Strange to meet you
Seit 1986 hat Jim Jarmusch bereits Vorarbeiten geleistet für seinen
Film Coffee and Cigarettes. Damals hat er sich Robert Benigni und
Steven Wright in einem heruntergekommenen Café irgendwo in New York
treffen lassen. Die beiden scheinen sich kaum zu kennen, begrüßen
sich mehrfach umständlich und sinnieren schließlich - ganz im
Stil des Smalltalks - über den Genuss von Kaffee und Zigaretten. Als
die Unterhaltung schließlich zu versanden droht, zückt Steve einen
Zahnarzttermin aus der Tasche, zu dem er jedoch gar nicht gehen will. Roberto,
freundlich wie er ist, nimmt ihm den Termin ab und muss dann aber schnell
aufbrechen ("I have a dentist apointment. I'm already late!") So driften
die beiden auseinander und der Film ist nach fünf Minuten vorbei. Durch
den Erfolg, den Jarmusch mit Coffee and Cigarettes hatte, angespornt,
hat er 1989 und 1993 zwei weitere Kurzfilme gedreht, die sich desselben Settings
bedienen und ebenfalls skurrile kleine Geschichte von sich im Kaffeehaus
treffenden Fremden und Freunden erzählen. Nun sind acht weitere Treffen
hinzugekommen und der 96 Minuten lange Episodenfilm Coffee and
Cigarettes entstanden.
Das Prinzip, nach dem Jarmusch die einzelnen Kurzfilme aneinander reiht,
offenbart sich erst nach und nach. Scheint das gemeinsame zunächst nur
der Ort der Handlung (elf verschiedene Cafés quer über die USA
verteilt) zu sein, so bilden sich doch zusehends Kohärenzen zwischen
den einzelnen Figuren und Situationen. Auch verliert sich der anfangs mehr
komische Charakter der Situationen mehr und mehr und weicht teilweise recht
bitteren existenzialistischen Reflexionen - bis hin zur letzten Episode,
in der nicht ganz klar wird, ob der Protagonist das Treffen "überlebt"
hat. Daneben inszeniert Jarmusch die alltäglichen Missverständnisse,
die sich für ihn gerade durch solche Zufallstreffen immer wieder ereignen,
intensiv im Dialog zwischen den Figuren. So versteht Tom Waits in der Episode
"Somewhere in California" etwa alles, was sein Gegenüber Iggy Pop ihm
sagt und vorschlägt als Kritik an seiner Musik. Und die locker befreundeten
Isaach und Alex, verstricken sich in "No Problem" in einem regelrechten Konflikt,
weil der eine nicht glauben will, dass das Treffen "nur so" und ohne, dass
ein Problem vorliegt, stattfindet. Die beiden "Cousins"-Episoden
schließlich handeln von neidhaften familiären Verbindungen, die
unter der Oberfläche augenscheinlich zwangloser und freundlicher Kurztreffen
im Café schwelen.
Mit Coffee and Cigarettes beweist Jarmusch einmal mehr, dass er ein
ganz eigenes Bild von "Americana" verfolgt und auf die Leinwand zeichnet.
Oft hat er in seinen Filmen Bedrohlichkeit in der Interaktion der Protagonisten
und selbst in der Darstellung von Orten gezeigt (Bilder, die nicht selten
an die seiner Kollegen John McNaughton oder Martin Scorsese erinnern). Doch
Jarmusch entlarvt jede brenzlige Situation als im Grunde komisch. In Coffee
and Cigarettes schrumpft er dieses Prinzip auf Miniatur-Szenen ein. Damit
verbindet er das unangenehme Gefühl, das der Film eigentlich in jeder
Episode verbreitet und das komische Potenzial, das sich mehr oder weniger
offen darlegt, zu einem Lebensgefühl der amerikanischen Mittelschicht,
wie sie sonst nicht im Kino gezeigt wird. Nichts muss einen Sinn haben, alle
Handlungsmöglichkeiten sind offen und oft genug findet etwas nicht statt,
was sich doch so sehr andeutet. Das Leben ist eben anders als der Film. Jarmusch
zeigt das elf Mal.
Coffee and Cigarettes
(USA 2003)
Regie & Buch: Jim Jarmusch
Kamera: Tom DiCillo, Frederick Elmes, Ellen Kuras, Robby Müller; Schmitt:
Jim Jarmusch, Terry Katz, Melody London, Jay Rabinowitz; Musik: Div.
Darsteller: Roberto Benigni, Steven Wright, Joie Lee, Cinqué Lee,
Steve Buscemi, Iggy Pop, Tom Waits u.a.
Länge: 96 Minuten
Verleih: Pandora Film
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