Peter Weir: Master and Commander (USA 2003)

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Peter Weir: Master and Commander (USA 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

Master and Commander ist eine alteuropäische Angelegenheit, in jeder Hinsicht. In der neuesten ohnehin, indem ein Konflikt im Zentrum steht, bei dem die Tat und der Gedanke in heftigen Widerstreit geraten, ohne jedoch dabei die gesitteten Bahnen der Theorien kommunikativen Handelns zu verlassen. Eine Sache des alten Europa zudem in aller Offensichtlichkeit: der Kampf zu See, mit gesetzten Segeln, tiefstes 19. Jahrhundert. Dort setzt das kluge Buch denn auch die sichtbarsten Anker. Wo die Seefahrt in die Moderne ragt, beim bedeutendsten amerikanischen Roman des Jahrhunderts, Melvilles Moby Dick. Der weiße Wal freilich heißt Acheron, wie der mythologische Fluss der Unterwelt, man versichert sich also zugleich antiker Unterstützung. Neben literarischer aber spielt auch wissenschaftliche Moderne hinein: als proto-darwinsch erweist sich der friedliebende Forschergeist des Wissenschaftlers. Die Galapagos-Inseln bieten das dafür auf der Hand liegende Exempel. Und alteuropäisch ist zuletzt auch die Sache mit dem Schiff als Mikrokosmos des menschlichen Zusammenlebens. Kein Narrenschiff, dafür die ganze Gesellschaft, die auf ihre Organisations- hier genauer: Befehlsstrukturen hin gemustert wird. Ja, es ist die Idee, es lasse sich durch mikrokosmische Allegorisierung noch einmal die ganze Wahrheit übers Soziale erkennen, eine zwar schätzenswerte, aber doch alteuropäisch (nun ganz im Luhmannschen Sinn) naive Vorstelllung.

Wie in den Konzepten, die er durchreist, ist der Film auch im Ästhetischen nicht gerade auf dem neuesten Stand der Blockbuster-Entwicklungen der Hollywood-Gegenwart. Dem der technischen Möglichkeit nachhetzenden Schnitt setzt er die ruhigen Atemzüge eleganter Découpage als Maß des Menschlichen entgegen und sucht und findet Ruhepunkte sehr viel häufiger als solche der Exaltation in Action und Effekt. Die Musik dazu machen, wen könnte es noch wundern, meist Cello und Violine. Es knarzen die Segel, den Horizont gibt das Meer. Es wird diskutiert, unter Deck, die Kajüte als Salon nicht zu irritierender Bürgerlichkeit auf hoher See. Was ein gerechter Führer ist und was ein Tyrann. Was Heldenmut. Wie sich wissenschaftliche Neugier und das Kriegshandwerk miteinander vertragen können, ohne selbst miteinander in Krieg zu geraten. Wie Karrieren gemacht werden und wie der Mensch auch zu seines Vorgesetzten Wolf werden kann. Was Sache Gottes und ist und was Sache der Evolution. Die Surprise also nichts anderes als: ein Aufklärer, der Mikrokosmos der Mannschaft führt vor Augen, was zugleich als Frage im Raume steht.

Seine konservativen Züge hat das alles - konsequenterweise - auch darin, dass es um den britischen Kampf gegen Napoleon geht, ein letztes Gefecht altmodischer Kriegstechniken, für die Lord Nelson steht. Das Eigentümliche und vielleicht gar nicht Unverdächtige ist: Man lässt sich das alles sehr gerne gefallen. Der Film ruht in sich und verliert sich niemals aus den Augen. Er kennt sein Maß und misst es aus, mit einer Gründlichkeit, die man aus dem Herzen der amerikanischen Filmindustrie derzeit zuletzt erwartet hätte - und schon deshalb ist der recht beträchtliche Erfolg beim Publikum (wie bei der Kritik) vermutlich sogar als Indiz zu nehmen dafür, wohin die Sehnsucht geht. Nach Wiedereinsetzung des Raums und der Zeit gegen die Formen der Virtualisierung. Nach Vergangenheit. Nach der neuerlichen Invisibilisierung des Technischen: Wind und Meer und Kampf als CGI als Wind und Meer und Kampf. Nach Humanismus. Und dankbar ist man, wie man es angesichts Wirklichkeit gewordener Barbarei immer ist, für die Verteidigung der Werte der Aufklärung. Auch wenn das, wie stets, zu schön ist, um wahr zu sein und deshalb Ideologie. Es fällt schwer, weil der Mensch des Menschen Maß so liebt, das Herz nicht zu wärmen an diesen Gestalten des alten Europa. Dabei liegen sie, ohne wenn und aber, hinter uns. Darüber freilich klärt uns Master and Commander nicht auf, nicht einmal mit den Haltungen, die dafür auch alteuropäisch zur Verfügung stehen, Nostalgie oder Melancholie. Der Film erträumt sich das ein für allemal Vergangene als gegenwärtig Mögliches. Darin steckt ein in mancher Hinsicht schätzenswertes, aber zuletzt doch massives Stück Wirklichkeitsverleugnung.

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