Schwerpunkt Japan: Kinji Fukasaku: Battle Royale  (2000)

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Kinji Fukasaku: Battle Royale  (2000)

Japan 2000

Regie: Kinji Fukasaku

Mit Takeshi Kitano

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Kinji Fukasaku: Battle Royale  (2000)
Kritik von Ekkehard Knörer

zum Asien-Schwerpunkt

Das Setting ist Vorwand: gar nicht ferne japanische Zukunft, Schüler terrorisieren die Lehrer, Erziehung wird unmöglich, das Soziale löst sich auf. Die Antwort: ein totalitäter Staat, Militär marschiert auf. Aber der Lehrer, der attackiert und abserviert wird, ist Takeshi Kitano - er heißt im Film: Kitano, was ja sein Künstlername für die Kunst ist, im Fernsehen heißt er Beat Takeshi, man ahnt also schon, dass da was kommen wird. Was kommt, ist ein Racheplan, ganz eng an die Survivor-Reality-TV-Idee angelehnt, aber forciert mitten hinein in den tödlichen Ernst. Oder auch, über die Kitano-Persona formuliert, eine Abwandlung und Verschärfung des Konzepts von Takeshis Castle, in dem der blanke Sadismus ohnehin auch schon drinsteckt, genauso wie in Survivor. Das Spiel, das Kitano sich ausgedacht hat: die ganze Klasse - in Schuluniform! - auf einer evakuierten Insel aufeinander hetzen, unter Aufsicht des Militärs, in einer homogenen Zone, per Lautsprecher dringt seine Stimme überall hin. Die Spielregeln sind einfach, nur einer darf nach drei Tagen am Leben sein, man bekommt ein explosives Halsband umgelegt und sollten, wider Erwarten, am dritten Tag noch mehrere übrig sein, werden sie miteinander in die Luft gejagt: Nur einer kann gewinnen. Jeder der Nächsten ist der Konkurrent ums blanke Überleben.

Das ganze ist eine Art Fortsetzung des Benthamschen Gefängnisses unter der nochmal verschärften Bedingung eines Hobbesschen Kampfes aller gegen alle. Also der Schritt zurück hinter die Vergesellschaftung, hinter das Soziale, das dem letzten Härtetest ausgesetzt wird. Biopolitik, von aller moralischen Ummäntelung befreit, zu nichts gut als einem gottgleichen Vergnügen an den herausgetriebenen tiefsten Instinkten. Genau darum geht es: wie sich, wenn jeder ein Mörder nicht nur sein darf, sondern sogar sein soll, in der Beinahe-Ununterscheidbarkeit von spieltheoretisch ausgetüftelten Schein-Solidaritäten und dem schlicht menschlich Guten, das die Verrohung verweigert, so etwas zeigt, wie das nicht auseinanderdividierbare Zugleich von Instinkt und Sozialem in Ur- und Reinform. Das Drehbuch ist brillant, macht es sich an keiner Stelle zu leicht. Führt Varianten vor, Formen, das ganze Spektrum: Von der Verweigerung des Spiels im Selbstmord - für die es keine Belohnung gibt in diesem Leben, von einem anderen gibt's keine Spur. Die Insel, über die Kitano herrscht, ist das Lager, ist die Zone, aber Battle Royale verfällt nie in den Fehler der Unterschätzung des Individuellen - wie auch allererste Befürchtungen, es könne sich um eine bloße dumme Satire handeln, die, à la Natural Born Killers, an der Gewalt partizipiert, die sie kritisiert, sich sofort zerstreuen. Der Film ist weder verlogen noch pathetisch: hat nur einen ganz kühlen, sachlichen Raubtierblick auf die Verhältnisse des Zwischenmenschlichen.

Und er hat eine wunderbare Verkörperung des Raubtiers in Takeshi Kitano, der wie in allen seinen Filmauftritten (in den eigenen Filmen, aber auch bei anderen Regisseuren, etwa in Tokyo Eyes) ein Schauspieler ist, der fast nichts darstellen muss, dessen Präsenz allen Effekt macht, den man sich nur wünschen kann. Nichts ist hier transparent auf psychologische Lesbarkeit hin. Kitano steht im Raum, zieht leicht das Bein nach, das Gesicht ist eine Maske, die nichts ausdrückt, aller Charakter scheint reduziert auf das gelegentliche unwillkürliche Zucken. Kitano ist das feste Fundament, ja, der Anker, der verhindert, dass sich der Film, dem Countdown zum Tode, der überspitzten Gewaltdarstellung zum Trotz, als Videogame ohne weitere Folgen selbst erledigt. Immer wieder kehrt, als Kontrapunkt zur Bewegung, zum Kämpfen auf Leben und Tod, der Blick zurück auf Kitano, auch auf die Stillleben mit Militär und ironisch-pathetischer Musik; in diesen Momenten sind wir fast bei der ästhetischen Auflösung des Militärischen, die Claire Denis in Beau Travail vorführt. Groß die Szene, in der Kitano aus dem Nichts auftaucht, seiner Gottgleichheit wegen die pure Epiphanie, aber natürlich gebrochen: ein Gott als Gentleman, der einen Regenschirm reicht. Und ein Gott, dem es an der letzten Konsequenz der Grausamkeit mangelt, gewiss dem filmischen Happy-End zuliebe, aber auch als ganz glaubwürdiger, das Enigmatische noch verstärkender Charakterzug.

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