ergänzt. Offensichtlich ist die zwischen der Stadt (und
ihren modernen Sitten in der, siehe Monsoon Wedding, typischen Ausprägung
des bewussten Rückgriffs auf alte Heiratstraditionen) und dem
Land - Amar bewegt sich vom vertrauten Bereich in den fremden, Meghanas Bewegung
ist die umgekehrte. Amars Aufgabe ist die Dokumentation des Terrorismus,
statt aber bloßer Beobachter zu bleiben, verliebt er sich in die
Terroristin. Ihr, die - nun auf seinem Terrain, in der Stadt - ganz und gar
auf den Anschlag konzentriert sein sollte, kommt die Liebe dazwischen. So
treffen Terrorismus und Liebe als Gegensätze in der Terroristin Meghana
zusammen - und zwar unlösbar, unüberwindbar. |
Bombay
|
|
Auch in diesem Film schlägt die Stimmung um, es kommt zu den
religiös motivierten Anschlägen der Jahre 1992 und 1993, mit
entschiedenem Willen zum Dokumentarischen jagt die Handkamera einerseits
durch Stätten der Verwüstung, dreht sie sich insistierend andererseits
um eine Zeitungsmeldung vom Anschlag. In den Hindu-Moslem-Konflikt wird die
private Geschichte, auf diesen Zusammenhang hin thematisch natürlich
bestens präpariert, hineingeflochten und familial erweitert: die
Zwillingssöhne und die unerwartet in Bombay auftauchenden Elternpaare,
die untereinander erst die Farcen-Version des Religionskonflikts austragen,
dann aber die versöhnende Botschaft des Films zu verkörpern beginnen. |
Thiruda...Thiruda
|
|
"Thiruda...Thiruda" ist, in der Vollstreckung der schieren Lust an Dynamik,
der Narration, der Züge und Kutschen, der Pferde und rennenden Menschen,
geradezu perfekte Unterhaltung, reine Form, die die Zufälle feiert,
wie sie fallen, ohne Rücksicht auf die Zügel der Psychologie und
der Wahrscheinlichkeit, auf Sinn und Verstand. Ein Vertrauen darauf, dass
der Sinn aus dem Tempo, dem Timing, der Frequenz der Running Gags, der
Eigendynamik des Gegen- und Miteinanders von Komik, Sentiment und Spannung
sich offenbart, als eine Notwendigkeit, die keinen anderen Grund hat als
den ihrer Form. |
Roja
|
|
Die production values also sind sämtlich großartig,
handwerklich kann Ratnam wie Sivan niemand in Indien etwas vormachen. Am
aufregendsten wohl eine lange Handkamerabewegung durchs Dorf der
Kaschmir-Rebellen; strahlend schön - und fraglos kitschig - die ins
Bild gerückten Berglandschaften, Frühlingsfelder, Wasserfälle.
Dennoch bleiben die ästhetischen Reibungsflächen zu glatt: allzu
eindeutig sind die Sympathien verteilt, zu patriotisch ist der Held und sind
die Songtexte und gänzlich unüberzeugend gerät die Bekehrung
des Rebellen. |
|
|
|
"It is important to me that I make films I am proud of. And who said
good films can't be entertaining."
(Interview
mit Anita Nair)
.
|
|
|