Doug Liman: Die Bourne-Identität (USA 2002)

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Doug Liman: Die Bourne-Identität (USA 2002)

USA 2002 - Originaltitel: The Bourne Identity - Regie: Doug Liman - Darsteller: Matt Damon, Franka Potente, Chris Cooper, Julia Stiles, Clive Owen, Brian Cox, Judy Parfitt, Adewale Akinnuoye-Agbaje

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Doug Liman: Die Bourne-Identität (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Der Held des Action-Films ist zumeist eher ein Reaction-Held, wird zum Heros im Kampf gegen das Böse in seinen vielen Gestalten. Geformt ist der Held nach dem Bild seiner Gegner und nach der Persona des Stars, der ihn verkörpert, und ihrer Geschichte. Beides trifft auf Matt Damon, den Helden von "Die Bourne-Identität", in erstaunlichem Maße zu, gerade weil er bisher alles andere war als ein Action-Held (dieser Sachverhalt wiederum taugt, im Symptomverbund mit einer ähnlichen Entwicklung seines besten Freundes Ben Affleck, geradezu als Indikator zur Veränderung des Bildes vom Helden, das sich Hollywood macht. Vielleicht - denn Vin Diesel wäre zugleich die Kontinuierung des Hergebrachten). Damon war, fast zuletzt, Tom Ripley, der fluide Mörder, Meister multipler Identitäten und der Mimikry. Mit multiplen Identitäten bekommt er es auch hier zu tun als einer, der eine sehr spezifische Amnesie erlitten hat (verwandt dem sehr viel instabileren Helden von Memento) und nun auf den Spuren seines Vorlebens zurückfinden will zu sich selbst. Von diesem Selbst jedoch ist mehr da, als er denkt, es fehlt, so recht, nur ein Name, den er - wie eine eiserne Reserve - in einer Schweizer Bank wiederfindet, reichlich inflationiert jedoch in Gestalt einer Handvoll authentischer Pässe. Die Bourne-Identität wäre so eine fast beliebige - holte sie ihn nicht sogleich wieder ein.

Der Bourne, den er kennenlernt, ist ein mehrfacher. Gejagt von der CIA zum einen, mit Liquidierungsabsicht. Randvoll aber zum anderen mit dem, was ein CIA-Mensch Verhaltenssoftware nennt: zum unlöschbaren Instinkt getriebene Programme, die ihn zur Überlebensmaschine im zunehmend feindlichen Umfeld machen. Ich ist ein anderer, ein Fremder, der umso unheimlicher ist, als er sich verselbständigt und darwinistisch erfolgreicher ist als jeder Gedanke, den der sich selbst verloren gegangene Bourne, den eigenen Instinkten immer hinterher, entwickeln kann. Schlagend die Szene, in der Bourne, sich - aus dem Schlaf sozusagen ohne Übergang ins Bewusstsein hochschreckend - selbst virtuos und brutal zu verteidigen versteht, sich als Martial-Arts-Könner wenn nicht wider Willen, so doch wider eigenes Wissen erweist. Der neue Bourne ist tatsächlich Re-Bourne, er hat den Drill nicht vergessen und die anerzogenen Instinkte, als Tötungsmaschine aber taugt er nicht. Mit der Amnesie bekommt er, so scheint es, Moral zurückerstattet. Es ist aber, leider vielleicht, eher umgekehrt: In dem Moment, in dem er, ausgebildet zur Killermaschine, sich als unfähig zum Mord erweist seine Skrupel entdeckt, muss er, der alte Bourne sterben (und toter kann man kaum sein als er zu Beginn des Films ist), um als neuer Bourne die Sünden des alten wiedergutmachen zu können. Das Mordprogramm wendet sich - jetzt ist plötzlich Blade Runner gar nicht fern - gegen seine Schöpfer, Rebellion gegen den "Vater" inklusive.

Dennoch ist das Erschrecken nicht gering: die Vergangenheit steckt, weder vergessbar noch verdrängbar, drin im neuen Bourne als der alte und nur als Killer kann er überleben. Bourne ist, unter anderem, die Maschine, die zu Bewusstsein gelangt und damit zum Entsetzen über sich selbst. Bourne ist eine Meditation über das Tier im Menschen, das Tier aber ist zweite Natur, Killerinstinkt als Lernerfolg. Könnte der Held über sich nachdenken, käme er dazu, wäre er ein gebrochener; so löscht er sich aus, indem er er selbst bleibt (und eigentlich wäre "er" und "sich" immerzu in Anführungszeichen zu setzen). Er beseitigt sich mit den eigenen Mitteln, programmiert sich um bei laufendem Betrieb. Die Frau, die ihm dabei hilft, ist nichts anderes als ein Symbol der Richtungsänderung, des guten Willens, der so unversehens Raum gegriffen hat im Killer. Nicht minder das Auto, das es mit Paris aufnimmt, in einer der schönsten Verfolgungsjagden der letzten Jahre. Und beide sind Doug Liman, der Independent-Regisseur, der es mit Hollywood aufnimmt als Agent der Erdverbundenheit im Bond-Genre (die Geschichten, die man liest, über die Spontaneität des Drehens, über Widerstand gegen ein neues, glattes Drehbuch, passen dazu. Sind sie nicht wahr, so sind sie bestens erfunden). Matt Damon ist - ausgestattet mit allen Agentenfertigkeiten - der Anti-Bond, weil er (wenngleich: auch sehr britisch) Mini fährt und sich in Franka Potente verliebt, das Anti-Bond-Girl mit Slacker-Appeal. Dieser Film ist nicht nur sympathisch, sondern ein Ernst zu nehmender Gegenentwurf zur Hollywood-Slickness der letzten Jahre, und Doug Liman vielleicht ein würdiger Nachfolger John Frankenheimers.

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