Jack Stevens ist Schriftsteller, jedenfalls wäre er es gerne.
Ein befreundeter Verlagschef verlangt ein Buch über Fußball von
ihm, daran verzweifelt er. Er besinnt sich, mit Hilfe seines im
südafrikanischen Sun City lebenden Vaters, auf seine Ursprünge:
dort nämlich, in Sun City, wurde Jack in einem Casino geboren, Sohn
eines Spielers, ausgebildet als Croupier. Er stellt sich im Londoner
Mittelklasse-Casino The Golden Lion vor, überzeugt durch
Fingerfertigkeit und moralischen Stoizismus, den er angesichts der vorgelegten
Regeln an den Tag legt: der Croupier darf nicht selber spielen, kein
Verhältnis mit weiblichen Kolleginnen haben, keine Freundschaft mit
den männlichen. Bei zufälligen Begegnungen außerhalb des
Spielsalons darf er nicht zu erkennen geben, dass er einen Spieler oder eine
Spielerin erkennt. Es kommt, wie es kommen muss, Jack bricht, bis auf die
erste, sämtliche Regeln, wenngleich meist nicht aus eigenem
Antrieb.
Von nun an bewegt sich Jack zwischen Job, Schreibmaschine und drei
Frauen. Das Casino wird ihm zum Objekt des Buches, das er schreibt, der
gewissenlose Protagonist Jake wird ihm zum Alter Ego, die Membran zwischen
Leben und Fiktion wird, Kapitel für Kapitel, durchlässig. Der Film
selbst, das ist seine große Stärke, verzichtet ganz souverän
darauf, dem Betrachter die nötigen Orientierungs- und Anhaltspunkte
in diesem Durcheinander zu geben. Narrative Stabilisierungen gibt es nur
zum Schein: so etwa einen Erzähler aus dem Off, der mal Jack selbst
zu sein scheint, dann wieder nicht, in seinem mokanten Ton jedoch aller
Off-Erzähler-Neutralität Hohn spricht. Die Beziehungen zu den drei
Frauen werden elliptisch abgehandelt, narrative Brüche und Sprünge
werden an keiner Stelle zusammen gereimt, der Betrachter muss sich angesichts
der Nonchalance, mit der vieles unerklärt bleibt, immer wieder die
frappierenden Unklarheiten erst bewusst machen. Erzählt und geschnitten
ist der Film nämlich so kurzweilig und elegant wie es die Bewegungen
des Croupiers sind, der die Karten immer in der Hand hat und in jedem Fall
den Eindruck vermittelt, der Herr des Geschehens zu sein.
Er selbst, der Croupier, ist am allerwenigsten Anhaltspunkt, seinen
Zügen ist nichts abzulesen, ungerührt und ausdruckslos ist er das
leere Zentrum einer Geschichte, die sich nur unter der Hand entwickelt. Das
Vexierspiel funktioniert, weil die kühle Stilisiertheit des Arrangements
wie der Inneneinrichtungen, der Settings und der Szenerien Fragen nach Realismus
und Wahrscheinlichkeiten stets auf Distanz hält - Nachfragen gleiten
unterm amüsierten Lächeln der flinken Hütchenspieler-Regie
von der glatten Oberfläche des Films ab. So bleibt letztlich unbeantwortet,
worum es in Croupier eigentlich geht, aber auch wer Marian, Jacks Freundin,
getötet, wer Bella, seine Geliebte und Kollegin, verpfiffen hat. Jack
stellt diese Fragen nicht. Er macht nur seinen Job. Er beobachtet. Er ist
das Poker-Face, das alle Auskunft verweigert. Er nimmt die Frauen, wie sie
kommen. Er willigt ins Verbrechen ein, von dem unklar ist, wie er es nicht
begehen sollte. Und am Ende ist er der betrogene Betrüger. Oder auch
nicht. Sein Roman wird ein Erfolg und Jack findet zu sich selbst als Croupier.
Vielleicht ist das die ganze Geschichte.
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