David Lynch: Mulholland Drive (USA 2001)

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Mulholland Drive (USA 2001)

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USA 2001

Regie: David Lynch

Mit Naomi Watts, Laura Herring, Justin Theroux

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David Lynch: Mulholland Drive (USA 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

 David Lynch: Mulholland Drive

Die Suche nach dem Dahinter - theoretisch, psychoanalytisch oder sonstwie - führt bei Lynch stets weniger in die Irre (das wäre ja noch ganz interessant) als pfeilgrad ins Nichts. Seine Bilder wie seine Geschichten verpflichten sich da, wo sie stark sind, auf nichts anderes als auf sich selbst und Inseln interner Verschiebungs- und Ähnlichkeitslogiken (Psychoanalyse ohne Tiefenpsychologie sozusagen). Man kann Linien ziehen, gelegentlich ziehen sie sich auch von selbst, man wird aber am Ende nicht zu einem kohärenten, schlüssigen Bild gelangen. Wer sich darüber dann ärgert, ist selber schuld.

Lynchs technische Mittel sind, immer schon, vom Eraserhead- Pappmaché bis zur dann auch im Auftritt simplen Straight Story (vielleicht mein Lieblings-Lynch) im Grunde primitiv. Die Suggestion stellt sich durch keineswegs bildsprachlich ausgeklügelte Bedrohungsszenarien her, die Kamera ist ein kleines bisschen schwindelig, dann subjektiv (blinder geht's im Kino nicht als subjektiv), dazu dräut im Hintergrund Angelo Badalamentis Musik, am Ende biegt ein schwarzer Mann um die Ecke und fertig ist der Horror. (Bei Dario Argento ist das auch nicht sehr viel anders - noch ein Regisseur, an dem man besser nicht theoretisch rumschraubt.)

Die Sequenzen, in Mulholland Drive noch einmal weniger zeit-, raum- und narrationslogisch miteinander verknüpft als in Lost Highway, tragen die Kraft ihrer Wirksamkeit in sich selbst. Übrig vom Pathos einer Geschichte sind nur noch die Pathosformeln der Bedrohung, des Jubilatorischen (wenn Betty ihr neues Domizil betritt), der über die DarstellerInnen-Identität hergestellten Wiedererkennbarkeiten (mit dem stets präsenten Potential des plötzlich Fremden) und des Komischen. Dies alles oft genug in wüsten, den eigenen Affekthaushalt in heftiges Durcheinander stürzenden Gemengelagen: Lynch inszeniert das Umschlagen von Komik in Horror, von Horror in Komik und lieber noch das Zugleich, die Kippe.

Mulholland Drive hat eine Entstehungsgeschichte, die den Bruch, den der Film nach zwei Dritteln erleidet, von außen erklärt. Die ersten zwei Drittel sind beinahe reine Prägnanz, Potentialität der Figuren und ihrer Geschichten. Man sieht, wie sich ganz langsam ein kommender Fernsehserienkosmos (andeutungsweise) entfaltet, wie Charaktere eingeführt werden, Klischees von Charakteren, deren zukünftige Verwandlungen man (Twin Peaks im Hinterkopf) ahnt, ohne dass sie erst einmal mehr als angetippt würden. Diese Figuren und diese Szenen sind auf einen geradezu unendlich offenen (wenngleich Lynchesk in sich gekrümmten) Horizont hin entworfen, nicht auf absehbare Abschließbarkeit hin. Sie sind der Entwurf von Spielsteinen, mit denen so viel anzufangen ist wie mit an sich banalen, schwuppdiwupp aber enorm aufgeladenen Gegenständen wie Schlüsseln und Kästchen. Die ersten zwei Drittel von Mulholland Drive vibrieren so vor Zukunft und Weitererzählpotenzialen.

Dann aber lehnte der amerikanische Fernsehsender den Pilotfilm, als der Mulholland Drive geplant war, kommentarlos ab, das abgedrehte Material wurde durch französische Gelder aus dem Orkus der Fernsehgeschichte geholt und von Lynch um weitere Szenen ergänzt. Nun war der Regisseur natürlich nicht so dumm, die angelegten Rätsel einfach aufzulösen - und doch hat er versucht, so etwas wie ein Ende, einen Abschluss, noch in radikalen Verschiebungen eine Sinn-Kontinuität herzustellen. Er fügt in der Umkehrung der Figuren, im Austausch ihrer Namen und in der Verkehrung ihrer gegenseitigen Verhältnisse dem eröffneten Suggestionsraum eine Pseude-Vorgeschichte hinzu, die als eine Art Pseudo-Erklärung auftritt - und er gibt den vielen eingeführten Charakteren, nun doch wie verpflichtet zu einer narrativen Logik, die nichts verkommen lässt, mal groteske, mal banale Ergänzungsszenen. Man hat das Gefühl, die Serie, aus der nichts geworden ist, im letzten Drittel des Films in Gestalt von wenigen Outtakes vorgesetzt zu bekommen. Das ist noch einmal eine andere Form von Sinn- und Schlüssigkeitsverweigerung als die Lynch-übliche. Hier droht der Film ins Beliebige zu zerfallen, eine Gefahr, der die ersten zwei Drittel eines rätselhaften Suggestions-Ganzen keine Sekunde lang ausgesetzt waren.

Nur dieses interessant, aber zuletzt doch unbefriedigend angestückelten Zusatzes wegen ist Mulholland Drive kein perfektes Meisterwerk. Ein Meisterwerk dennoch und, mein Gott, was wäre das für eine großartige Fernsehserie geworden.


Mehr zu Lynch und Mulholland Drive übrigens in der Kritik zu Brian De Palmas Femme Fatale

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