Ein Mann im Kapuzenmantel betritt den Saloon, knallt alle ab,
die sich darin befinden. Draußen, Staub hängt in der Luft, entledigt
er sich des Mantels, darunter eine weiße Hose, ein weißer Pullunder,
weg damit, über den nackten Körper zieht der Mann den Kapuzenmantel.
Dann: Außer Landes gebracht werden soll, im Bus, der durch eine
Wüstenlandschaft fährt, vorneweg ein Polizeifahrzeug, eine Frau.
Es nähert sich ein Hubschrauber, darin mit Maschinengewehr der Mann
aus dem Saloon, er tötet die Polizeibegleitung, reicht der Frau die
Hand und nimmt sie mit, davon geht es mit dem Hubschrauber bis man über
der Stadt ist, dort springt man ab aus atemberaubender Höhe. Das sind,
voilà, Mario und Kei, Brasilianer er, Chinesin sie, das Paar, unsere
Helden. Willkommen bei Takashi Miike.
Miike ist klug genug, nicht auf dem Temponiveau des Beginns weitermachen
zu wollen. Er entwickelt erst einmal eine Geschichte. Mario und Kei, die
Unterschlupf finden im brasilianischen Viertel von Tokio, verstricken sich
auf der Suche nach Geld für die Flucht außer Landes in eine üble
Drogengeschichte, bringen Yakuza wie Triaden gegen sich auf (von Lucia, der
früheren Geliebten Marios, ganz zu schweigen). Auf vergleichsweise ruhige
Passagen folgen immer wieder durchgeknallte Höhepunkte, Hahnenkämpfe
etwa, als Momente des comic relief der brachialen Art, was genau sie freilich,
außer als Elemente brasilianischer Folklore, in dem Film verloren haben,
ist nicht ganz klar. Die drei Parteien, die sich in Frontstellung zueinander
gruppiert haben, Mario und Kei, die Chinesen und der Yakuza, der eben mal
unter seinen Vorgesetzten aufgeräumt hat, mit seinem
brasilianisch-japanischen Sidekick, treffen zu blutigen Showdowns aufeinander,
das gibt dem Film, der so viel erzählt, dass man schon mal den
Überblick verlieren kann, seinen Rhythmus.
Das Erstaunliche ist, dass sich City of Lost Souls nicht im
kunterbunten Durcheinander verliert, dass der Film seinen Figuren, trotz
der mehrfachen Auflösung des Plots in reine Action oder reine Farce,
einen gewissen Ernst bewahrt, ein Interesse, das einen an ihnen dranbleiben
lässt. Einer der Gründe dafür ist, dass der Film, allen Updates
und absurden Genre-Variationen zum Trotz, im Herzen das bleibt, was zu sein
er ganz am Anfang verkündet: ein Western, von der Sorte, bei der einer
in die von korrupten Banditen beherrschte Stadt kommt und gründlich
aufräumt. Das liegt - auch - daran, dass Miike trotz seiner ungeheuren
Produktivität stets ein glänzender Stilist bleibt, der nicht die
billigen Effekte sucht, bei dem in jedem Schnitt eine Art Gedanke sichtbar
bleibt. Kein tiefsinniger Gedanke, weiß Gott nicht, aber allemal eine
leichte Verschiebung in der üblichen Sicht auf die Dinge, eine kleine
oder eine große Überraschung. Man kann nie sicher sein, was als
nächstes passiert, auf der Ebene des Plots wie der des Stils. Die
groteskesten unter Miike Einfällen kommen aus dem Nichts, erwischen
einen, trotz allem, immer wieder auf dem falschen Fuß. Der Titel etwa
bezieht sich, auch wenigstens, auf einen Moment, in dem parallel zu einem
Zug eine von irgendwo nach nirgendwo fahrende Kolonne mit geisterweiß
gewandeten Radfahrern an den Figuren, am Dialog, an der Geschichte, am Zuschauer
vorbeizieht. Dieser abstrusen Einfälle wegen verzeiht man Miike viele
Szenen, deren Pointen sich auch bei genauerem Nachdenken nicht recht
erschließen wollen. Man wird für jeden Moment der Langeweile stets
aufs beste entschädigt. Da kann man nicht klagen.
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