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Quentin Tarantino: Kill Bill Volume 1 (USA 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image]

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[Image]Kill Bill, das vermerkt der Vorspann, ist Quentin Tarantinos vierter Film. Von den ersten dreien, Klassiker allesamt, sind auf DVD und Video : , Pulp Fiction (Kauf) und Jackie Brown (Kauf) erhältlich, Reservoir Dogs leider nicht. Den Soundtrack zu Kill Bill 1 gibt es bei Amazon.

 

"Kill Bill" ist nicht nur, wie der Vorspann mit seltsamem Stolz verkündet, Quentin Tarantinos vierter Film, sondern auch sein bisher reifster. Man durfte ein Werk aus dem Geist von "From Dusk Till Dawn" befürchten - und bekommt stattdessen einen Husarenritt durch die Zeiten und Genres, der Tarantinos Meisterschaft eindrucksvoll bestätigt. Seine hohe Kunst, Metafilme zu machen, in denen die Liebe zum Zitierten, nicht zum Zitieren, auf die ganz eigene Lust an narrativer Verschachtelung und einen Übermut trifft, der durch die Konventionen Hollywoods nicht zu bremsen ist. "Kill Bill" ist ein Frankensteinsches Monster, zusammengeflickt aus disparaten Fetzen, von Yakuza bis Italo-Western, von Shaw bis Pulp, aber ein Monster, in das schon im Moment der Vorspann-Verbeugung vor dem Shawscope-Format der Lebensfunke hineinfährt. Ein Monster zudem, das sein Zusammengeflicktsein nirgends verhehlt und seine Schönheit nicht der Verbergung des Zitathaften verdankt, sondern der Selbstverständlichkeit, mit der das Zusammengefügte hier sich zusammenfügt zu nichts anderem als einem Film, den nur einer machen konnte: Quentin Tarantino.

Der erhabenste Moment eines an erhabenen Momenten nicht armen Films. Nach der Schlacht, die wimmernde Männer, in ihrem Blut schwimmende Leichen zurücklässt und eine Triumphatorin, die in atemberaubender Choreografie Schluss gemacht hat mit achtundachtzig Feinden, in Schwarz und Weiß der Zensur und Schwarz vor Blau der Kunst wegen, nach dieser Schlacht öffnet sich die japanische Wand hinaus auf einen Garten im Schnee, einen hortus conclusus, der archetypischer Shaw-Brothers-Raum ist, groß gedachte Studiopappkulisse als Kampfgrund einer tödlichen Auseinandersetzung. Flockenstille, punktiert vom Geklapper eines in den Vordergrund gerückten Brunnens, Kampf aufs Blut, aufs Schwert, aber als Atemholen, als ein Hinausgleiten der Schlacht und der Blutfontänen ins Weiße, Kampfbewegungen ins Bild gezeichnet wie japanische Schriftzeichen nach dem hongkonghaft Turbulenten des vorangegangenen Kampfgewirbels. Ein Kitschbild, an dem alles stimmt, eine Feier der Entschlossenheit zweier tief verwundeter Frauen, die die Rache als Medium der Auseinandersetzung feiert, in dem beide Seiten sich ihre tiefste Achtung erweisen, ein Kitschbild also, das unerträglich zu finden man manchen Grund hätte, das aber nur groß ist und stimmig wie jede andere Szene des Films zwischen albernem Klamauk und hackewütiger Roheit.

Dass Blut und Gewalt in "Kill Bill" mit der Realität nicht das mindeste zu tun haben, wiederholt Tarantino immer wieder und es ist wahr. Der Umkehrschluss aber, dass der Film daher nichts anderes sein könne als bedeutungslos durch die Filmgeschichte fuhrwerkende, besinnungslose Produktion von Comicbildern, ist so falsch wie das Klischee vom Comic, das er bedient. Uma Thurmans Schrei beim Erwachen, als sie merkt, dass sie nicht ihr Leben verloren hat, aber ihr Kind, geht durch Mark und Bein. Dieser Schrei verleiht dem Film den Ernst, den er besitzt bei aller schrägen Komik, an der es nicht fehlt. Und das Meisterstück im Meisterstück, der Anime, der O-Rens Vorgeschichte erzählt, in wunderbaren Übergängen zwischen statisch-grobem und detailliert-dynamischem Strich, entwickelt in wenigen Minuten eine emotionale Gewalt, die zu Tränen rührt. Mich jedenfalls hat sie zu Tränen gerührt. Der Ernst der Trauer und des Traumas, dem Tarantino in diesen Momenten kein Jota nimmt (und darin liegt die Reife von "Kill Bill"), gibt dem Film und seinen levitativen Kampfkünsten die Schwere, die er braucht, um den Zuschauer zu packen. Er gibt der Rache den Sinn, den sie nach den Maßstäben realer Moral nicht haben kann und den Blutspektakeln neben dem Spektakulären, das seinen Sinn in sich hat, ihre Richtigkeit, die eine der Welt dieses Films ist, ohne jenen Übertrag ins Wirkliche, nach dem es nur den Banausen verlangen kann.

Auf den Punkt inszeniert ist die den Splitscreen nur an der Oberfläche zur Spannungserzeugung, in Wahrheit aber nach Art formaler Ähnlichkeitsmontage nutzende Sequenz, in der Daryl Hannah als pfeifender Engel des Todes durch die Gänge des Krankenhauses stolziert. Durchweg eine Zusammenfügungsmeisterleistung für sich - wer sonst bekäme das annähernd so hin ? - ist die Verfugung von Bild und Ton, der Einsatz des Songs in der Szene, das eine scheint auf das andere zu komponiert und das Ergebnis führt als ein Ganzes, das ohne das eine oder das andere nicht dasselbe wäre, die üblichen Verdopplungstorheiten sonstiger Scores eindrücklich vor Auge und Ohr. Großartig, wie Tarantino in der ersten Begegnung der Braut mit Sushi- und Schwertmeister Hattori Hanzo seiner ganz eigenen Komik einen infantilen japanischen Akzent verleiht und dann den Umschwung in den heiligen Ernst des Schwertkampf-Genres hinbekommt. Vom souveränen Ende zu schweigen und der hingetupften Schluss- und Fortsetzungspointe, vom Flugzeug vor shawfarbenem Orange und den Sirenen, die nach asiatischer Manier Höhe- und Wendepunkte markieren. Zu schweigen von vielem, bei dem einem in diesem Film sonst noch die Augen übergehen können. Stattdessen: Nach den unterhaltsamsten Kinominuten des Jahres der Fortsetzung entgegenfiebern.

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