Wie es Meisterwerke der Konzentration gibt, der Anspannung der
Oberfläche, einer Ruhe, die immer schon vom Hervorbrechen spricht dessen,
was in ihr liegt - und mit "The Mission" hat Johnnie To ein solches Meisterwerk
gedreht -, so gibt es auch Meisterwerke des Überbordens, der explodierten
Oberflächen, die einem 90 Minuten lang alles um die Ohren werfen, was
ihnen in die Finger kommt, bis Ruhe ist, erschöpfte Ruhe. "Running on
Karma"gehört fraglos zur Art der Explosionsfilme, mit der
Einschränkung und Erweiterung jedoch, dass er von Zeit zu Zeit und vollends
zum Ende hin auch implodiert. In eine Kontemplation fällt, die Welten
entfernt liegt von Knall und Krach des Vorangegangenen.
Nun ist, schon zuvor, das Brechen der Gesetze des Genres, des Tons,
des Stils, des Narrativen, der Logik, auch der Natur das einzige Gesetz,
das der Film sich gibt. Ein Gesetz ohne Regel, das Gesetz einer Logik des
Non-Sequitur, das nur Effekte kennt, aber keine Grundsätze, dessen narrative
Fortbewegungsart das Springen, das Fallen, das Purzeln ist, nicht der lineare
Fortgang. Die Verkettung zu einer Geschichte ist der pure Schein, wie sich
spätestens in der Nacherzählung offenbart: Ein Mönch, der
jetzt Bodybuilder ist (Superstar Andy Lau im Muskelanzug), gerät unter
Mordverdacht und will zugleich einer Polizistin, die sich in ihn verliebt
hat, das Leben retten, das er in Gesichten bedroht sieht. Der wahre Mörder,
ein indischer Schlangenmensch, wird unterdessen durch die Straßen Hongkongs
gejagt.
Die Genres, die hier zusammenkommen und übereinander herfallen,
lassen sich nicht an den Fingern einer Hand abzählen. Gespenster und
Cops, gender trouble im Polizeidienst, Buddhistisches und Slapstick,
die Melancholie der nächtlich verlassenen Straßen Hongkongs und
eine zarte Liebesgeschichte, Gewalt und Poesie, Abstruses und Albernes: keine
Regung des Hongkong-Kinos bleibt "Running on Karma" fremd. Es muss also um
eine Kunst der Mischungsverhältnisse zu tun sein, die die Gesetze der
Plausibilität durch solche der gekonnten Parekbase ersetzt. Eine Kunst
des Fallens nach vorne, die sich als Narration tarnt. Eine Kunst des Stolperns,
für die Andy Laus interruptive Mopedfahrt das passende und darüber
hinaus höchst komische Bild abgibt. Eine Kunst auch der Stimmungen,
eine alchimistische Kunst der Entmischungen und der genauen Dosierung von
Anteilen. Das Grobe neben dem Feinen, das Dunkle neben dem Hellen, das Grelle
neben dem Zurückgenommenen.
Zum Meisterstück wird er dadurch, dass sich seine Teile nicht
summieren lassen, dass ihr Verhältnis sich nicht auf das der
Grundrechenarten der Emotionen im Kino bringen lässt, dass sich das
alles nicht zum Ulk addiert und zur Parodie, sondern allem, das in ihm steckt,
ein Recht lässt bis zuletzt. Den Szenen, die sich in ihrer Komik
erschöpfen. Der Stille und dem Schrecken, der im Gebirge herrscht. Der
Liebe, die kein glückliches Ende nehmen kann (und schon in dieser
Kühnheit steckt die Größe des Films). Den Wandlungen des
Mönchs zum Muskelprotz und zurück. Dem Krach und der Stille. Ein
Film, in vielen Sprachen gesprochen, pures Kino, grenzenlos hybrid.
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