Der Ort: Frankreich. Die Zeit: 18. Jahrhundert vor der Revolution.
Genre: Horror. Kostümfilm. Kickboxing. Vorbilder: Hongkong. Merchant
Ivory. Alien. Seit Jodorowsky (El
Topo), der leider leider nur noch Comics macht, hat vermutlich niemand
eine so waghalsige Kombination von Genres und Subgenres unternommen wie
Christophe Gans mit diesem Film. Das Erstaunliche ist, dass man's kaum merkt,
dass das Ergebnis nicht wild ist, kein bisschen campy, nicht durcheinander,
nicht ungezähmt, nicht nur vom Licht der Aufklärung durchflutet,
sondern schön brav vorwärts erzählt, mit richtigen, psychologisch
gespielten Charakteren, Freundschaft, Liebe und dann eben ein bisschen
Kampfsporteinlagen und CGI-Monster-Nervenkitzel.
Die Story als ganze macht verblüffend viel Sinn. In der abgelegenen
Provinz Gevaudan mordet eine Bestie, aus Paris kommt der Naturforscher Chevalier
de Fronsac, um dem Mysterium auf den Grund zu gehen. Dabei bringt er nicht
nur viel aufgeklärten gesunden Menschenverstand mit, sondern auch seinen
indianischen Blutsbruder Mani, der für den spirituellen - aber eben
keineswegs esoterisch-abergläubischen - Alternativentwurf zur
abendländischen Wissenschaft zuständig ist (auch dafür steht
hier übrigens der Kampfsport-Einsatz des Körpers als Waffe - im
Unterschied zu den Feuerwaffen). Die strukturellen Gegenpositionen sind besetzt:
erstens durch den König, der ein nur strategisches Interesse an der
Beruhigung der Gemüter hat und keineswegs an wirklicher Erhellung
interessiert ist. Zweitens durch den geheimnisvollen Pakt der Wölfe,
eine anti-aufklärerische Abspaltung des Römisch-Katholischen, das
wiederum - verführerisch wie selten - von Monica Bellucci verkörpert
wird. Die Bestie ist in Dienst genommene, abgerichtete Natur, aber nicht
von sich aus böse, Symbol damit der lenkbaren Leidenschaft des
Menschen.
Der Entwurf des Films ist also durchweg säuberlich, daran
ändern die Horror- und Kampfsportintrojektionen nichts
Grundsätzliches. Auch visuell ist Christophe Gans, einer der exzellentesten
Kenner des Hongkong-Films, mit seinem Pakt der Wölfe näher
am Kostümschinken als an Fernost. Die historischen Interieurs sind mit
viel Liebe und Geld gestaltet, vermutlich ist alles sogar recherchiert und
historisch korrekt. In den Kampfsportszenen setzt er nicht auf
Wirework-Levitationen, auch nicht auf Zeitlupen-Ballette. Das einzige formale
Stilmittel, das er - neben dem raschen Schnitt natürlich - einsetzt,
ist der rasante Wechsel von Verlangsamung des Bildtempos und
Rückbeschleunigung. Einzelne Momente scheinen, ganz kurzzeitig, eingefroren,
durch das abrupte Abbremsen herausgehoben - ein Effekt übrigens, den
Gans, aber recht sparsam, auch in den Horror-Szenen einsetzt. Diese leben
sowohl von Momenten der bloßen Bedrohlichkeit (was dann bei der Kritik
oft subtil heißt, ohne guten Grund) wie vom blutigen Kampf. Die
Sichtbarkeit des Monsters, sein Auftreten, ist geradezu strukturelle
Notwendigkeit in einem Film, dem es um Entzauberung, Erhellung, Aufklärung
geht.
Prä-romantisch ist Pakt der Wölfe auch im Entwurf
seiner Charaktere. Es gibt, schlicht gesagt, keine Faszination des Bösen.
Der wahre Übeltäter ist nicht nur ein sadistischer Mörder,
er ist noch dazu motiviert durch ein dunkles, verbotenes und vom Film keine
Sekunde als tragisches markiertes Begehren. Der Pakt der Wölfe ist,
seiner Inszenierung nach, so etwas wie ein französischer Ku-Klux-Klan;
und dass die Blutsbrüderschaft der beiden Heldenfiguren den deutschen
Betrachter ganz unweigerlich an Winnetou und Old Shatterhand gemahnt, ist
alles andere als Zufall: sind sie doch aufrechte Kämpfer auf der Seite
des Guten, Verfechter von Toleranz und Vorbilder eines um indianische Weisheit
erweiterten Vernunftbegriffs. So ist der Vorwurf, den man Christophe Gans'
Film machen kann, keineswegs der, ein wilder Mischmasch zu sein. Ganz im
Gegenteil: es geht viel zu ordentlich und sauber zu in seinem Frankreich
des 18. Jahrhunderts - gerade sein aufklärerischer Optimismus macht
den Film viel langweiliger als er sein müsste.
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