Scherpunkt Asien: Muthu (Regie: K.S. Ravikumar, Indien 1995)

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Muthu (Regie: K.S. Ravikumar, Indien 1995)

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Muthu (Regie: K.S. Ravikumar, Indien 1995)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Nichts, rein gar nichts, will dieser Film mit der Wirklichkeit zu tun haben. Jedes Mittel ist ihm recht, als Mittel zum Effekt. Der Effekt aber ist nie ein mimetischer. Einen Ort, eine Zeit, die identifizierbar wären, gibt es nicht in "Muthu", beides wird selbst zum Mittel, Märchen-Raum, Märchen-Zeit, diffus und zugleich offen aufs beinahe Fantastische, wenn etwa in der Kutsche, die stets in Bewegung ist, von irgendwo nach irgendwo, aber ohne Ziel, wenn in dieser Kutsche also Muthu, der Held, und die Frau, die er liebt, in einem Land landen, hinter den sieben Bergen, dessen Sprache sie sprechen und auch nicht.

Die Beziehungslosigkeit zur Wirklichkeit aber wird am deutlichsten an der hermetischen Trennung zwischen Bild und Ton. Keineswegs führt hier der Ton ein Eigenleben (das ist nicht Godard; genauer gesagt: weiter weg von Godard kann man kaum sein als dieser Film, so weit, dass das eine dem anderen, an den entgegengesetzten Enden der Form, schon wieder begegnet), oder, wenn ein Eigenleben, dann eines, das mit dem Leben der Bilder synchronisiert ist. Gegen die Art uns geläufiger Synchronisation aber hält der Ton sich nicht im Hintergrund, sondern pointiert und verdoppelt, was wir sehen. Mitunter sehen wir auch nur, weil wir hören, in den nicht elegant, aber wirkungsvoll choreografierten Faustkämpfen etwa, in denen die Fäuste, wie wir sähen, wenn wir nicht hörten, weit an den Körpern vorbeischlagen, auf die sie mit heftigem Schlag treffen. Es ist dies ein seltsamer Illusionismus, auch bei den weiß Gott kaum einmal lippensynchronen Gesangssequenzen. Die faustdicke Behauptung der Übereinstimmung muss genügen; eine Unschärfe der Illusion, an der nur die Wirklichkeitskrämer etwas auszusetzen haben. In Wahrheit zeigt sich darin das Wesen dieser Filme, die mit großer Souveränität nicht nur so tun, als ob - wie jede Fiktion -, sondern auch das "als ob" mit großer Selbstverständlichkeit mit ins Bild nehmen, das sich so zusammensetzt aus Illusion und Mitführen des Produktionscharakters der Illusion, ohne dass die Illusion selbst, als das was Identifikationen erzeugt, Affekte hervorruft, jemals in Frage stünde.

Identifikation galore, nach Art der Starproduktion, denn "Muthu" ist eine One-Man-Show von Superstar Rajnikant. Er kämpft wacker, unterstützt nicht von wirework, sondern, wie gesagt, vom Ton, mit den Bösen, verliebt sich in die Schönheit, erschrickt vor der Schlange (das ist, kurios genug, eines seiner Markenzeichen) und degradiert alles, was an Plot und Figuren um ihn kreucht und fleucht, zur Staffage. Ein dicklicher, nicht mehr junger Mann mit Schnurrbart und sogar die Japaner sind, seit "Muthu" verrückt nach ihm. Der Effekt, um den es in erster Linie geht, ist übrigens Komik, die, gerade fürs erste Drittel, in dem alles etwas langsam nur in Fahrt kommt, mit low brow noch freundlich beschrieben ist. Irgendwann übernimmt aber der reine Wahnsinn die Regie, von da an hat man großen Spaß mit Schluckauftänzen und rasenden Heuhaufen zu eingängigster Rahman-Musik. Zuletzt gibt's dann noch eine etwas ernster daher kommende Ehrenrunde durch familiäre Verstrickungen, die Erklärungen liefern für Verhaltensweisen, für die man gar keine Erklärungen brauchte. Kino der Künstlichkeit aus Kollywood, nach Anlaufschwierigkeiten in Bestform. Wer's eh nicht mag, wird sich mit Grausen wenden. Für alle anderen ein großer Spaß.

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