Alles, alles muss ins Bild. Das ist De Palmas Obsession, immer
schon, erst recht in der Summe seines Schaffens, die Femme Fatale
ist. Hier fehlt nichts, vom ersten Überblendungsbild, das die nackte
Schönheit im Fernsehbild (von Double Indemnity) sich vage spiegeln
lässt, bis zum Foto, das die letzte Lücke füllt in einem Bild
aus Bildern, einem gestückelten Vexierbild, das vor allem eines ist:
die Mise-en-abyme des De Palmaschen Erzählens als Eintrag, Zutrag, Auftrag
von Bildern in Bilder, auf Bilder. Alles, wie gesagt, muss ins Bild, vor
allem: das Abbilden, das Bildermachen selbst; nicht zufällig spielt
also ein Fotograf eine zentrale Rolle und zum metonymischen Leitmotiv werden
Augen, die blicken, in die die Kamera in Großaufnahme blickt, in die
Pfeile hineinfahren, aus denen Blut hervorschießt, Pupillen, die sich
gar in Flugzeugtriebwerken wiederzufinden scheinen.
Die Gelenkstelle des Films - der, unter vielem anderen, auch ein
Parallelstück zu Lynchs
Mulholland Drive ist
- ist ein Moment des Voyeurismus: Laure (Rebecca Romijn-Stamos) beobachtet
Lily (Rebecca Romijn-Stamos), die sich erschießen will. Wir werden
das zweimal sehen. Dieselbe Frau als andere an einer Stelle, an der das Schicksal
einen Abzweig nimmt. Die Dopplung erzwingt eine Dopplung, darin liegt eine
Logik, die mit Realismus nicht das mindeste zu tun hat. Übers - sorry
- Auge gehauen aber fühlt man sich nicht: die Logik ist bezwingend,
weil De Palma jederzeit bereit ist, mit dem absurden Spiel ernst zu machen
und Fragen zu stellen wie: Wer fickt hier eigentlich wen? Ernst zu machen
auch mit der Kontingenz, die diese Dopplungen hervorbringen, und mit
Präzision die Bilder und Teile aneinanderzufügen.
Da alles ins Bild muss, haben De Palmas Filme niemals ein Geheimnis
(das ist der große Unterschied zu Lynch; dessen Geheimnisse werden
nicht formuliert, bzw. die formulierten Geheimnisse bei Lynch sind nie die,
um die es eigentlich geht, aber jedes Bild und jeder Zug des Erzählens
ist bei ihm organisiert von einem nicht in den Blick geratenden - und in
Wahrheit: nur suggerierten, gar nicht existenten - Geheimnis, das sich
so in sich selbst zurückzieht und immer nur, als Bilder und
Verhaltensweisen, Symptome hervortreibt, denen man hinterherrätseln
muss. Dabei liegt der Schein des Geheimnisses immer nur in den Symptomen
selbst; aber darin auch, dass sie Symptome zu sein scheinen: das Geheimnis
ist den Bildern, kurz gesagt, immanent als Suggestion von Transzendenz).
Lynch ist ein Mystiker der Oberflächen, De Palma ihr materialistischer
Manipulator. Ein Mechaniker, wenn man so will: die Bilder, die Töne
sind stets produziert, auch die Plots (man denke an die Zusammen-Stückelung
von Bild und Ton in "Blow Out" - da schon eine Psycho-Transposition;
hier organisieren sich die Anspielungen um Vertigo. Das beginnt schon
mit dem Blickfang der beinahe spiralförmigen Schlange.). Was es nie
gibt bei De Palma: auch den Schein nur von Natürlichkeit. Brillant daher
der Einsatz des Split Screen, der an zentralen Stellen (zweimal) die Bilder
sich trennen lässt und gegeneinander bewegt. Und daher auch die
charakteristischste, selten fehlende Kamerabewegung: die Fahrt über
eine so von oben in den Blick kommende Wand, die Aufhebung der Raum-Illusion
im Gleiten der Kamera. Die Allmacht, die sich hier ausspricht, ist die -
eines Gottes, vielleicht, aber dann nach Art des unbewegten Bewegers.
Femme Fatale ist ein Meisterstreich, weil hier nicht nur alles,
was De Palma je umgetrieben hat, zusammenkommt, sondern auch noch bezwingend
strukturiert wird, um die gedoppelte Femme Fatale herum, ums Kino herum,
das sich immer wieder - Déjà-vue heißt es mehr als einmal
(alles hier: mehr als einmal) - auf sich selbst zurückkrümmt, sich
in den eigenen Bildern wiederfindet. Und verliert. Mehr als einmal,
übrigens, auch: die Credits. Größer noch als der der doppelten
Hauptdarstellerin Rebecca Romijn-Stamos kommt ein anderer Name ins Bild.
Es ist der Sandrine Bonnaires. Ausgerechnet. Wunderbar.
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