Vorbemerkung: Der Film lief im Wettbewerb der Berlinale 2002.
Die Kritik ist, wie kaum zu übersehen, zu diesem Anlass
entstanden.
Junji Sakamotos "KT" ist ein mutiger, in seiner expliziten Darstellung
politischer Vorgänge ein in Japan - sieht man mal von den Filmen Nagisa
Oshimas ab - beispielloser Film. Seine Kritik an der japanischen
"Selbstverteidigungsarmee" als Marionette der USA ist von einer für
japanische Verhältnisse schneidenden Schärfe. Zudem ist "KT" ein
Projekt zur Verständigung zwischen den bis vor kurzem noch verfeindeten
Staaten Südkorea und Japan, gerade indem er eines der dunkleren Kapitel
aus der Geschichte ihrer Beziehungen aufarbeitet, dem bis heute währenden
offiziellen Schweigen über die Vorgänge zum Trotz. 1972 plante
der südkoreanische Geheimdienst die Verschleppung und Ermordung des
damaligen Oppositionellen (und heutigen Präsidenten) Kim Dae-jung (Deckname:
KT), der in Tokio Unterschlupf gefunden hatte. Die japanische
"Selbstverteidigungsarmee" war, so jedenfalls die These des Films, tief in
das erst in letzter Minute an einer Intervention der USA gescheiterte Attentat
verstrickt.
Es mag also sein, dass Junji Sakamoto für seinen Film eine
Tapferkeitsmedaille verdient hat und dass das Werk, das geschickterweise
fast zeitgleich mit den in Südkorea und Japan gemeinsam stattfindenden
Fußballweltmeisterschaften startet, in beiden Ländern für
heftige Kontroversen sorgen wird. Das ändert leider nicht das mindeste
daran, dass "KT" den traurigen ästhetische Tiefpunkt des diesjährigen
Wettbewerbsprogramms darstellt. Der Film ist nicht einfach ärgerlich
oder verlogen oder langweilig oder an den eigenen Ansprüchen gescheitert
wie andere schlechte Filme des Wettbewerbs, nein, "KT" ist etwas ganz anderes:
das unbeholfene Machwerk eines drittklassigen Regisseurs. Während keiner
einzigen der 135 quälenden Minuten hat man den Eindruck, dass Sakamoto
seinen Stoff in den Griff bekommen hat. Weder für den Thriller, zu dem
man die Vorgänge offensichtlich hätte verarbeiten können,
noch fürs zugespitzte Politdrama hat er sich entschieden: und wie so
oft bringt auch hier der Mittelweg den Tod.
Der Film ist überfüllt mit Figuren, die einzuführen
völlig unnötig ist, mit Erzählsträngen, die
überflüssige Abwege sind, mit Details, die nichts zur Sache tun,
und er hat eine Liebesgeschichte, der es an der Nonchalance fehlt, mit der
die besseren unter den Hollywoodfilmen einen solchen Blödsinn in politische
Filme einzuflechten pflegen. Die Ausrede, die man für den ziellos
mäandrierenden "Baader" noch gelten lassen könnte, dass die
historischen Geschehnisse eben kompliziert gewesen sind, greift hier nicht:
da es kaum Aussagen der Beteiligten gibt, ist die Geschichte, wie der Regisseur
in der Pressekonferenz betonte, ohnehin zum größten Teil Spekulation
und Fiktion. Nichts hätte ihn also daran hindern können, ein Minimum
an Figuren umso schärfer herauszuarbeiten, ihre bei näherer Betrachtung
durchaus tragischen Verstrickungen deutlich zu machen.
Stattdessen gibt es nur endlose Gespräche, Begegnungen in
Hinterzimmern, Aufschub um Aufschub, Verwicklungen, die zu verstehen und
nachzuvollziehen man schon nach fünf Minuten keine Lust mehr hat. Das
narrative Unvermögen, das schleppende Tempo, das völlig fehlende
Rhythmusgefühl sind schlimm genug, aber Sakamoto ist auch in seinen
Kadrierungen und Kamerabewegungen auf eine Weise uninspiriert und hölzern,
die man beim ehemaligen Assistenten des durchgeknalltesten aller japanischen
Regisseure, Sogo Ishii ("Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb"),
nie für mögliche hielte. Man versteht die Motive, aus denen die
Auswahlkommission diesen Film in den Wettbewerb eingeladen hat - und muss
sie wohl als böses Omen für die Zukunft nehmen. Kunstverstand ist
nicht dasselbe wie verinnerlichte Sozialdemokratie - und gut ist allzu oft
das Gegenteil von gut gemeint. In den anderen Reihen der Berlinale sind
großartige, wunderbare, zu Herzen und zu Verstand gehende Filme aus
Japan gelaufen, sie alle - von "Go" bis zu "All About Lily Chou-Chou" -
hätten im Wettbewerb eine exzellente Figur gemacht. Dass man stattdessen
"KT" gezeigt hat, lässt, leider, auf die totale Abwesenheit
ästhetischer Gesichtspunkte bei der Filmauswahl schließen.
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