Der Actionspezialist Ringo Lam gehörte mal zu den
verläßlichsten Hard-Boiled-Boliden des Hong Kong-Kinos. Damals,
Ende der 80er, noch Anfang der 90er. Er war heiß. Und er war kalt.
Er war slick, hustlete sich immer wieder einen Weg zu den Projekten, die
ihm was bedeuteten. Die den Zuschauern was bedeuteten. Den Spaten am Herz.
Dann kriegten ihn die Verhältnisse am Wickel. Die Filme wurden
größer. Das mußte bezahlt werden, erstmal wieder eingespielt
werden. Verpflichtungen. Ringo geht seinen Weg, wie er denkt, ihn zu gehen,
tatsächlich aber immer mehr gegängelt wird - von den
Verhältnissen, wovon sonst?! - und verrennt sich. Die letzten zehn Jahre
seiner hauptsächlich in den USA und Kanada geleisteten Arbeit sind ein
Auf und Ab auf einer nach unten gerichteten Resultanten. Bei einem Mann wie
Lam ist die Sache damit längst noch nicht entschieden. Ein konzentriertes
Innehalten, wirklich konzentriert, wirklich innehaltend, mit der Bereitschaft
fett abzuspecken: Die Sache, seine Sache könnte schnell wieder ganz
anders aussehen: ausgehungert, ausgemergelt, mit scharfen Konturen. Diese
Bereitschaft ist bei ihm noch nicht vorhanden.
Vielleicht empfindet es Ringo Lam nach dem Serialkiller-Psychothriller
REPLICENT (USA, '01), einem weiteren Rückschritt in seiner internationalen
Karriere, als an der Zeit, einmal in eine für ihn inzwischen völlig
ungewohnte Richtung zu arbeiten. Er benutzt dafür ein Sujet von dem
er sich gleich nach seiner Anfangszeit als Regisseur bei Cinema City mit
Grausen abgewendet hat und dreht die romantische, mit Screwball-Elementen
vollgestopfte Verwechslungs- und Agentenkomödie LOOKING FOR MISTER
PERFECT.
Große
Überraschung: Lam weg vom bleischweren, düsteren Drama, hin zur
pastellfarbenen, federleichten Flausch- weichzeichnerei. Die Exposition (im
Nachhinein das Beste an diesem Film) dreht er in HK, den Rest in der
Sommerfrische einer malaysischen Ferieninsel. Soviel nervenaufreibende
Entspannung und Wohlgefallen fordert von einem rastlosen Unruhestifter wie
Lam sicher die volle Konzentration. Kein Wunder, daß die Postproduktion
fast ein Jahr in Anspruch nimmt und dann weitere lange Monate ins Land gehen,
bis der längst überfällige, von Johnnie To Kei-fung über
One Hundred Years Of Film und Milkyway Image Ltd. Production
für die China Star Entertainment Group produzierte Film endlich
erscheint.
Ein anderer Grund für die Veröffentlichungsverzögerung
ist angeblich die Star-Politik China Stars: Dort soll man darauf bestanden
haben, MISTER PERFECT nicht vor Tsui Harks aus verscheidenen Gründen
lange überfälligem BLACK MASK 2 - CITY OF MASKS (HK/USA, '01),
der nach langem Hin und Her schließlich Anfang '03 in HK startet, in
die Kinos zu bringen, um dem Necomer Andy On Chi-kit, Hauptdarsteller beider
Filme, eine bessere Startbasis zu geben. Keine Fehlentscheidung, aber eine,
die unnötig Nerven kostet, da keine der beiden Produktionen Hitpotential
besitzt und der ABC (American born Chinese) Andy On mit der Ausstrahlung
und artistischen Geschmeidigkeit eines frisch gestärkten Bettlakens
auftritt.
