Alter schützt vor Torheit nicht
Ansprechende Rollen für Frauen der 50plus-Generation sind im
Filmbusiness rar gesät. Schauspielerinnen wie Susan Sarandon (56) und
Goldie Hawn (57) gehen den Weg alles Irdischen. Regisseure mit einem Hang
zum Frischgemüse stufen diese Jahrgänge jenseits des Verfallsdatums
ein. In einer Gesellschaft, die minderjährige Models auf den Laufsteg
schickt und auf den Titeln von Frauenzeitschriften als Ideal abbildet,
verkauft sich die Illusion von ewiger Schönheit am besten im Gewand
der Jugend.
Die Medien, allen voran die Filmindustrie, produzieren den Mythos
von Wohlstand, Glück und Attraktivität wie am Fließband.
Der alternde Körper taugt als Projektionsfläche, wenn er nicht
weiblich ist. Von der weit verbreiteten Vorstellung, dass Falten einen Mann
erst männlich machen, profitieren Schauspieler wie Pierce Brosnan, Robert
Redford oder Sean Connery. Das Publikum zweifelt nicht am Verstand von
Drehbuchautoren, die der Altherrenriege Partnerinnen an die Seite stellen,
die ihre Töchter sein könnten.
Da das Alter nur den Mann adelt, nimmt die Attraktivität von
Schauspielerinnen proportional zu der Anzahl der Geburtstage ab. Des Kults
der Juvenilität überdrüssig, möchte man spontan applaudieren,
wenn eine Komödie ins Kinos gelangt, deren Hauptdarstellerinnen über
50 sind. In seinem Debüt "Groupies Forever" besetzt Regisseur Bob Dolman
drei superbe Schauspieler: Susan Sarandon, Goldie Hawn und Geoffrey
Rush.
Goldie Hawn spielt die Barfrau Suzette, die mit ihren Verbalattacken
den Wirt nervt. Er feuert sie. Abgebrannt und sentimental erinnert sich Suzette
an die einstige Freundin Vinnie (Susan Sarandon), mit der sie in den 60er
Jahren als Groupie von Konzert zu Konzert reiste. Ihren Ruf als "Banger Sisters"
erarbeiten sich die Frauen in der Horizontalen bei Musikern wie Jim Morrison
und Frank Zappa.
Die Männer sind längst tot und zu Legenden geworden. Ihre
Betthäschen durchliefen den natürlichen Reifeprozess mit
unterschiedlichem Resultat. Während die auf jugendlich getrimmte Suzette
noch immer Rockmusiker angräbt, die dem Alter nach ihre Söhne sein
könnten, trägt Vinnie nun ihren Taufnamen Lavinia und lebt mit
ihrem Ehemann und zwei Töchtern im Reihenhaus in Phoenix.
Als Suzette unangekündigt vor ihr steht " nach einer Reise, die
ihr der neurotische Autor Harry (Geoffrey Rush) als Mitfahrer finanziert
hat ", will die propere Haufrau und Mutter nichts mit ihr zu tun haben. Sie
bietet ihr 5000 Dollar an, wenn sie für immer aus ihrem Leben verschwindet.
Gekränkt kehrt Suzette ins Hotel zurück und quartiert sich bei
Harry ein. Dessen Schreibblockade kuriert sie in der selben Nacht mit einem
Blow Job. Am Morgen taucht Lavinia überraschend im Hotel auf. Die
Komödie nimmt ihren Lauf.
In den 90er-Jahren erzählte das amerikanische Kino einige starke
Frauengeschichten. In "Thelma & Louise" erschießt die Kellnerin
Louise (Susan Sarandon) einen Mann, der ihre Freundin Thelma (Geena Davis),
eine biedere Hausfrau, vergewaltigen will. Eine Tat, die den Weg zurück
ins bürgerliche Leben verschließt und die beiden Frauen am Ende
bewusst über den Abgrund, in den Tod fahren lässt.
In "Groupies Forever" tauscht Susan Sarandon die Schürze der
Kellnerin gegen das beige Kostüm einer Anwaltsgattin ein. Als patente
Hausfrau und Mutter lässt sie sich von ihren verzogenen Töchtern
tyrannisieren und vom geduldigen Ehemann langweilen. Dass sie auch anders
kann, erlebt die Familie, als Lavinia, dem bürgerlichen Habitus
überdrüssig, dem Gatten beim Abendessen als Zeichen der Rebellion
das Brathuhn ins Gesicht schleudert.
Goldie Hawn machte außer in "Club der Teuflinnen" filmisch
betrachtet bislang keinem Mann das Leben schwer. Sie wirkt mit prallem
Dekolleté und schrillen Klamotten in "Groupies Forever" als eine in
die Jahre gekommene Wiedergängerin der eigenen Tochter Kate Hudson,
die in "Almost Famous" den Groupie
Penny Lane spielte. Suzette - der französische Name unterstreicht die
sexuelle Konnotation - ist ein leichtes, wenn auch gutes (altes) Mädchen,
eine Hure mit goldenem Herzen, die den armen Poeten beglückt, Lavinia
wach küsst und deren Familie zeigt, dass die Mutter auch eine ganz andere
Seite hat.
Zu viel Tugendhaftigkeit schadet dem Verstand. Das weiß bereits
Geena Davies als Thelma und nimmt nach ihrem Jahrhundertbeischlaf mit dem
Tramper Brad Pitt ihr Leben in die Hand - als Erstes überfällt
sie eine Tankstelle. Gegen die aufgeweckte Hausfrau aus der Vorstadt wirken
die ehemaligen Groupies Suzette und Lavinia wie das monoton wiederholte Statement
einer turbulenten Episode: Ich war wild, ich bin wild, ich werde wild sein.
Steh zu dir selbst und zu deiner Vergangenheit, ist die ebenso
allgemeingültige wie kraftlose Botschaft dieses Films. Wenn ein trockener
Joint, Polaroid-Fotos von den Genitalien längst verblichener Rockstars
und die Erinnerung an wilde Nächte die einzigen Souvenirs aus der guten
alten Zeit sind, reist man ohne Risiko dahin zurück. Wenn es nur darum
geht, allen mitzuteilen, dass man mal über die Strenge schlug ("Eure
Mama war ein wilder Feger"), bucht man die komfortable Rückfahrt inklusive.
Gegen eine turbulente Vergangenheit in einer wohlbestallten Gegenwart lässt
sich nichts Kritisches anführen.
Über das rebellische Potential von Lavinia würden "Thelma
& Louise" nur müde lächeln. An "Groupies Forever" ist nichts
wild und schmutzig. Die Befreiung Lavinias aus dem Puppenheim gerät
zum kleinbürgerlichen Aufstand. Sie verliert nichts - außer
beigefarbenen Kostümen und einen ordentlichen Haarschnitt -und
bekommt nichts - außer einer zu engen Leopardenhose und einer
rührseligen Abschlussrede von der Tochter.
Den Applaus für einen Film aus Hollywood mit zwei Schauspielerinnen
im besten Alter spart man sich bei dieser Farce am besten.
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