Die stärkste Einstellung von Alan Parkers Film The
Life of David Gale ist die erste: im Vordergrund ein Feld vor weiter
Landschaft, im hinteren Drittel des Bildes eine Straße, ein Auto mit
qualmendem Motor. Daraus steigt eine Frau und rennt so schnell sie kann.
Man weiß nicht, wohin, man weiß nicht, warum. Aber man wird es
erfahren, denn auf Schließungen offener Klammern, auf Erklärungen
aller Art ist der Film aus, über alle Umwege hinweg, die er nimmt, die
er sucht und die er in Richtung abstruser Auflösungen am Ende wieder
verlässt.
Am Anfang steht ein journalistischer Auftrag. David Gale (Kevin Spacey),
einst renommierter Philosophieprofessor in Austin, Texas und zugleich einer
der prominentesten Gegner der Todesstrafe, sitzt nun selbst als verurteilter
Mörder in der Todeszelle. Er bittet Bitsey Bloom (Kate Winslett)
die Frau, die wir rennen sahen zum exklusiven Gespräch, drei
Tage lang, am vierten folgt das Schlusskapitel: seine Hinrichtung. Keineswegs
will er dem Tod durch Injektion entgehen, nur die Wahrheit, fleht er, soll
ans Licht, seines Sohnes, seiner Familie wegen, die ihn nicht länger
für einen Mörder halten soll. Die Gespräche zwischen Gale
und Bloom bebildert Parker als Rückblenden, die sich in der Annäherung
an die Gegenwart zu einer wahrhaft unglaublichen Geschichte verdichten, in
der am Ende nichts ist, was es schien. Allerdings, so viel zur Raffinesse
des Drehbuchs: das ahnt man schnell und auch die letzte Pointe kennt
man lange, bevor sie dann ins Bild findet.
Ohne zu viel zu verraten, ist so viel zu sagen: The Life of
David Gale nähert sich dem Thema Todesstrafe auf denkwürdig
absurde Weise. In der Auflösung erweist sich der Film nicht nur als
himmelschreiend unglaubwürdig in seinen Motiv-Konstruktionen, sondern
schlicht als reaktionär. Gewiss: Gezeigt wird die Möglichkeit eines
Justizirrtums, hingerichtet werden soll ein Unschuldiger. Die Umstände
aber, unter denen das geschieht, entwerten die politische Aussage des Films
vollständig. Das Argument des möglichen Irrtums erweist sich als
plumpe Fälschung, den Gegnern der Todesstrafe spielt das Drehbuch gezinkte
Karten in die Hand.
Hinter dieser kaum fassbaren Torheit verschwinden beinahe all die
anderen Untugenden, an denen der Film nicht arm ist. So wird etwa der komplexe
Gegenstand im letzten Drittel ohne jeden vernünftigen Rest in eine
mechanisch dahinklappernde Thriller-Maschine gesteckt, mit allem Drum und
Dran wie tickenden Uhren, bebenden Lippen und brüllender Streicher-Musik.
Und während es Kevin Spacey in den Schiffsmeldungen vom
letzten Jahr immerhin noch gelungen ist, inmitten eines unsäglichen
Films seine schauspielerische Würde zu bewahren, muss man nun mit Bedauern
feststellen, dass er das so überdeutliche wie manipulative Spiel, das
Alan Parker hier treibt, grimassierend mitspielt . Seine viel gepriesene
Fähigkeit zur darstellerischen Reduktion muss ihm irgendwo tief in Texas
abhanden gekommen sein.
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