Lam Yiu-kwok unterrichtet an einer Highschool in Hong Kong chinesische
Literatur. Nicht gerade das angesagteste Fach in einer Zeit, in der seine
einstigen Mitschüler an der Börse das große Geld machen und
seine Schüler im Unterricht die Comics offen auf den Tischen liegen
haben. Lam ist beliebt, aber dass er seine Klasse im Griff hat, wird man
kaum sagen können. Er ist schüchtern und sympathisch, aber stets
von einer Aura der Melancholie umgeben. Die hat ihre Gründe in einer
Vorgeschichte, die "July Rhapsody" nach und nach aufdeckt, während sich
die vergangene Geschichte in der Gegenwart zu wiederholen beginnt.
Eine Schülerin hat sich in ihn verliebt, ganz wie sich einst
seine jetzige Frau Man-ching in ihren gemeinsamen - und gemeinsam bewunderten
- Lehrer verliebte. Sie wurde damals schwanger, der Lehrer zog mit seiner
Frau davon und Yiu-kwok, der Man-ching heimlich anhimmelte, heiratete sie,
zog das Kind mit ihr groß. Plötzlich sind die Gespenster der
Vergangenheit wieder präsent: Seng, der einstige Lehrer, kehrt unheilbar
erkrankt in die Stadt zurück, Man-ching entscheidet sich, ihm in seinen
letzten Wochen beizustehen. Yiu-kowk fühlt sich unterdessen immer
stärker zu seiner Schülerin hingezogen, die ihn mit ihrem
auftrumpfenden Selbstbewusstsein beeindruckt.
Die Geschichte von "July Rhapsody" ist nicht unbedingt originell,
aber Ann Hui erzählt sie ganz souverän, verschränkt raffiniert
die Gegenwart mit der Vergangenheit, unterfüttert nach und nach die
komplizierten Beziehungen der Personen mit der Vorgeschichte. Beeindruckend
ist das Debüt der jungen Schauspielerin Anita Mui in ihrer Rolle als
verwöhnte Schülerin, die Aufsätze schreibt, worüber sie
Lust hat, die dem Schulleiter üble Flüche an den Kopf wirft und
offensichtlich gewohnt ist, auch zu bekommen, was sie haben will. Völlig
überzeugend auch Jackie Cheung als Mann mit einer ausgewachsenen
Midlife-Crisis, als reichlich ratloser Lehrer. Über die Subtilität
seiner Erzählung hinaus gewährt "July Rhapsody" die erstaunlichsten
Einblicke in das Hong Kong der Gegenwart, etwa in der Konfrontation der den
Jüngeren längst unverständlichen chinesischen Hochkultur mit
dem allgegenwärtigen Shopping-Mall- und Handy-Turbokapitalismus.
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