"Resurrection of the Litte Match Girl" gibt sich inspiriert von
Hans Christian Andersens Märchen "Das Mädchen mit den
Schwefelhölzern"; diese Nähe aber bleibt reine Oberfläche,
was durchaus passt: denn mit Oberflächen und nichts anderem hat dieser
Film zu tun. Der Plural ist in mehr als einer Hinsicht berechtigt, denn sein
Prinzip ist das der Bewegung von einer Oberfläche zur anderen. Das
treffendere Wort wäre screen, Leinwand, Bildschirm. Zwei screens sind
es, die hier aufeinanderstoßen, leider nicht auf sehr reflektierte
(was hier auch hieße: in einander gespiegelte) Weise. Ju, der Held,
ist, auf dem ersten Screen, der fiktiven Gegenwartswirklichkeit des Films,
nicht mehr als im richtigen Leben ein Dienstbote, der auf dem Motorrad seines
Chefs Speisen ausfährt. Im Nebenleben spielt er Video-Games. Und in
ein solches, ein Videospiel, in dem es das Mädchen mit den Feuerzeugen
zu retten gilt (es ist Abbild der Spielhallen-Aufsichtsperson, insofern hat
das ganze viel von einem Jungstraum), lässt ihn, durch den screen der
Wirklichkeit hindurch der Film geraten.
Über weite Strecken ist das der Screen, auf dem die Figuren und
der Betrachter sich bewegen. Allerhand Personal wird in Gang gesetzt,
Killerbanden und Lara (wie Croft, das wird, mit einem der nirgendwohin
führenden Verweise, gleich dazu gesagt), die transsexuelle Kämpferin
auf dem Motorrad, alle hinter dem Mädchen her, in mitunter überaus
wilder Jagd, in Action- und Wirework-Sequenzen, die Spektakel machen und
sich durch die neuere Filmgeschichte zitieren, ohne tieferen, ja, ohne
irgendeinen Sinn zu haben als eben das Spektakel. Einfach Augenfutter, das
bald das Hirn ermüdet. Allerhand geschieht, auf der Ebene, auf dem Screen
des Spiels: das Mädchen wird in der zweiten Stufe plötzlich zur
Killerin, zieht metzelnd durch die Straßen. Im dritten Teil steigert
sich der Kampf zur Gigantomachie, die Spieler treten an gegen das System,
das das Mädchen deprogrammieren will. Eindeutig verifizierbar ist der
Status des Systems nicht, es ist außerhalb, findet Verkörperung
in einem Schurken im Game und hat sein Hauptquartier in einem weißen,
fensterlosen Riesengebäude, in das Ju am Ende eindringt. Dieser Ort
aber ist in ständiger Auflösung begriffen, die Oberflächen
werden porös, Ju gelangt von der einen zur anderen, ohne dass recht
zu sagen wäre, wie es zugeht.
"Resurrection of the Match Girl" ist das Nachspiel zu "The Matrix",
aber als Farce. Die philosophischen Paradoxien, auf denen das Vorbild aber
mit einiger Raffinesse beharrt, interessieren den koreanischen Film im Grunde
nicht. Er zerfällt in Budenzauber und Zitat und scheitert nicht zuletzt
an der Konsequenz, mit der er seine Figuren über die
Eindimensionalität von Videogame-Figuren nie hinausgeraten lässt.
Wie ihnen geschieht, kümmert den Betrachter kaum. Am wenigsten passt
dazu noch die wenig slicke, vielmehr körnige Oberfläche der Filmbilder,
die nicht Künstlichkeit, sondern Realismus konnotiert. Darauf aber will,
den bisherigen Filmen des Independent-Regisseurs Jang Sun-Woo zum Trotz,
"Resurrection of the Match Girl" an kaum einer Stelle hinaus. Als reines
Video-Spiel bleibt er, vom angesprochenen Empathie-Problem abgesehen, zu
überraschungsfrei, zu langsam auch. Und die Reflexion übers
Verhältnis von Film-Narrativ und Game-Logik ist nicht einmal in
Ansätzen intendiert. So zerfällt der Film vor den Augen des Betrachters
in seine Einzelteile.
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