"Kill Bill" ist nicht nur, wie der Vorspann mit seltsamem Stolz
verkündet, Quentin Tarantinos vierter Film, sondern auch sein bisher
reifster. Man durfte ein Werk aus dem Geist von "From Dusk Till Dawn"
befürchten - und bekommt stattdessen einen Husarenritt durch die Zeiten
und Genres, der Tarantinos Meisterschaft eindrucksvoll bestätigt. Seine
hohe Kunst, Metafilme zu machen, in denen die Liebe zum Zitierten, nicht
zum Zitieren, auf die ganz eigene Lust an narrativer Verschachtelung und
einen Übermut trifft, der durch die Konventionen Hollywoods nicht zu
bremsen ist. "Kill Bill" ist ein Frankensteinsches Monster, zusammengeflickt
aus disparaten Fetzen, von Yakuza bis Italo-Western, von Shaw bis Pulp, aber
ein Monster, in das schon im Moment der Vorspann-Verbeugung vor dem
Shawscope-Format der Lebensfunke hineinfährt. Ein Monster zudem, das
sein Zusammengeflicktsein nirgends verhehlt und seine Schönheit nicht
der Verbergung des Zitathaften verdankt, sondern der
Selbstverständlichkeit, mit der das Zusammengefügte hier sich
zusammenfügt zu nichts anderem als einem Film, den nur einer machen
konnte: Quentin Tarantino.
Der erhabenste Moment eines an erhabenen Momenten nicht armen Films.
Nach der Schlacht, die wimmernde Männer, in ihrem Blut schwimmende Leichen
zurücklässt und eine Triumphatorin, die in atemberaubender Choreografie
Schluss gemacht hat mit achtundachtzig Feinden, in Schwarz und Weiß
der Zensur und Schwarz vor Blau der Kunst wegen, nach dieser Schlacht
öffnet sich die japanische Wand hinaus auf einen Garten im Schnee, einen
hortus conclusus, der archetypischer Shaw-Brothers-Raum ist, groß
gedachte Studiopappkulisse als Kampfgrund einer tödlichen
Auseinandersetzung. Flockenstille, punktiert vom Geklapper eines in den
Vordergrund gerückten Brunnens, Kampf aufs Blut, aufs Schwert, aber
als Atemholen, als ein Hinausgleiten der Schlacht und der Blutfontänen
ins Weiße, Kampfbewegungen ins Bild gezeichnet wie japanische
Schriftzeichen nach dem hongkonghaft Turbulenten des vorangegangenen
Kampfgewirbels. Ein Kitschbild, an dem alles stimmt, eine Feier der
Entschlossenheit zweier tief verwundeter Frauen, die die Rache als Medium
der Auseinandersetzung feiert, in dem beide Seiten sich ihre tiefste Achtung
erweisen, ein Kitschbild also, das unerträglich zu finden man manchen
Grund hätte, das aber nur groß ist und stimmig wie jede andere
Szene des Films zwischen albernem Klamauk und hackewütiger Roheit.
Dass Blut und Gewalt in "Kill Bill" mit der Realität nicht das
mindeste zu tun haben, wiederholt Tarantino immer wieder und es ist wahr.
Der Umkehrschluss aber, dass der Film daher nichts anderes sein könne
als bedeutungslos durch die Filmgeschichte fuhrwerkende, besinnungslose
Produktion von Comicbildern, ist so falsch wie das Klischee vom Comic, das
er bedient. Uma Thurmans Schrei beim Erwachen, als sie merkt, dass sie nicht
ihr Leben verloren hat, aber ihr Kind, geht durch Mark und Bein. Dieser Schrei
verleiht dem Film den Ernst, den er besitzt bei aller schrägen Komik,
an der es nicht fehlt. Und das Meisterstück im Meisterstück, der
Anime, der O-Rens Vorgeschichte erzählt, in wunderbaren
Übergängen zwischen statisch-grobem und detailliert-dynamischem
Strich, entwickelt in wenigen Minuten eine emotionale Gewalt, die zu Tränen
rührt. Mich jedenfalls hat sie zu Tränen gerührt. Der Ernst
der Trauer und des Traumas, dem Tarantino in diesen Momenten kein Jota nimmt
(und darin liegt die Reife von "Kill Bill"), gibt dem Film und seinen levitativen
Kampfkünsten die Schwere, die er braucht, um den Zuschauer zu packen.
Er gibt der Rache den Sinn, den sie nach den Maßstäben realer
Moral nicht haben kann und den Blutspektakeln neben dem Spektakulären,
das seinen Sinn in sich hat, ihre Richtigkeit, die eine der Welt dieses Films
ist, ohne jenen Übertrag ins Wirkliche, nach dem es nur den Banausen
verlangen kann.
Auf den Punkt inszeniert ist die den Splitscreen nur an der
Oberfläche zur Spannungserzeugung, in Wahrheit aber nach Art formaler
Ähnlichkeitsmontage nutzende Sequenz, in der Daryl Hannah als pfeifender
Engel des Todes durch die Gänge des Krankenhauses stolziert. Durchweg
eine Zusammenfügungsmeisterleistung für sich - wer sonst bekäme
das annähernd so hin ? - ist die Verfugung von Bild und Ton, der Einsatz
des Songs in der Szene, das eine scheint auf das andere zu komponiert und
das Ergebnis führt als ein Ganzes, das ohne das eine oder das andere
nicht dasselbe wäre, die üblichen Verdopplungstorheiten sonstiger
Scores eindrücklich vor Auge und Ohr. Großartig, wie Tarantino
in der ersten Begegnung der Braut mit Sushi- und Schwertmeister Hattori Hanzo
seiner ganz eigenen Komik einen infantilen japanischen Akzent verleiht und
dann den Umschwung in den heiligen Ernst des Schwertkampf-Genres hinbekommt.
Vom souveränen Ende zu schweigen und der hingetupften Schluss- und
Fortsetzungspointe, vom Flugzeug vor shawfarbenem Orange und den Sirenen,
die nach asiatischer Manier Höhe- und Wendepunkte markieren. Zu schweigen
von vielem, bei dem einem in diesem Film sonst noch die Augen übergehen
können. Stattdessen: Nach den unterhaltsamsten Kinominuten des Jahres
der Fortsetzung entgegenfiebern.
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