Das ganze Gegenteil der Plot von MISTER PERFECT:
fluffy-aufgeschäumt, wie in Schlagsahne gemeißelt, verliert er
sich schnell in gagig-quirliger Situationskomik. So was kennt man aus neueren
Filmen von Johnnie To und Wai Kar-fai oder von Joe Ma Wai-ho: flott über
die Runden gebrachter, schlichter Nonsens und Klamauk (bei Lam sind's z.B.
irgendwie flamenco- oder gällisch-stepptanz-zackig inspirierte,
merkwürdig ungelenk, turnstundenmäßig unecht wirkende
Kampfnummern mit exzessivem Fingerschnippen, Sonnenschirmfechten,
Früchtebombardement, computeranimierten lachenden Sonnenblumen und andere
Affigkeiten), der muß sofort wieder raus aus dem System oder erzeugt
Übelkeit.
Federleichte Flauschweichzeichnerei
Nach dem nicht unattraktiven Action-Auftakt in HK entweicht unter
der hirnerweichenden malaysischen Äquatorialurlaubssonne der Druck aus
dem ungewollt verfallsbeschleunigten MISTER PERFECT so schnell wie aus einer
porösen Luftmatratze. Die Handlung verliert sich trotz einiger guter
Szenen schnell irgendwo an Nebenschauplätzen; Lam findet nicht mehr
zum Kern des Plots zurück. Für einen Film, der mehr sein will als
ein farbenfroher Urlaubsgruß von exotischen Orten oder ein Werbefilm,
gesponsort vom malaysischen Touristikministerium okay.
Noch nie hat Lam den roten Faden, die dramatische Struktur so sehr
aus den Augen verloren wie hier. Unverbindlich wie die banalen Animationen
in einem Ferienclub reihen sich die Plotelemente hintereinander. Ein
tiefergehendes narratives Konzept als bei den Flachwasserspezialisten dieses
Genres (Raymond Wong Pak-ming, Clifton Ko chi-lam oder Wong Jing) wird man
nicht an Land ziehen. Die geheimen Pläne für ein Raketenlenksystem,
die sich zwei in ihrer Motivation völlig unterdefinierte Gruppen gegenseitig
abzujagen trachten (Haupt- wie Nebenfiguren dimensionslose Charaktere, von
den Darstellern - größter Pluspunkt - trotzdem mit ziemlichem
Spaß gespielt), können deshalb nicht mehr als ein MacGuffin sein.
Genauso die titelgebende romantische Suche nach dem "perfekten Mann": ein
unbedeutender szenischer Ausgangspunkt, alles andere als die bestimmende
thematische Grundlinie. Aber auch die unvorhersehbare anything-goes-Haltung
ist keine Planungsvorgabe, sondern resultiert aus Konzeptlosigkeit und
Zufall.
Temporale Dehnungs- und Stauchungseffekte?
Hätte man von Lam, unbeschwert durch narrativ-dramatische
Strukturzwänge, wirklich so etwas wie eine kleine oder größere
Belastungsstudie über temporale Dehnungs- und Stauchungseffekte in
dynamischer Abhängigkeit von Screwball- Beschleunigungsmechanismen erwarten
können? Kaum. Dafür ist er zu wenig Filmtheoretiker, vielleicht
auch einfach zu unflexibel und zu sehr Erzähler (wovon man hier allerdings
nichts mitbekommt). Wen wundert's. Lam ist eben kein Formwandler. Wenn er
- was sehr mutig ist - aus seinem vielfach optimierten Schutzpanzer steigt,
muß das wohl erstmal seltsam und befremdlich sein.
Solange Lam seinem Hard-Boiled-Wesen treu und bei der Brechstange
bleibt und nicht versucht, Bambus zu spielen - kein Problem. Hier wird es
zu einem. Was bei anderen (unabhängig vom Idiotiefaktor)
absichtsgemäß als Augenzwinkern verstanden wird, wirkt bei Lam
eher wie ein unkontrolliertes, nervöses Liderflattern. Um auch in diesem
Genrebereich souverän mitspielen zu können, muß er wohl noch
etwas üben.
-MAERZ- (Axel Estein)
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