Aus der Wut heraus
Seinen großen Durchbruch hatte Kevin Spacey (43) vor sieben Jahren,
als er Kritiker und Zuschauer mit dem Krimi "Die üblichen
Verdächtigen" - für den er seinen ersten Oscar erhielt - und David
Finchers Thriller "Sieben" begeisterte. Seither kann sich Spacey seine Rollen
aussuchen. In "Das Leben des David Gale" von Alan Parker spielt er einen
Todeskandidaten, der in einem Wettlauf gegen die Zeit seine Unschuld beweisen
muss.
Frage: Mr. Spacey, wie versetzt man sich in die Psyche eines Todeskandidaten?
Kevin Spacey: Ich führte sehr intensive Gespräche mit einer
Professorin, einer vehementen Aktivisten gegen die Todesstrafe. Nicht nur,
um ihre Beweggründe zu erfahren, sondern auch, wie ihr akademisches
Leben mit ihrem Aktivismus zusammenhängt und was es für ihren Alltag
bedeutet. Außerdem habe ich viele Bücher von Todeskandidaten gelesen,
die darin ihre Erfahrungen oft drastisch geschildert haben. Regisseur Alan
Parker war in dieser Beziehung eine wandelnde Bibliothek.
Frage: Wie denken Sie persönlich über die Todesstrafe?
Spacey: Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich die Chance, Clarance Darrow
zu spielen, den größten und eloquentesten Juristen, der je gegen
die Todesstrafe eintrat. Die Gespräche mit ihm haben mich sehr
geprägt. Trotzdem habe ich diesen Film nicht gedreht, um mich für
eine bestimmte Meinung stark zu machen. Ich persönlich musste ja noch
nie Vergeltung für den Mord an einem geliebten Menschen fordern. Die
Frage ist natürlich auch, ob diese Art des Einschläferns
tatsächlich eine Strafe ist.
Frage: Wie waren die ersten Reaktionen auf den Film?
Spacey: Positiv. Zusammen mit Laura Linney haben wir den Film vor Studenten
gezeigt und anschließend mit ihnen diskutiert. Dabei fiel mir auf,
dass die Todesstrafe gerade bei jungen Leuten ein großes Thema ist.
Ihre Einstellung dazu ist offener und nicht so polarisiert. Wenn dieser Film
als Grundlage für solche Diskussionen dient, haben wir schon viel erreicht.
Frage: Dienen solche Filme heutzutage nicht viel mehr der Unterhaltung?
Spacey: Dramatische Stoffe werden meist aus einer Wut heraus geschrieben.
Bei uns geht es um Politik, um Menschen- und Individualrechte. Theater, Literatur
und Film vermitteln uns eine Vorstellung von einer besseren Welt. Sie sind
die Grundlage für neue Ideen, die unter Umständen eine
Veränderung herbeiführen können.
Frage: Was halten Sie von anderen Filme, die das Thema Todesstrafe behandeln?
Spacey: "Dead Man Walking" ist ein herausragender Film. Aber man darf ihn
nicht mit unserem Werk vergleichen, denn er beschreibt den eigentlichen
Tötungsprozess während der Hinrichtung, wir legen den Fokus auf
andere Dinge.
Frage: Denken Sie, dass es in Amerika irgendwann zu einer Abschaffung der
Todesstrafe kommen wird?
Spacey: Sehr schwer einzuschätzen. Der aktuelle Trend zeigt aber, dass
immer mehr Gouverneure Moratorien verhängen und Todesurteile in lebenslange
Haft umwandeln. Bestes Beispiel ist der Gouverneur von Illinois, der gerade
erst 130 Todeskandidaten begnadigt hat. Aber natürlich gibt es auch
noch genug Hardliner.
Frage: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Spacey: Konkrete Pläne habe ich derzeit nicht. Aber im Herbst 2004
übernehme ich das Londoner "Old Vic"-Theater als künstlerischer
Leiter. Auf diese Arbeit freue ich mich sehr.
zur Jump Cut Startseite |