Was Subjekte zusammenhält, ist die Erinnerung. Erinnerungen
machen Leute, die Vergangenheit macht den Mann und was einer ist, bestimmt
sich vor allem darüber, wie er sich erinnert. Sich: reflexiv, aber auch
als Objekt. Ich mache mich durch Erinnern zu dem, der ich bin. Ich bin, eher
zuerst als zuletzt, mein Gedächtnisstil. Weniger was ich tue, als wie
ich mir zurechtlege, was ich getan habe.
Gehirnwäsche, als Vernichtung von Erinnerung, als künstliche
Neu-Errichtung falscher Erinnerung, ist also die zentrale Metapher der
Zerstörung des Subjekts. Das Subjekt, das sich falsch erinnert (und
damit zu Dingen imstande ist, die es nicht tun will), ist ein falsches,
ein gefälschtes Subjekt. Und als solches keines mehr, weil zur Idee
des Subjekts die Herrschaft übers Erinnern gehört. Subjekte
fälschen sich selbst, indem sie sich erinnern: darin liegt ihre
Authentizität.
Ein Jedermann ist der Held von Cypher. Und, auf den ersten
Blick, doch kein Held, denn Helden sind die emphatischste Form von Subjekten
und der Action-Film macht aus dem Erinnern in Rücksicht auf Darstellbarkeit
Gegenwart. Der Action-Held bestimmt sich handelnd selbst. Zugleich aber braucht
der Action-Held keine Vergangenheit. Er ist ganz Gegenwart und je weniger
er über sich weiß, desto effektiver tötet er. Der effektivste
Action-Held ist die Maschine und die Terminator-Serie stellt die subtilsten
philosophischen Erörterungen darüber an, was es für die Maschine
bedeutet, erinnerungsfähig zu werden. (Den Tod, am Ende. Freilich ist
die Maschine seit Terminator 2 als eine, die nicht mehr tötet,
bereits vermenschlicht.)
Philip K. Dick, um diesen letzten Umweg noch zu
machen, ist der Autor, der in immer neuen Versuchsanordnungen den Helden
als einen vorgestellt hat, der gerade dadurch zu sich selbst findet, dass
er den falschen Erinnerungen und den falschen Wirklichkeiten auf die Schliche
zu kommen versucht. Und scheitert. Denn der Held unter den Bedingungen des
epistomologischen Zweifels an der Welt wie an sich selbst kann nur ein Anti-Held
sein. Arnold Schwarzenegger an diese Stelle zu setzen - wie in der
Dick-Verfilmung "Total Recall" geschehen - kann nur zu merkwürdigen
Inkosequenzen führen.
Der Held von Cypher trägt mehr als einen Namen. Als Morgan
Sullivan wie als Jack Thursby ist er ein Anti-Held Dickschen Formats, Spielball
falscher Erinnerungen und der Konzerne, die ihm diese Erinnerungen anzudienen
versuchen. Indem jedoch Jack Thursby sich erinnert, Morgan Sullivan zu sein,
scheint er seinen Status als Subjekt wieder herstellen zu können, die
Maske und Jeremy Northams Verwandlung von der grauen Maus zum einnehmenden
Mann jedenfalls behaupten das mit Nachdruck. Wie Thomas Christian Anderson
widersteht er der Welt, die die Konzerne oder Maschinen für ihn fabulieren.
Auch die Matrix ist ja ein Gehirnwaschsalon.
Und wie in der Matrix ist das in Cypher doch auch nicht so
einfach, denn in den Subjektstatus kann sich Sullivan/Thursby nur dank der
Hilfe von außen retten. Drei Fronten sind es, zwischen denen der Held
wie eine Billardkugel hin- und hergespielt wird, ohne zu wissen, wie ihm
geschieht. Herr ist er nur, oder: immerhin, über dieses Nichtwissen.
Er kommt zu sich, ohne je genau bestimmen zu können, wer genau der ist,
zu dem er kommt. Ob er der ist. Oder ein anderer. Nur die Idioynkrasien sind
ein Anhalt. Aber ist einer schon ein Subjekt, weil er weiß, was er
gerne raucht oder trinkt? Nichts, lehrt uns die Werbung - bekanntlich die
größte Gehirnwäscheagentur der Wirklichkeit -, ist
manipulierbarer.
Die Wende, die Cypher nimmt, als Schlusspointe, ist ein
Rückfall. Der Held erinnert sich und wird, runderneuert, Subjekt. Ohne
Abstriche. Ein Subjekt, das noch die Gehirnwäsche zum Mittel machen
kann, ein anderer zu werden, um zuletzt es selbst zu sein. Ein Mann, der
sich selbst gefälscht hat, ohne sich zu verlieren. Ein Mann, der der
eigenen Fälschung auf die Schliche kommt und so allem Zweifel entgeht.
Ein Mann, der sich selbst zum Objekt machen kann. Ein solcher selfmade
Mann ist das Subjekt schlechthin. Tiefes 19. Jahrhundert.
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