Alan Parker: Das Leben des David Gale (USA 2002)

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Alan Parker: Das Leben des David Gale (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

zum Interview mit Kevin Spacey

 Berlinale-Kritik

Die stärkste Einstellung von Alan Parkers Film „The Life of David Gale“ ist die erste: im Vordergrund ein Feld vor weiter Landschaft, im hinteren Drittel des Bildes eine Straße, ein Auto mit qualmendem Motor. Daraus steigt eine Frau und rennt so schnell sie kann. Man weiß nicht, wohin, man weiß nicht, warum. Aber man wird es erfahren, denn auf Schließungen offener Klammern, auf Erklärungen aller Art ist der Film aus, über alle Umwege hinweg, die er nimmt, die er sucht und die er in Richtung abstruser Auflösungen am Ende wieder verlässt.

Am Anfang steht ein journalistischer Auftrag. David Gale (Kevin Spacey), einst renommierter Philosophieprofessor in Austin, Texas und zugleich einer der prominentesten Gegner der Todesstrafe, sitzt nun selbst als verurteilter Mörder in der Todeszelle. Er bittet Bitsey Bloom (Kate Winslett) – die Frau, die wir rennen sahen – zum exklusiven Gespräch, drei Tage lang, am vierten folgt das Schlusskapitel: seine Hinrichtung. Keineswegs will er dem Tod durch Injektion entgehen, nur die Wahrheit, fleht er, soll ans Licht, seines Sohnes, seiner Familie wegen, die ihn nicht länger für einen Mörder halten soll. Die Gespräche zwischen Gale und Bloom bebildert Parker als Rückblenden, die sich in der Annäherung an die Gegenwart zu einer wahrhaft unglaublichen Geschichte verdichten, in der am Ende nichts ist, was es schien. Allerdings, so viel zur Raffinesse des Drehbuchs: das ahnt man schnell – und auch die letzte Pointe kennt man lange, bevor sie dann ins Bild findet.

Ohne zu viel zu verraten, ist so viel zu sagen: „The Life of David Gale“ nähert sich dem Thema Todesstrafe auf denkwürdig absurde Weise. In der Auflösung erweist sich der Film nicht nur als himmelschreiend unglaubwürdig in seinen Motiv-Konstruktionen, sondern schlicht als reaktionär. Gewiss: Gezeigt wird die Möglichkeit eines Justizirrtums, hingerichtet werden soll ein Unschuldiger. Die Umstände aber, unter denen das geschieht, entwerten die politische Aussage des Films vollständig. Das Argument des möglichen Irrtums erweist sich als plumpe Fälschung, den Gegnern der Todesstrafe spielt das Drehbuch gezinkte Karten in die Hand.

Hinter dieser kaum fassbaren Torheit verschwinden beinahe all die anderen Untugenden, an denen der Film nicht arm ist. So wird etwa der komplexe Gegenstand im letzten Drittel ohne jeden vernünftigen Rest in eine mechanisch dahinklappernde Thriller-Maschine gesteckt, mit allem Drum und Dran wie tickenden Uhren, bebenden Lippen und brüllender Streicher-Musik. Und während es Kevin Spacey in den „Schiffsmeldungen“ vom letzten Jahr immerhin noch gelungen ist, inmitten eines unsäglichen Films seine schauspielerische Würde zu bewahren, muss man nun mit Bedauern feststellen, dass er das so überdeutliche wie manipulative Spiel, das Alan Parker hier treibt, grimassierend mitspielt . Seine viel gepriesene Fähigkeit zur darstellerischen Reduktion muss ihm irgendwo tief in Texas abhanden gekommen sein.

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