Rhetorische Figur des Nicht-Wissens, das Bild, das sich als Bild
dem Blick verweigert (wie der Gedankenstrich bei Kleist): die Weißblende,
die drei Jahre löscht und der Erzählung von "Paycheck" einen Drall
versetzt, von dem sie leider allzu rasch wieder in geregelte Bahnen
zurückfindet. Und das liegt an John Woo, dem Großmeister der Kunst,
den Stillstand, den Action-Szenen ihrem narrativen Wesen nach sind, als
Vorwärtsjagd geradeaus zu inszenieren. Mit Gewalt begradigt er so die
Doppelbewegung zwischen gelöschter, in der Gegenwart rekonstruierter
Vergangenheit, und der Zukunft, die immer schon aus der Vergangenheit kommt
als unvertrauter Gegenstand.
20 Gegenstände als Faszinosum dieses Films. Man kann an Dominik
Grafs allerdings viel aleatorischeren Entwurf in
"Der Felsen" denken. "Paycheck" dagegen
ist nicht die Geschichte von Würfelwürfen, sondern im Gegenteil:
eine Geschichte, der Determinismus-Komplikationen, die man sich mit Blicken
in die Zukunft einhandelt. Michael Jennings, der Held, der nichts weiß
und sich alles Wissen situativ erarbeiten muss, der Held, der als exemplarischer
Action-Held sich in jedem Moment neu erfinden muss als der, der er ist, ohne
zu wissen, wie ihm geschieht, der Held, der sich selbst vorhergesehen hat
als den, der sich an nichts erinnert, der Action-Held also als durchweg paradoxer
Entwurf. Ein Held, der mit dem Nicht-Schauspieler Ben Affleck beinahe noch
zu ausdrucksstark besetzt ist, weil der Selbst-Zweifel in seiner direkten
Umsetzung in Aktion nicht nach Psychologie verlangt, sondern nach einer
Geschwindheit, die von totaler Eigenschaftlosigkeit auf die Schnelle gar
nicht zu unterscheiden sein darf.
Die Weißblende als der Ort, der die Narration gebiert. Das Subjekt,
das durch die Löschung in Bewegung gerät, gesteuert von einem zeitlich
dissoziierten Unbewussten, das nicht in Verschiebungen und Verdichtungen
aktiv wird, sondern in Zügen in einem Kräftefeld, dessen Kräfte
spürbar, dessen Gesetze aber (wenn auch nicht bis zuletzt) unbekannt
bleiben. Alle Nebenfiguren sind Spielmaterial, das John Woo, wie man es von
ihm erwarten darf, in eleganter Manier verpulvert. Und wie sich der Film
in der Weißblende, im Nicht-Blick, öffnet, so schließt er
sich mit dem Licht, das eine Taube gebiert, die, gleichfalls als eine Art
Weißblende, auf den Betrachter zurast und die Leinwand füllt.
Hier ist längst alles konventionalisiert: der Held, zu dem Affleck nun
nicht mehr taugt, der Showdown, der der Logik der Prämissen
zuwiderläuft. Den letzten Gegenstand dann reißt, mit aller
Unverfrorenheit, deren es fähig ist, Hollywood Philip K. Dick aus der
Hand. So endet der Film mit der Erfüllung der Versprechen, die zu
enttäuschen ihn zu einem besseren gemacht hätte.
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