Als geborener Opportunist kommt für Wilson Yip Wai-seung, schon
mit seinen letzten beiden Produktionen SKYLINE CRUISERS (HK, 00) und
2002 (HK, 01) auf dem Weg vom Exploitation- und B-Movie-Filmer zum
Regisseur von A-Produktionen, nicht anderes in Frage, als mit dem Strom zu
schwimmen. Da auf dem Markt derzeit nichts so gefragt ist wie Romcoms
(romantische Komödien) - bevorzugt mit Miriam Yeung Tsin-wah in der
Hauptrolle - dreht er DRY WOOD FIERCE FIRE (HK, 02) und hält sich
an das durch ähnliche Filme wie Johnnie To Kei-fungs und Wai Kar-fais
NEEDING YOU... (HK, 00), Patrick Leung Pak-kins und Chan Hing-kars
LA BRASSIERE (HK, 01) oder Joe Ma Wai-hos LOVE UNDERCOVER (HK, 02)
vorgegebene Konzept.
Mit der Trägheit einer auf den Strand gespühlten Qualle
weicht Yip nicht einen Millimeter hiervon ab, hält in seinem Film keine
einzige Überraschungen bereit, verweigert sich jeglicher ironischer
Brechung; seine Arbeit ist von der ersten bis zur letzten Sekunde vorhersehbar.
Entwicklungspotential, das in DRY WOOD vorhanden gewesen wäre (u.a.
Geschlechterkampf im Berufsleben), läßt er ungenutzt verpuffen.
Verschiedene Story- oder Charakteransätze werden der Einfachheit halber
nur als Anreißer benutzt und wohl deshalb gleich wieder fallengelassen,
weil ihr Ausbau mit einem Mindestmaß an intellektuellem Aufwand, den
Yip zu leisten nicht bereit war, verbunden gewesen wäre.
Er wählt den Weg des geringsten Widerstands und verläßt
sich auf die Zugkraft seiner beiden Hauptdarsteller Miriam Yeung und Louis
Ku Tin-lok. Auf ihre Star-Images, die zu den Hauptkonstruktionsparametern
des Plots werden, ist diese Romcom zugeschnitten. Yip läßt sie
ohne große Kontrolle seinerseits in einer weitgehend konflikfreien,
reizreduzierten Mittelstandsscheinwelt (ein bonbonfarbenes, betäubend
konturloses Wattekontinuum) agieren. Ob ihre Zusammenspiel funktioniert oder
nicht, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Yip liegt ganz richtig,
wenn er annimmt, die kollektive Wunschvorstellung des Publikums werde
Abweichungen vom Ideal quasi von selbst zu optimaler Harmonie korrigieren
und erklärt: Stars gegenüber nimmt das Publikum sofort eine
bestimmte Haltung ein, man richtet bestimmte Erwartungen an sie. Manche Stars
kann man nur ihrem Image entsprechend einsetzen; alles andere wird das Publikum
nicht akzeptieren. Das gehört zu den festgefahrenen Ritualen des Hong
Konger Starsystems (Interview: -MAERZ-). Ansehnliche Einnahmen von
rund 13,11 Millionen Hong Kong Dollar an den Kinokassen der SARHK (Special
Administrative Region HK) bestätigen Yips Taktik.
DRY WOOD funktioniert wie ein angenehm auf Körpertemperatur
gehaltener medialer Hibernationstank. Die ursprünglich in Louis Kus
Figur angelegten Charakterzüge, die mit denen Yeungs eigentlich als
direkte Gegensatzpaare (z.B. traditionelle chinesische Pflanzenheilkunde
[Yeung]/naturwissenschaftlich orientierte westliche Medizin [Ku])
korrespondieren, eine auf den ersten Blick unwahrscheinliche, tatsächlich
aber besonders starke Affinität bewirken sollen und sich schon im Titel
widerspiegeln, werden auf ein Minimum reduziert. Während Yeung sich
in der von ihr gewohnten, etwas spröden Spritzigkeit auslebt (im
Wahrnehmungskanon naiver Seelen als besonders natürlich und authentisch
definiert), gestaltet Ku, ein darstellerisch unterentwickelter Schönling,
seine Figur als nahezu eigenschaftslose Blindfläche.
In dieser von Yip genau so gewollten Konstellation, bleibt ihm wenig
übrig, außer reine Nichtigkeiten zu kleineren dramatischen Spitzen
aufzubauen, weil nichts wirklich Erwähnenswertes passiert. Der Rest
sind nichtssagende, unverbindliche Banalitäten. Damit allerdings liegt
er voll im Trend. Selbst wenn der Bullshit-Dekoder nur auf 10prozentige Leistung
gestellt würde, bliebe zwischen Firmenlogo und Abpann nicht eine Einstellung
mehr übrig. Wie kann so etwas geschehen? Yip erläutert: Das
Hong Kong-Kino war schon immer sehr unkonventionell, sehr innovativ, immer
auf der Suche nach neuen, kreativen Lösungen. Einer der zentralen
Ansätze des Hong Kong-Kinos ist es, sich zu unterscheiden. Diese
Notwendigkeit bezieht sich sowohl auf ausländische als auch auf heimische
Filme. Hinsichtlich der Tradition der Wechselhaftigkeit des Hong Kong-Kinos,
möchte ich nicht behaupten, mich davon irgendwie besonders zu abzuheben.
Dafür ist das Hong Kong-Kino an sich einfach zu konkurrenzorientiert.
[...] Dort, wo ich es mir erlauben kann, also in Filmen, die nicht nur aufgrund
rein kommerzieller Berechnungen entstehen, versuche ich das Publikum durch
Unvorhergesehenes zu überraschen. Dies sind filmische Komponenten, durch
die sich meine Persönlichkeit ausdrückt, etwas das nur meiner eigenen
Sichtweise auf die Dinge entspricht und wodurch sich meine Filme hoffentlich
von denen anderer Regisseure unterscheiden (Interview: -MAERZ-). Scheint,
es laste eine hoher kommerzieller Erfolgsdruck auf Yip. Selbstauferlegt?
Auf einen Film, der diesem Statement gerecht wird und in dem Yip wieder einmal
seine Kreativität ausspielt, wird man wohl noch eine Weile warten
müssen. Daß er zu weit Besserem als DRY WOOD fähig ist, hat
er allerdings schon mehrfach unter Beweis gestellt.
-MAERZ- (Axel Estein)
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