Christopher Nolan: Insomnia (USA 2002)

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Christopher Nolan: Insomnia (USA 2002)

USA 2002

Regie: Christopher Nolan

Mit Al Pacino, Robin Williams, Hilary Swank

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Christopher Nolan: Insomnia (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Die Übersetzung vom Norwegischen ins Amerikanische ist hier eine ins Moralphilosophische (und ins Moralische). "Insomnia" von Erik Skjoldbaerg war amoralisch, "Insomnia" von Christopher Nolan ist ein Traktat über Ethik. Alle Umbauten, die das neue Drehbuch am alten vornimmt, zielen in diese Richtung. Der neue Film ist schlicht in den Schlussfolgerungen, zu denen er gelangt, von erstaunlicher Konsequenz und Präzision in der Ausführung.

"Insomnia" erzählt, bei Nolan, die Geschichte einer Wiederholung, oder eher, mit Freud, der scheiternden Durcharbeitung einer Erinnerung, die den Helden nicht loslässt. Er hat, vor Jahren, Beweismaterial manipuliert, um der Gerechtigkeit zum Recht zu verhelfen, nun ist ihm die Dienstaufsicht auf der Spur und sein Partner ist entschlossen, die Wahrheit zu sagen. Das hätte schlimme Folgen: die Verurteilungen, an denen Dormer beteiligt war, würden zurückgenommen. Die winzigste Besudelung des Rechts verunreinigt alles; die Idee einer göttlichen Reinheit regiert die Vorstellung des Films von der Gerechtigkeit. Für sie wird er, am Ende, plädieren. Die Ambivalenz wird ausgetrieben. Al Pacino, vor nicht allzu langer Zeit der Teufel in eigener Person, ist hier der gefallene Engel der Gerechtigkeit. Das Happy End ist hier eigenwilliger Natur: ein neuer Engel steht bereit, die sühnende Tat des alten besteht darin, sie am Fall, der sogleich droht, zu hindern.

Am denkbar anderen Ort - von LA werden die beiden nach Alaska gerufen, einen Mordfall zu klären - wird mit großer Konsequenz der erste, der entscheidende Sündenfall nun verhandelt, nichts sonst. Die ersten Bilder schon des Films, die Nolan ein ums andere Mal wiederholt, machen das klar: der Stoff, der sich blutig färbt, ist Stoff der Erinnerung, die Dormer nicht schlafen lässt (das Licht in der Nacht ist bloße Visualisierung der Pein). Er ist, ohne es sich einzugestehen, über diesen Sündenfall nicht hinweg (und, recht besehen, ist wohl Hybris das genauere Wort: Dormer setzt sich an die Stelle des Rechts). Im Nebel Alaskas - unaufdringlich genug steht er für den moralischen Graubereich, den Schleier, der über dem Recht liegt; am Ende wird er sich gelichtet haben - tötet Dormer seinen Partner, ein Unfall, der auch ein Mord gewesen sein könnte. Oder ein Mord, den Dormer als Unfall verkauft?

Nun konfrontiert ihn der Film mit dem Zerrbild seiner selbst. Der Krimiautor Finch hat gewiss gemordet, mit der Behauptung, er habe es nicht gewollt, täuscht er kaum sich selbst. Aneinander gerückt hat die beiden, Finch und Dormer, - und ins nächste Gegeneinander somit ihre Taten - Nolan in einer Flashback-Technik, die hier - sonst oft die schiere gedankenlose Bebilderungswut -, eminenten Sinn macht. In den Flashes offenbart sich die Gewalt der Bilder, die Gewalt der Erinnerung: unabweisbar. Dormer, verfolgt vom Fluch der ambivalenten, gerechten, aber unrechten Tat, verfolgt vom Tod seines Partners, verfolgt von den Bildern der Toten, wird zum Komplizen wider Willen des Täters. Seine Lage ist rettungslos, ganz und gar. Er muss mit ansehen (das ist das Grundmotiv: das Mitansehen-Müssen, das der Fluch der Vergangenheit bleibt), wie Finch tut, was er selbst tat: er manipuliert, gottgleich, das Beweismaterial. Er ist das Böse, wo Dormer das Gute sein wollte. Nicht, dass es auf dasselbe hinausläuft, aber das Unrecht bleibt auch in der Fratze erkennbar. Dormer hasst in Finch sich selbst.

Das Ende spielt Erlösungsszenarien durch: die Fremde vom Hotelempfang plädiert für einen verantwortungsethischen Relativismus. Dass das die Lösung nicht sein kann, folgt aus dem kryptotheologischen Arrangement der Geschichte. Auch mit Finchs Tod ist die Schuld nicht beglichen. Die letzte Tat Dormers ist die Rettung des strahlenden Engels der Nachfolge vor der Versuchung: jetzt erst wird er Erlösung finden.

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